Abfuhr für Washington?
von Rainer Rupp
erschienen am 09.06.1999 in der Jungen Welt
Aggressive NATO-Linie stößt auf Grenzen.
Der Versuch der NATO vom letzten Wochenende bei den Verhandlungen mit Belgrad im mazedonischen Kumanovo, sich der Friedensverhandlungen zu bemächtigen, um die Zustimmung Belgrads und Rußlands zum G-8-Kompromiß in eine bedingungslose Kapitulation Jugoslawiens und eine Unterwerfung Rußlands unter das NATO-Diktat umzuformulieren, ist gescheitert. Belgrad hatte dem G-8-Abkommen zugestimmt und nicht die NATO-Bedingungen angenommen. Das G-8-Abkommen verlangt die Unterordnung der NATO unter die UNO. Und außerdem versetzt es Rußland in die Lage, den ganzen Friedensplan fallenzulassen, wenn die NATO auch weiterhin versucht, ihr eigenes tödliches Süppchen zu kochen. Rußland weigert sich z. B., an einer NATO-dominierten »Friedenstruppe« teilzunehmen. Zugleich hat es die Möglichkeit, durch sein Veto im UNO- Sicherheitsrat der Bildung einer solchen Invasionstruppe die völkerrechtliche Legitimation zu verweigern.
Die Belgrader Regierung war sicherlich nicht darauf vorbereitet, mit welcher Unverfrorenheit die NATO die Annahme des G-8- Vorschlags durch Präsident Milosevic als dessen bedingungslose Kapitulation vor dem Kriegsbündnis verkauft hat. In der Praxis bedeutete das, daß Belgrad im guten Glauben auf einen Vertrag für eine UNO-Friedenstruppe verhandelt hat, dafür nun aber eine NATO-Besatzungstruppe bekommen sollte. Also genau das, was die NATO schon im Rahmen des Rambouillet-Diktats im militärischen Anhang Belgrad unterschieben wollte.
Für die NATO-Propaganda ist die totale Kapitulation der bösen Serben dagegen überlebenswichtig. Denn wenn das G-8- Abkommen als das gesehen wird, was es wirklich ist, nämlich ein Kompromiß zwischen Rußland und der NATO mit der wieder aufgewerteten UNO als federführend bei der Friedenssuche, dann würde in der eigenen NATO-Öffentlichkeit unweigerlich die Frage auftauchen, was durch das zweieinhalbmonatige grausame Bombardement mit Tausenden von Toten und Verletzten eigentlich erreicht wurde, was nicht besser auf friedliche Weise hätte erreicht werden können. Zumindest Amerika und Großbritannien haben ein Interesse daran, durch diese innenpolitisch motivierte Prahlerei vom totalen Sieg und der damit einher- gehenden öffentlichen Demütigung sowohl der jugoslawischen als auch der russischen Seite sowohl Belgrad als auch Moskau die Kooperation unmöglich zu machen.
Nur so kann die als Lehre für andere Staaten gemeinte Strafaktion gegen Belgrad richtig zur Geltung gebracht und zugleich die damit verbundene »Glaubhaftigkeit der NATO« für ihre Expansionsgelüste wiederhergestellt werden.