Atomteststopp wird zu Makulatur

Atomteststopp wird zu Makulatur

von Rainer Rupp

erschienen am 13.10.1999 in der Jungen Welt

USA wollen sich bei Nuklearversuchen Hintertür offen lassen. Rüstung wird fortgesetzt

»Die potentiellen Atommächte müssen ihre Waffen testen. Wir nicht«. Mit diesen Worten wollte US- Außenministerin Madeleine Albright letzte Woche doch noch die Zustimmung des Auswärtigen Ausschusses des Senats zum Atomwaffenteststopp-Abkommen gewinnen. Am Dienstag nun sollte der US-Senat das Abkommen ratifizieren. Im Senat aber haben die Republikaner die Mehrheit, und die meisten lehnen den Vertrag ab, teilweise aus politischen Gründen, teilweise aus persönlicher Feindschaft gegenüber Präsident Clinton.

Da die US-Regierung damit rechnen mußte, daß im Senat die notwendige Zweidrittelmehrheit von 67 Stimmen nicht zustande kommen würde, schrieb Präsident Clinton noch am Montag einen Brief an den Senat, in dem er diesen bat, die Abstimmung aufzuschieben, um nochmals intensiv über die Vor- und Nachteile des Abkommens zu beraten. Denn »eine Ablehnung würde die nationale Sicherheit der USA ernsthaft gefährden« und »unsere historische Führung unterminieren«, erklärte Clinton.

Im Kern geht es beim Teststopp-Abkommen nicht um die Abschaffung der Nuklearwaffen, sondern darum, es für potentiell neue Nuklearmächte schwerer zu machen, diese Waffen herzustellen und auf ihre Zuverlässigkeit und Sicherheit zu testen. Die nukleare Abschreckungsdoktrin der USA und der anderen Atommächte wird von dem Abkommen nicht berührt.

Und Präsident Clinton hat sicherlich recht, wenn er in der Ratifizierung einen großen Vorteil für die USA sieht. Selbst wenn man das niedrigere Niveau zugrunde legt, auf das das Start-II-Abkommen die russischen und amerikanischen Atomwaffenpotentiale absenken soll, bliebe den USA immer noch ein Arsenal von 3 000 bis 3 500 Nuklearsprengköpfen, »wodurch«, so schrieb die »New York Times« am Montag, »die USA immer noch die am meisten Furcht erregende Nuklearmacht der Welt besitzt«. (AP-Foto: US-Verteidigungsminister Cohen – links – ist zwar auch für das Abkommen, aber deswegen noch lange nicht nicht gegen die Rüstung)

Die Vereinigten Staaten hatten 1992 unilateral erklärt, bis auf weiteres keine unterirdischen Atomversuche mehr zu unternehmen. Bis 1992 wurden die unterirdischen Versuche gemacht, um einerseits neue und kleinere Atomwaffen zu testen und andererseits die Zuverlässigkeit der alten zu überprüfen. Um die Sicherheit und Einsatzfähigkeit der alten Atomwaffen aufrechtzuerhalten und um neue Modelle zu testen, haben die großen Nuklearmächte, allen voran die USA, eine Reihe von Labortests und Computersimulationen entwickelt, die, kombiniert mit nichtnuklearen Explosionen, die herkömmlichen Atomwaffentests weitgehend ersetzen können. Deshalb würde die Ratifizierung des vorliegenden Teststopp-Abkommens weder die USA noch die anderen großen Atommächte davon abhalten, neue Waffen zu testen. Es würde lediglich den anderen Ländern den Aufstieg zur Atommacht erschweren.

Aber selbst beim vorliegenden Teststopp-Abkommen haben sich die USA eine Hintertür offengelassen. Jedes Jahr müssen die drei Nuklearwaffen-Laboratorien der USA attestieren, daß die Atomwaffen im US-Arsenal einsatzbereit und sicher sind. Obwohl die US-Regierung jährlich etwa 4,5 Milliarden Dollar ausgibt, um Labortest-Methoden voranzutreiben, bezeugten die Direktoren der Nuklear-Laboratorien letzte Woche vor dem Senat, daß die nicht explosiven Methoden erst in fünf bis zehn Jahren vollkommen verläßlich sein werden. Und für den Fall, daß bis dahin die Labordirektoren nicht in der Lage sein sollten, den wunschgemäßen Zustand der Atomwaffen zu zertifizieren, können die USA gemäß einer Zusatzklausel zum Teststopp-Abkommen jederzeit aus dem Vertrag aussteigen.