CIA verpaßt sich blütenweiße Weste
von Rainer Rupp
erschienen am 30.10.1998 in der Jungen Welt
»Garant des Nahost-Friedens« oder Lehrmeister in Foltertechniken?
Mit dem Abkommen von Wye Plantation wurde die Rolle der CIA als »Vermittler« zwischen Israelis und Palästinensern institutionalisiert. Politisch ist dies nicht ganz ungefährlich für die »Firma«, wird sie damit doch mehr denn je ins Rampenlicht der Öffentlichkeit gerückt. Bereits seit Mitte 1996 bilden CIA-Experten mit Wissen der Israelis mittlere und höhere Führungskräfte des palästinensischen Sicherheitsdienstes in der »Kunst des Handwerks« aus. Bisherige Schwerpunkte: Verdeckte Operationen, Nachrichtenbeschaffung, Anti-Terrorismus und Verhörmethoden.
Das CIA-Programm – so die renommierte New York Times im März dieses Jahres – verfolgt nach offiziellen Angaben zwei Ziele: »Erstens soll die Professionalität der palästinensischen Sicherheitskräfte gefördert werden, damit sie besser in der Lage sind, verdächtige Terroristen zu identifizieren und zu verhaften; eine Aufgabe, die bereits zum größten Teil erfolgreich abgeschlossen ist. Und zweitens geht es darum, das Vertrauen der israelischen Regierung in die Palästinenser zu erhöhen; ein politisches Ziel, das bisher nicht erreicht wurde.« Das war im März dieses Jahres die Lage. Mittlerweile hat die CIA fleißig ihre Vermittlerrolle ausgebaut. Ein hoher US-Regierungsbeamter drückte das kürzlich so aus: »Die Israelis und die Palästinenser mögen sich gegenseitig verabscheuen, aber sie vertrauen der CIA und (ihrem neuen Chef) Mr. Tenet, der seit 1996 zwischen beiden Seiten hin und her pendelt.« So kam die CIA in Wye Plantation zu ihrer neuen Rolle als »Garant des Friedens«. Für die CIA und Mr. Tenet ist diese Entwicklung höchst willkommen. Mit einem politischen Zaubertrick wird die seit langem tiefschwarze Weste der CIA, die von Auftragsmord über Staatsstreiche, Folter bis hin zur Zusammenarbeit mit Verbrechern gegen die Menschlichkeit arg befleckt war, urplötzlich blütenweiß.
Dabei arbeitet die CIA auf israelischer Seite mit Geheimdiensten zusammen, denen ihre Regierung ganz offiziell und ungeachtet des Protestes internationaler Menschenrechtsorganisationen erlaubt, bei Verhören politischer Gefangener »gemäßigte« körperliche Folter anzuwenden. Und bei Arafats Sicherheitsdienst, der seit 1996 von dem US-Geheimdienst professionalisiert wird, gehört die physische Folter nach zahlreichen Hinweisen zur normalen Verhörmethode. Anfang des Jahres berichtete die unabhängige Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch, daß von den 14 Personen, die in den vorangegangenen drei Jahren in der »Obhut« des palästinensischen Geheimdiensts gestorben sind, die meisten zu Tode gefoltert wurden.
Scheinbar hat die »Professionalisierung« der Verhörmethoden durch die CIA nicht viel gebracht. Oder hat man mit der CIA als Lehrmeister nicht einfach den Bock zum Gärtner gemacht? 1985 wurde das Lehrbuch der CIA für Verhörmethoden bekannt, das zwei Jahre früher für die Regierungen von Guatemala, Honduras und El Salvador verfaßt worden war und auch den Regierungen von Panama und Argentinien zur Verfügung gestellt wurde. Die Welt schrieb dazu Anfang 1997: »Dabei zeigte sich, daß man auch körperliche Folter für zulässig hielt, man riet aber dazu, sich die geplanten Methoden wie Elektroschocks, Psychodrogen und Schläge von seinen Vorgesetzten absegnen zu lassen.« Unter dem Druck der US-Kongreß-Anhörung wurden 1985 in einer Neufassung der Anleitung physische und psychische Folter und andere Zwangsmethoden bei Verhören ausgeschlossen. Die Anweisung war neu, aber die CIA-Instrukteure und Experten in den Ländern der Dritten Welt blieben die alten. Die Welt verwies in diesem Zusammenhang auf eine Notiz in USA-Today, wonach noch 1995 das Folterhandbuch in Gebrauch war.