„Das moderate Gesicht von Al-Kaida in Syrien“: US-Magazin Foreign Affairs wäscht Terrorbande rein
von Rainer Rupp
erschienen am 4. November 2017 via RT deutsch und KenFM
Sowohl in Syrien als auch im Irak sind die Tage der Terror-Organisation IS gezählt. CIA und Pentagon träumen trotzdem noch von Regimewechsel in Syrien. Die Medien schwören die US-Öffentlichkeit deshalb auf einen Kuschelkurs mit der dortigen Al-Kaida ein.
Meinungsbeitrag von Rainer Rupp.
Die Anstrengungen Washingtons, die islamistische Terror-Organisation Al-Kaida in Syrien – besser bekannt unter ihrem Aliasnamen Al-Nusra – zu verharmlosen, sind nicht neu. Damit soll die direkte und offene Militärunterstützung der dschihadistischen Kopfabschneider durch die US-Streitkräfte politisch ermöglicht und gegenüber der eigenen Öffentlichkeit der Eindruck erweckt werden, so etwas wäre zu rechtfertigen.
Ein vorläufiger Höhepunkt des medialen Weißwaschprogramms samt Weichspüler für Al-Nusra ist ein Artikel in der international renommierten US-Zeitschrift für Politik, Foreign Affairs, mit dem Titel: „Das moderate Gesicht von Al-Kaida“.
Der Verfasser, Colin P. Clarke, arbeitet als vermeintlicher Terrorismusexperte in der RAND-Denkfabrik, die der US Air Force gehört. Daher ist davon auszugehen, dass Colin nicht naiv handelt, wenn er schreibt, dass es Al-Kaida in Syrien gelungen ist, „sich als moderate Alternative zu extremeren, in Syrien operierenden Gruppen zu positionieren“. Nicht zuletzt hätten dabei ihre wiederholten Namensänderungen seit Juli 2016 geholfen, von ursprünglich Jabhat al-Nusra (Al-Nusra Front) zu Jabhat Fateh al-Sham („Front für die Eroberung der Levante“) bis aktuell Hayat Tahrir al-Sham („Versammlung für die Befreiung der Levante“). Der Begriff Levante umfasst die beiden Länder Syrien und Libanon.
In seinem Artikel für Foreign Affairs benutzt der Verfasser Colin geschickt einen alten psychologischen Trick, um Menschen, die an der Richtigkeit einer Darstellung zweifeln, schnell zu überzeugen. So zeigt sich auch Colin zuerst als scharfer Gegner des Syrienablegers von Al-Kaida, was er in früheren Artikeln zum Thema bewiesen habe. Aber dann – mit einigem Händeringen – lenkt er ein und beginnt ein freundlicheres Bild von den Kopfabschneidern zu zeichnen. Al-Kaida in Syrien habe sich „nicht nur als die weniger extreme Alternative zum IS herausgestellt“, sondern auch „ein Talent für Pragmatismus gezeigt“.
Zwischen dem Kopfabschneiden auch mal einen Wasserhahn reparieren
Dieser Pragmatismus äußere sich z. B. darin, dass es Al-Kaida in Syrien inzwischen gelungen sei, ihr Marken-Image durch die Bereitstellung lokaler Dienstleistungen in den von ihr besetzten Gebieten zu verbessern, von der Versorgung mit Wasser und Strom über das Betreiben lokaler Bäckereien bis hin zur Kontrolle der Marktpreise für Grundnahrungsmittel. Zugleich habe Al-Kaida bzw. Al-Nusra immer wieder ihre Bereitschaft gezeigt, „mit anderen (Terror-)Gruppen zusammenzuarbeiten“. So setzte Al-Nusra z. B. in den von ihr eroberten und regierten Gebieten in der Regel lokal ansässige Terroristen in die zivilen Führungspositionen der Kommunen. Für sich selbst begnüge sich die Gruppe „mit der Kontrolle weniger, aber wichtiger Schlüsselpositionen“ in den lokalen oder regionalen Hierarchien, so der Autor Colin.
Dann aber kommt der RAND-Terrorismus-Experte Colin zu den Punkten, die – auch wenn er das nicht explizit sagt – eine militärische und politische Zusammenarbeit der USA mit Al-Kaida in Syrien so besonders attraktiv erscheinen lassen, vor allem angesichts der Verfolgung des gemeinsamen Ziels, nämlich des Regimewechsels in Damaskus.
Al-Kaida in Syrien hat sich in einer sorgfältig kalkulierten Entscheidung von ihrer Mutterorganisation distanziert. Die Gruppe hat sogar öffentlich erklärt, dass sie den Westen nicht angreifen wird, um nicht ins Visier der amerikanischen Terrorismusbekämpfung zu kommen. Ihre begrenzten Ressourcen will die Gruppe auf den Sturz des Assad-Regimes konzentrieren“, was angeblich „die oberste Priorität der syrischen Sunniten“ sei, heißt es in dem Colin-Artikel.
Gleiche religiöse und weltliche Ziele wie „lokale Rebellengruppen“
Außerdem seien die Al-Kaida-Kämpfer lokal bestens integriert, denn sie beklagten „die gleichen Missstände wie die lokalen Rebellengruppen“ und sie würden sich für „die gleichen religiösen und weltlichen Ziele einsetzen“. Damit sei es Al-Kaida in Syrien gelungen, sich als eine legitime, fähige und unabhängige Kraft im laufenden syrischen Bürgerkrieg darzustellen. Zugleich sei der – hauptsächlich aus ausländischen Dschihadisten bestehenden – Al-Kaida in Syrien daran gelegen, zu beweisen, dass sie „den Syrern bei ihrem Kampf helfen will“. Und dann kommt Autor Colin zum Kern seines Anliegens, wenn er schreibt, dass das Al-Kaida-Bekenntnis, den lokalen Syrern beim Sturz Assads helfen zu wollen, „den Weg für ausländische Militärhilfe für ihre einstweiligen (lokalen) Verbündeten ebnen soll“.
Colin zeichnet Al-Nusra also in einem weicheren, gefälligeren Licht. Zugleich hebt er deren vermeintlichen Pragmatismus hervor, ihre Bereitschaft zu Kooperation und ihre Fähigkeit, politisch zu führen. „Die Vorliebe von Al-Kaida für Zusammenarbeit“ habe sich sogar „über die aktiven Konfliktzonen hinaus ausgedehnt“, so Colin. Außerdem sei jetzt, nach dem Niedergang von ISIS, Al-Nusra die einzige militärisch ernst zu nehmende Gruppe in Syrien. Dann präsentiert Colin die Blaupause, wie über westliche Waffenlieferungen an so genannte gemäßigte Rebellen in Idlib die dort gut integrierte Al-Nusra quasi direkt unterstützt werden kann. Eventuelle Kritiker einer solchen Politik könnten mit dem Verweis auf das neue, „moderate Gesicht von Al-Kaida in Syrien“ abgewiesen werden.
Zu guter letzt argumentiert Colin, dass Al-Kaida/Al-Nusra das Zeug dafür habe, in Syrien in Zukunft eine ähnlich bedeutende politische und militärische Rolle zu spielen wie derzeit Hisbollah im Libanon. Mit anderen Worten: Der RAND-Experte Colin legt den Strategen in Washington nahe, schleunigst ihr politisches und militärisches Gewicht hinter die moderaten Kopfabschneider von Al-Kaida in Syrien zu werfen, wenn Washington den Stellvertreter-Krieg in Syrien am Leben halten will.