Das Pentagon-Image bröckelt

Das Pentagon-Image bröckelt

von Rainer Rupp

erschienen am 15.04.1999 in der Jungen Welt

NATO-Führungsmacht wird Gefangener der eigenen Kriegslogik.

Im Krieg gegen Jugoslawien steht für die USA viel auf dem Spiel. Nicht nur die »Glaubwürdigkeit« der NATO. Vielmehr steht in Washington auch das im Golfkrieg gewonnene Prestige des Pentagon auf der Kippe; zusammen mit der liebgewordenen, aber naiven Vorstellung, aufgrund der Überlegenheit der amerikanischen Waffentechnologie für die eigene Seite relativ verlustarme, »saubere« und siegreiche Luftkriege führen zu können. Durch das Durchhaltevermögen seines Intimfeindes Saddam Hussein ist Amerikas uneingeschränkter Glauben in seine omnipotenten Luftstreitkräfte allerdings bereits angeschlagen. Und wenn nun auch noch die massenhafte »Präzisionsbombardierung« Jugoslawiens nicht die gewünschten Resultate bringt, droht die gängige Luftmachtdoktrin in Washington endgültig in Frage gestellt zu werden. Dadurch sind mächtige wirtschaftliche, politische und militärische Interessen innerhalb des amerikanischen militärisch- industriellen Komplexes bedroht.

Zig Milliarden Dollar Forschungs- und Produktionsaufträge für neue Flugzeuge und Raketen stehen auf dem Spiel, ebenso militärische und politische Karrieren. Wenn in dieser Situation SACEUR, der NATO-Oberbefehlshaber Europa, US-General Clark, mehr Flugzeuge zur Bombardierung Serbiens verlangt, bekommt er die natürlich im Handumdrehen. Innerhalb kürzester Zeit hat sich die Zahl der eingesetzten NATO-Kampfflugzeuge von anfangs etwas mehr als 400 auf derzeit über 600 gesteigert. Und weitere 300 »Friedensflieger« will alleine Washington in den nächsten Tagen der NATO zur Verfügung stellen, um Jugoslawien in die Steinzeit zurückzubomben. Natürlich kann man sich fragen, wofür das noch gut sein soll, wo doch mittlerweile selbst aus den NATO- Hauptstädten zu vernehmen ist, daß die Bomben ihren politischen Zweck, nämlich die Unterwerfung der Serben unter das NATO- Diktat, nicht erreicht haben.

Auch wenn man der irrsinnigen Maxime der NATO-Führung für einen Moment folgt, daß Krieg die Fortführung der Friedenspolitik mit anderen Mitteln ist und der Stabilisierung des Balkan dienen soll, dann haben die Bomben ebenfalls ihr Ziel verfehlt. Seit den NATO-Angriffen sind die wirklich großen Probleme, wie die Massenflucht aus dem Kosovo und die Destabilisierung der gesamten Region, überhaupt erst entstanden Trotzdem bombt die NATO weiter, sogar schlimmer als zuvor. Der Krieg hat seine eigene Eskalationslogik entwickelt und die Politik ist längst Gefangener dieser »Logik« geworden. Die geradezu unheimliche quantitative und militärisch-technische Überlegenheit der NATO- Waffen gepaart mit der selbstgerechten, primitiv-dümmlichen Arroganz der politischen NATO-Führung ist eine hochgefährliche und tödliche Kombination. Sie treibt nicht nur den Balkan an den Rand des Abgrundes, sondern bei Annahme ihres Neuen Strategischen Konzeptes stellt die NATO eine Gefahr für die gesamte Menschheit dar.