Die Menschenrechtskrieger

Die Menschenrechtskrieger

von Rainer Rupp

erschienen am 23.03.1999 in der Jungen Welt

»Von dem Moment an, wo die NATO-Bodentruppen im Kosovo sind, ist die serbische Herrschaft über die Provinz beendet.« Mit diesen Worten unterstrich der Korrespondent des amerikanischen »Christian Science Monitor« am 19. März im BBC-World-Service die Notwendigkeit, nun schnell die diplomatische »Zustimmung« Belgrads zur Besetzung seines Territoriums durch fremde Truppen mit NATO-Luftangriffen herbeizubomben. Mit der Schlagzeile »Milosevic will es nicht anders« hieb die »Washington Post« in die gleiche Kerbe.

Auch die deutschen staatstragenden Medien heizen die Kriegspropaganda gegen die bösen Serben an, die den guten NATO-Frieden ablehnen und sich statt dessen auf einen »Krieg mit der internationalen Völkergemeinschaft« (!) vorbereiten. In der Hitze des vorauseilenden Gehorsams weist die »freie Presse« bereits den Weg in die schöne Zukunft. Nicht mehr die UNO, für die bisher der Begriff reserviert war, sondern die NATO verkörpert nun den Willen der »internationalen Völkergemeinschaft«. In der NATO sind schließlich 19 demokratisch gewählte Regierungen vereint, die sich gar nicht irren können, wenn sie einen gemeinsamen Beschluß fassen, argumentierte ein bekannter Professor neulich in den »Blättern für deutsche und internationale Politik«. Die NATO verkörpert schließlich viel besser die »internationale Völkergemeinschaft« als die UNO, wo doch dort jede Menge unsicherer Kantonisten vertreten sind, die nicht wollen, was wir wollen, und sogar China und Rußland im UNO- Sicherheitsrat sitzen und über die Beschlüsse der freien NATO ein Veto verhängen können. Jedem vernünftigen Menschen ist doch einsichtig, das dies nicht länger hingenommen werden kann und die UNO einer dringenden Reform bedarf. Der Herr Professor hat den Nagel auf den Kopf getroffen und die Politik hat die Empfehlungen schon längst umgesetzt.

Hier kommt allerdings von seiten weltfremder Idealisten auch Kritik an den USA und ihrer NATO auf. Wenn man – so die Kritik – überhaupt von genozidartigen Verfolgungen reden kann, dann nicht im Kosovo, sondern im kurdischen Teil der Türkei, wo etwa 3 000 kurdische Dörfer zerstört und die Bevölkerung vertrieben wurde. Der Krieg dort hat bereits mehrere zehntausend Tote gefordert, Gefangene werden systematisch gefoltert und die Menschenrechte mit Füßen getreten. Diese Angaben sind zwar korrekt, trotzdem ist es ausgesprochen naiv und altmodisch, von der NATO zu verlangen, wegen der Kurdenverfolgung auch gegen die Türkei vorzugehen. Wer so argumentiert, der hat die moderne, von den USA dynamisch geführte Menschenrechtsdebatte überhaupt nicht verstanden. Die fundamentalen Menschenrechte der amerikanischen und westeuropäischen Großunternehmen sind nämlich in der Türkei bestens gesichert. Seit Jahren hat sich kein Konzern, kein Investmentbanker über die Freiheiten in der Türkei beschwert. Deshalb will die NATO auch nicht Ankara, sondern Belgrad bombardieren.

Die bestechende Logik der US- und NATO- Menschenrechtskrieger läßt sich am besten am Beispiel des Irak darlegen. Im andauernden amerikanisch-englischen Luftkrieg gegen die irakische Bevölkerung fallen täglich neue Bomben. Täglich steigt die Zahl der zerfetzten unschuldigen Opfer auf irakischer Seite, sterben mehr Kinder, weil Medikamente oder Lebensmittel fehlen. Die können nicht mehr beschafft werden, weil die USA das UNO-Programm »Irakisches Öl gegen Lebensmittel und Medikamente« zerbombt haben. US-Bomber, die angeblich nur die irakische Luftabwehr bekämpfen, zerstörten eine der beiden Pipelines, die das Öl für Lebensmittel exportierten.