Die USA bleiben einsame Spitze

Die USA bleiben einsame Spitze

von Rainer Rupp

erschienen am 18.08.1998 in der Jungen Welt

Bericht deckt Steigerung amerikanischer Waffenexporte auf

Merchants of Death, Todeshändler, werden jene zwielichtigen Gestalten genannt, die mit illegalen oder halblegalen Waffengeschäften mit Söldnerarmeen, Putschgenerälen und sogenannten »Freiheitskämpfern« ihre Brötchen verdienen. Die skrupellosen Vertreter dieser Geschäftsbranche, in der sich viel Geld verdienen läßt, bekennen sich jedoch in Gesellschaft nicht gerne zu ihrer Tätigkeit, obwohl Geld bekanntlich nicht stinkt und im Kapitalismus jede Tür öffnet. Aber selbst in der modernen neoliberalen Gesellschaft ist der »Beruf« des Waffenhändlers immer noch verpönt.

Ganz anders ist das, wenn der Staat als Waffenhändler auftritt. Der verherrlicht seine Todesmaschinen in Hochglanzbroschüren und präsentiert sie gemeinsam mit ihren Herstellern publikumswirksam auf internationalen Messen. Und jede Umsatzsteigerung wird als großer nationaler Erfolg gefeiert. Nicht müde wird man, die positiven Auswirkungen auf die Zahlungsbilanz und die Beschäftigung zu betonen; voller Stolz auf die eigenen ingenieurwissenschaftlichen Errungenschaften hebt man die technologischen Spitzenleistungen der tödlich genauen Gerätschaften hervor.

Daß die Hersteller an den Exporten, die fette Gewinne sichern, interessiert sind, versteht sich im Kapitalismus von selbst. Aber auch die nationalen Regierungen haben ein ureigenes Interesse daran, das wenig mit Zahlungsbilanz und Beschäftigung zu tun hat. Importiert ein Land wichtige Waffensysteme, so begibt es sich mit seiner Außen- und Sicherheitspolitik mehr oder weniger in die Abhängigkeit des Verkäufers. Mit Waffenexporten versuchen die großen Industrienationen also auch international Einfluß und Macht zu gewinnen. Zugleich wirken sich solche Exporte vorteilhaft für die Beschaffung neuer Waffen der eigenen Streitkräfte aus. Je höher die Stückzahl der hergestellten Mordwerkzeuge, desto niedriger der Stückpreis, und umso mehr davon kann die eigene Armee mit einem gegebenen Budget kaufen. Kein Wunder, daß vor diesem Hintergrund auf dem internationalen Waffenbasar ein gnadenloser Wettbewerb herrscht.

Einen guten Überblick über diesen Basar des Todes liefert der jährliche Bericht des wissenschaftlichen Dienstes des US-Kongresses (Congressional Research Service), kurz CRS. Der CRS ist dem ganzen Kongreß verpflichtet und nicht nur der Regierungspartei. Für die US-Exporte stehen ihm die Berichte des Pentagon und der anderen Ministerien zur Verfügung. Für die Schätzung der Waffenexporte der anderen Länder greift der CRS auf Angaben des Außenministeriums sowie der Nachrichtendienste CIA und DIA zurück.

Im jüngst veröffentlichten CRS-Bericht kann man nun nachlesen, daß die USA in den letzten vier Jahren ihre Waffenexporte von knapp elf Milliarden Dollar 1994 auf 15,2 Milliarden Dollar im letzten Jahr um 25 Prozent gesteigert haben. Damit liegen die USA weit an der Spitze vor allen anderen Exporteuren von Mordwerkzeug. Großbritannien verschiffte letztes Jahr Waffen im Wert von 5,9 Milliarden und Frankreich von 4,9 Milliarden Dollar. Rußland mit seiner riesigen, aber arbeitslosen Rüstungsindustrie rangiert mit 2,4 Milliarden Dollar weit abgeschlagen.

1995 unterschrieb Clinton die Präsidiale Entscheidungsdirektive Nr. 34, die seither die US-Politik bezüglich der Waffenexporte festlegt. Sie betont, daß Waffenverkäufe »ein legitimes Instrument amerikanischer Außenpolitik« sind. »Diese Politik macht deutlich, daß Verkaufssteigerungen und höhere Marktanteile für amerikanische Waffenproduzenten ein Ziel der Washingtoner Außenpolitik ist«, schrieb dazu die »New York Times«.

In der Tat räumt Washington im Rahmen der »Foreign Military Sales Credits« interessierten Käufern ganz besonders günstige langfristige Kreditkonditionen ein. Und obwohl Südost-Asien zur Zeit von der schwersten Wirtschafts- und Finanzkrise seit dem zweiten Weltkrieg heimgesucht wird, forderte US- Verteidigungsminister Cohen bei seinem Besuch der Region vor einigen Monaten seine Gesprächspartner auf, nicht bei den Waffenkäufen in den USA zu sparen, und stellte noch günstigere Kredite in Aussicht.

Weltweit hat sich der in den 80er und Anfang der 90er Jahre boomende Waffenmarkt etwas beruhigt. In Asien wegen der schon erwähnten Wirtschaftskrise, die bereits ein Jahr dauert, und im Nahen Osten wegen der stark gesunkenen Ölpreise, die sogar das reiche Saudi-Arabien in finanzielle Schwierigkeiten gebracht haben. Trotzdem bleibt der Nahe Osten auch weiterhin Hauptabnehmer neuer Waffen, und die USA bleiben sein größter und sicherster Lieferant, wie aus der CRS-Studie hervorgeht.

Obwohl die USA den weltweiten Waffenmarkt klar dominieren, erwächst ihnen in den verschiedenen Regionen verstärkt Konkurrenz. Im Nahen Osten tun sich besonders die Franzosen hervor, die mit ihrer aggressiven Verkaufspolitik – massive Schmiergeldzahlungen mit eingeschlossen – die Amerikaner schon aus manchem lukrativen Geschäft herausgedrängt haben. In Asien, im zweitgrößten regionalen Waffenmarkt, sind die Russen stark im Kommen. Von 1994 bis 1997 haben sie neue Verträge im Wert von 29,6 Milliarden Dollar abgeschlossen. Ihre Hauptkunden sind Indien, China und Vietnam. Aber auch in Malaysia hatten sie erste Erfolge. Insgesamt decken sie gemäß dem CRS-Bericht 40 Prozent des regionalen Markes ab. Der Schwerpunkt der britischen Waffenverkäufe liegt ebenfalls im Nahen Osten, von Verkäufen in NATO-Länder abgesehen.

Die BRD fällt in der CRS-Studie überhaupt nicht mehr ins Gewicht, seitdem die Waffen der ostdeutschen NVA verschenkt oder verscherbelt worden sind. Das soll nicht heißen, daß das Bonner Außenministerium und deutsche Waffenproduzenten nicht liebend gerne die Präsidiale US- Direktive Nr. 34 übernehmen und Waffenexporte auch zu einem Instrument deutscher Außenpolitik machen würden. Zum Glück gibt es hier jedoch noch einige Hindernisse; erstens das Verbot, in Krisenregionen zu liefern (obwohl das bereits immer öfter durchbrochen wird), und zweitens wären da noch die Nachwirkungen der Friedensbewegung auf die Politik, die jedoch immer schwächer werden. Da es nun offizielle Politik der Bundesregierung ist, deutsche Interessen überall auf der Welt »notfalls« auch mit Waffengewalt zu »verteidigen«, wird es auch nicht mehr allzu lange dauern, bis deutsches Mordwerkzeug überall in die Welt geliefert wird; es sei denn, der Widerstand gegen diese Bonner Politik wird auf allen Ebenen wieder viel deutlicher.