Ein Jahr russische De-Militarisierung von Ukraine und US/NATO
von Rainer Rupp
erschienen am 3. März 2023 auf apolut
Vor einem Jahr, am 24. Februar, hat mit Beginn der russischen Sonderoperation der von Washington im Jahr 2014 angezettelt Krieg in der Ukraine eine entscheidende Wende in Richtung einer Katharsis genommen. Diese Läuterung wird mit der nicht mehr abzuwendenden Niederlage der Ukraine, und der damit verbundenen politischen und geo-strategischen Niederlage der NATO ihr Ende finden.
Zum Beginn des Sommers letztes Jahr war die erste Liga des ukrainischen Armee-Personals samt deren Kriegsmaschinen im Rahmen der russischen Sonderoperation bereits weitgehend vernichtet.
Im Sommer 2022 wurde dann in der Ukraine im Rahmen einer großen Mobilisierung mehrere Hundert Tausend Mann einberufen und hastig eine neue ukrainische Armee aufgebaut. Die neue militärische Ausrüstung bestand dabei zum größten Teil aus sowjetischen Waffen (Panzer, Geschütze, Flugabwehrsysteme, Munition) aus den Beständen der osteuropäischen NATO-Mitgliedsländer. So schenkten z.B. Tschechien, Bulgarien, Slowakei und Polen der Ukraine ihre T-72 schweren Kampfpanzer gegen das Versprechen – z.B. Deutschlands – für die verschenkten T-72 sowjetischer Herkunft moderne Leopard 2-Panzer zu bekommen. In Deutschland lief das Ganze unter dem irreführenden Begriff RingTausch ab. Zugleich lieferte der Westen der Ukraine alles, was er an Artilleriemunition und tragbaren Flug- und Panzerabwehrraketen irgendwie entbehren konnte, in der vollen Gewissheit, dass die Ukraine gewinnen und Russlands Regierung bald zusammenbrechen wird.
Aber auch diese zweite Auflage der ukrainischen Armee wurde im Rahmen ihrer im Westen hoch gepriesenen, aber de facto an Menschen und Material sehr verlustreichen Offensive bereits im Herbst 2022 zu einem guten Teil vernichtet. Der Rest wurde in den Stellungskriegen entlang der Donbass Festungslinie verheizt. Allerdings hatte bis Anfang dieses Jahres die ukrainische Front im Donbass dem wachsenden Druck der Russen standgehalten, wenn auch mit zunehmend inakzeptablen Verlusten.
Für die anfangs sehr erfolgreiche Verteidigung der Donbass-Front durch die Ukraine gibt es drei Hauptgründe:
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die Donbass-Front war seit 2014 mit NATO-Finanzhilfe und militär-technischer Expertise über 8 Jahre zu einer riesigen Festungsanlage ausgebaut worden, eine Art Maginot-Linie, mit unter- und überirdischen Bunkern, verdeckten Artilleriestellungen, vorbereitete Gefechtsstellungen, Gräben und Verbindungstunnels, sowie mit gigantischen unterirdischen Vorratslagern an Munition, Lebensmitteln und Medikamenten. Diese, sich über mehrere Hundert Kilometer hinziehende Festungsanlage, die etliche Kilometer breit ist, befindet sich mitten in dem dicht bevölkerten, hügeligen Donbass-Industriegebiet mit Bergwerken und Mienen und Eisen- und Stahlverarbeitenden Konzerngiganten, die vor dem Krieg jeweils Tausende Arbeiter beschäftigt hatten.
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der zweite Grund, warum die ukrainische Maginot-Linie erst in den letzten Monaten Schritt für Schritt geknackt wird, hat damit zu tun, dass die Russen dort wegen der hohen Dichte der Zivilbevölkerung lange Zeit mit einem Arm hinter den Rücken gebunden gekämpft haben, wie das der ehemalige US-amerikanische Nachrichtendienst-Offizier und Militär-Historiker Scott Ritter im Sommer vergangenen Jahres beschrieben hatte. Denn Opfer unter der russisch-sprechenden und mit Russland sympathisierende Zivilbevölkerung entlang der ukrainischen Donbass-Festungsline sollten auf Weisung des Kremls nach Möglichkeit vermieden werden, selbst wenn das im operativen Geschehen die Verluste an russischen Soldaten erhöhte.
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Der dritte Grund war, dass in den Anfangsmonaten der Sonderoperation die im Donbass vorhandene russische Artillerie nicht gereicht hätte, um die weitverzweigten Festungsanlagen für Infanterieangriffe sturmreif zu schießen. Aber nur so hätten politisch inakzeptable eigene Verluste an Soldaten vermieden werden können. Und um die unterirdischen Bunker der Festungslinie zu vernichten, hätte die russische Luftwaffe in die Tiefe wirkende, schwere große Gravitationsbomben einsetzen müssen. Da gab es jedoch für die Russen das Problem, dass die formidable ukrainische Luftabwehr längst nicht neutralisiert war. Diese bestand aus den berühmten sowjetischen Flugabwehrwaffen, die gemäß der komplexen, seit je her von der NATO gefürchteten, sowjetischen Luftverteidigungsdoktrin eingesetzt wurden. Erst Ende Februar 2023, also erst vor ein paar Wochen gibt es zunehmend Berichte vom vermehrten Einsatz von russischen Bombern über dem Donbass-Schlachtfeld.
Die russische Führung hatte sich lange Zeit auch deshalb gegen einen Großangriff auf die Donbass-Festungen und auf die umliegenden Gebiete ausgesprochen, weil die Ukraine nicht daran dachte, die mehrheitlich pro-russische Zivilbevölkerung aus der bedrohten Region zu evakuieren. Mit anderen Worten, die ukrainische Armee benutzte die lokale Zivilbevölkerung, wie zuvor in Mariupol, als Schutzschild.
In Eigeninitiative ist inzwischen jedoch der Großteil der Bevölkerung aus der Gefahrenzone geflüchtet. So zählte z.B. die derzeit hart umkämpfte Stadt Bachmut vor einem Jahr noch etwa 60.000 Einwohner. Von denen sind aktuell nur noch einige Tausend aus Mangel an anderen Möglichkeiten in der Stadt.
Auch ohne Luftwaffe hat die russische Artillerie in den letzten drei Monaten einige der ukrainischen Donbass-Festungen Schritt für Schritt für die Infanterie weitgehend sturmreif geschossen. Für den außenstehenden Beobachter geschah das manchmal mit lähmender, aber offensichtlich methodischer Langsamkeit. Die Verluste auf ukrainischer Seite wuchsen exponentiell. Um die Löcher zu stopfen führte die Militärführung in Kiew seit Monaten immer neue ukrainische Verbände heran, nur damit sie im Anschluss fast ausnahmslos von russischer Artillerie vernichtet wurden.
Tägliche Verluste von mehreren Hundert toten ukrainischen Soldaten allein im Donbass sind auf Grund des pausenlosen Feuers der russischen Artillerie inzwischen die Regel. Westliche Reporter, z.B. von der New York Times, die ukrainische Militärlazarette besucht haben, berichten, dass die Toten und Verwundeten fast ausnahmslos Verletzungen vorweisen, die durch Artilleriefeuer verursacht wurden. Dagegen seien Schussverletzungen eher selten gewesen. Das bedeutet, dass die meisten Ukrainer gestorben sind, ohne dass sie überhaupt den Feind zu Gesicht bekommen hatten, bzw. keine Gelegenheit hatten, auf ihn zu schießen.
Im Umkehrschluss, bedeutet das, dass die russischen Verluste sehr viel niedriger sein müssen, auch weil bei Infanteriekämpfen, bzw. bei den Häuser- und Straßenkämpfen im urbanem Umfeld des Donbass auf russischer Seite professionelle Soldaten und militärisch bereits gut ausgebildete Reservisten zunehmend einem Art ukrainischem Volkssturm gegenüberstehen. Denn die gut ausgebildeten Soldaten der ersten und der zweiten Liga der ukrainischen Armee sind bereits zum größten Teil durch die Fleischwölfe von Cherson, Soledar und aktuell Bachmut gedreht, bzw. verheizt worden.
In den letzten Wochen kursieren zunehmend Videos, wie Greif-Trupps in ukrainischen Dörfern und Städten von der Straße weg Teenager und ältere Männer aufgreifen, unter Gewaltanwendung in Autos zerren oder hineinprügeln, um sie dann in den ziemlich sicheren Tod zu verschleppen. Nach ein bis zwei Wochen einer Farce von militärischer Ausbildung werden sie militärisch völlig sinnlos in den Fleischwolf von Bachmut geworfen, wo diese Anfänger so gut wie keine Überlebenschancen haben.
Selbst hohe Pentagon-Offiziere haben dem ukrainischen Größten Feldherr aller Zeiten, dem Gröfaz Selenskij nahegelegt, möglichst schnell die in und um Bachmut eingesetzten – auf 20 bis 35 Tausend Mann geschätzten – ukrainischen Truppen abzuziehen, um sie für eine spätere Gegenoffensive zu retten. Die Zeit drängt, denn der russische Ring um die Stadt wird immer enger und schon in den nächsten Tagen könnte der Kessel sich schließen. Aber ähnlich wie Gröfaz Hitler damals bei Stalingrad besteht heute der Führer in Kiew darauf, dass Bachmut bis zum letzten Mann verteidigt werden muss.
Schon in den nächsten Wochen könnten die strategisch wichtigen Teilstücke der Donbass-Front zusammenbrechen. Der Rest wird sich dann entweder ergeben oder er wird – von allem Nachschub abgeschnitten – von hinten aufgerollt und vernichtet. Denn Russland ist nicht nur an ausgebildeten Soldaten, sondern auch an Kriegsmaterial der Ukraine haushoch überlegen. Die Ukraine hat z.B. die von der NATO gelieferte Munition und Raketen schneller verballert und die NATO-Waffen schneller verloren, als die gesamte Rüstungsindustrie der US/NATO in mehreren Jahren produzieren kann.
Mit anderen Worten, Russland hat nicht nur die Ukraine weitgehend demilitarisiert, sondern auch die NATO-Länder, die ihre Lager für die Ukraine geleert haben.
Aktuell wird laut neutraler Beobachter die russische Überlegenheit gegenüber der Ukraine bei Artillerie auf 10:1 geschätzt. Während der russische Munitionsnachschub unbegrenzt scheint und der durchschnittliche Tagesverbrauch von 155 mm Granaten bei 20.000 liegt, sind die Reserven der Ukrainer am Versiegen. Verzweifelt sucht das Pentagon derweil rund um die Welt nach Möglichkeiten 155 mm Granaten zu kaufen. In Pakistan wurden die Amerikaner fündig und kauften 40.000 Stück. Das würde den Russen gerade mal für zwei Tage reichen. Statt mehr Munition bekommen die ukrainischen Artilleristen jetzt gute Ratschläge aus dem Pentagon, nämlich weniger zu schießen und dafür genauer zu treffen.
Der Krieg gegen Russland unter Benutzung der Ukraine als Rammbock ist für die US/NATO bereits verloren. Aber ideologisch verbiesterte Russenhasser in Politik und Medien haben das offensichtlich immer noch nicht begriffen. Und deshalb wird in der Ukraine das Sterben weiter gehen und jeden Tag werden weitere Hunderte von ukrainischen Soldaten einer kriminellen Illusion geopfert werden.
Es ist etwas mehr als ein Jahr her, als auf der 58. Münchner Un-“Sicherheitskonferenz” die Vorfreude der transatlantischen Kriegstreiber auf den von ihnen selbst provozierten Krieg in der Ukraine ihren vorläufigen Höhepunkt gefunden hatte. Wenn man sich die Videos von damals anschaut und die Reden und Kommentare mit denen vor wenigen Wochen vergleicht, dann erkennt man die euphorische Stimmung der damaligen Teilnehmer. Endlich war die Zeit gekommen, um Putin heimzuzahlen, dass er ihnen den Zugriff auf die russischen Ressourcen wieder entzogen hatte, nachdem sie während der Jelzin-Jahre des Wilden Ostens bereits geglaubt hatten, Russland und dessen Führungsschicht fest in der Tasche zu haben.
Der schrille und teils hysterische Lärm der westlichen Regierungen vor einem Jahr um den angeblichen Schutz von Demokratie und Souveränität in der Ukraine könnte nicht weiter von der Wahrheit entfernt sein. Denn der Ukraine-Krieg ist eine Schöpfung der auf neoliberalen US-Werten basierenden Weltordnung der amerikanischen Imperialisten. Es ist zugleich ein Produkt der imperialen Überdehnung der USA, wobei den westlichen Eliten mit jedem Tag klarer wird, dass die Ukraine – selbst mit aller Hilfe der USA und NATO – nicht nur nicht gewinnen kann, sondern verlieren wird, bzw., angesichts der jüngsten Fakten, bereits verloren hat.
Diese Erkenntnis hat bei der jüngst zu Ende gegangenen Münchener Un-“Sicherheitskonferenz” offensichtlich zu der bedrückten Stimmung etlicher Teilnehmer beigetragen, die in krassem Gegensatz zu der Aufbruchstimmung ins Ukraine-Kriegsabenteuer vor einem Jahr stand.
Derweil weigert sich die nationale Sicherheitskabale um den US-Präsidenten Biden weiterhin, auch nur einen einzigen Fehler zuzugeben, zurückzurudern oder ernsthafte Verhandlungen mit dem Kreml einzuleiten – falls sie überhaupt noch einen Russen finden, der bereit ist, ihnen auch nur noch ein Wort zu glauben, nach dem schändlichen Betrug von Minsk II von Kanzlerin Merkel und Président Hollande, Poroschenko und Selenskij. Aber die im Weißen Haus und im US-Außenministerium dominierenden neoliberalen Falken denken ohnehin nicht ernsthaft an Verhandlungen. Sie haben sich derart in ihrem ideologischen Irrgarten verrannt, dass sie den Eindruck vermitteln, lieber einen begrenzten Nuklearkrieg in Europa zu riskieren, als ihre Fehler einzugestehen und sich aus ihrem Ukraine-Abenteuer zurückzuziehen.
Wie zuvor in Afghanistan werden die Kriegstreiber in Washington und hierzulande erst durch die Fakten vor Ort gezwungen werden, entweder umzusteuern und die Ukraine fallen zu lassen oder den Einsatz zu verdoppeln und womöglich mit polnischen und eigenen Soldaten die russische Armee in der Ukraine direkt zu konfrontieren.
Der dreitägige Besuch des US-Präsidenten Biden in Polen vom 20. bis zum 22. März, bei dem es laut der britischen Nachrichtenagentur Reuters um mehr Truppen geht, könnte darauf hinweisen, dass die Washingtoner Kriegskabale an eine weitere, diesmal extrem gefährliche Eskalation denkt.
Denn aus einer direkten Konfrontation von US-NATO-Truppen mit Russland in der Ukraine, selbst wenn so etwas von Washington womöglich nur als Bluff ins Feld geführt würde, könnte sehr schnell blutiger Ernst zwischen den beiden Atommächten werden. Während dieser wahnwitzigen Kabale um Biden sowas durchaus zuzutrauen wäre, scheint es für eine derart gefährliche Eskalation unter den professionellen Militärs an der Spitze des Pentagon, aber auch im US-Kongress keine Mehrheit zu geben.
Selbst in zutiefst antirussischen Zirkeln in Washington, D.C. werden jetzt Zweifel immer lauter, ob die Kabale um den senilen Joe Biden mit ihrem Ukraine-Abenteurer nicht zu weit gegangen ist, zumal sich alle Versprechen und Vorhersagen der Kabale über den Krieg und die angeblich aussichtslose Zukunft Russlands als total falsch erwiesen haben.
So war sich die Kabale bisher absolut sicher, dass infolge der Sanktionen die russische Währung und damit die Wirtschaft Russlands zusammenbrechen würden. Zugleich würde der Kreml aufgrund westlichen Drucks auf die Länder der sogenannten “Dritten Welt” international völlig isoliert werden, die russische Rüstungsindustrie würde wegen des Fehlens von im Ausland hergestellten technologischen Teilen lahmgelegt werden und so weiter und so fort. Von all dem ist das Gegenteil eingetreten.
Die russische Währung ist stärker als vor den Sanktionen, laut dem Internationalen Währungsfonds wächst die russische Wirtschaft dieses Jahr wieder um mehr als 2 Prozent. Statt des im Westen erhofften dramatischen Einbruchs des Bruttoinlandsproduktes (BIP) um bis zu 20 Prozent im vergangenen Jahr ist das russische BIP 2022 tatsächlich nur um etwas weniger als 3 Prozent gesunken.
Im Gegensatz zum dahinsiechenden Westen wächst die russische Wirtschaft inzwischen jedoch wieder. Und Russland ist keineswegs in der Welt isoliert, stattdessen weigern sich immer mehr Länder des Globalen Südens, über das von Washington hingehaltene Stöckchen zu springen und die westlichen anti-Russland-Sanktionen zu unterstützen. Derweil gehen die hoffnungslos überschuldeten westlichen Volkswirtschaften – teils wegen ihrer eigenen Sanktionen, aber auch aufgrund vieler anderer schwerer wirtschaftlicher und politischer Fehler sehr schwierigen Zeiten entgegen.
Zu allem Überfluss waren die russischen Rüstungsbranchen in der Lage, kurzfristig die Produktion der gesamten erforderlichen Palette an Waffen aller Art samt dazugehöriger Munition um ein Vielfaches zu steigern, während in den westlichen Munitionslagern zunehmend gähnende Leere herrscht. Frühestens Anfang 2024 kann die Ukraine hoffen, vom Westen mit einigen der von ihr geforderten Waffen und der passenden Munition versorgt zu werden. Die bräuchte sie allerdings jetzt, um gegen Russland noch etwas länger Widerstand leisten zu können.
Das alles sind keine prorussischen Verschwörungstheorien, sondern diese Erkenntnisse stehen in den Studien von Top-Thinktanks des Westens, so in dem jüngsten Bericht der bedeutendsten Denkfabrik des US-Militärs, der RAND Corporation, oder beim US-Center for Strategic and International Studies, CSIS, oder beim Royal United Services Institute, also der ältesten und renommiertesten Denkfabrik des britischen Militärs, um nur einige zu nennen.