Europäische Union – Krisenzone ohne Ende
von Rainer Rupp
erschienen am 1.März 2019 via KenFM
Wie zu erwarten hat auch das jüngste Treffen der EU-Finanzminister nicht einmal ansatzweise einen Ausweg aus der sich vertiefenden strukturellen Krise der Eurozone gefunden. Zugleich verfestigt sich der politische Streit unter den Mitgliedsländern, wie z.B. zwischen Italien und Frankreich oder Polen und Ungarn mit der EU in Brüssel, und so fort.
Selbst die viel gerühmte deutsch-französische Achse hat jüngst für alle sichtbar eine Unwucht gezeigt, als die Franzosen in der EU überraschend gegen Nord-Stream 2 gestimmt haben, das den Deutschen besonders am Herzen liegt. Es war offensichtlich eine Retourkusche für den Berliner Widerstand gegen die von Präsident Macron heiß begehrte Bankenunion, bei der unter Umständen gesunde deutsche Sparkassen für marode Geldhäuser in anderen EU-Ländern gerade stehen müssten.
Die bereits durch den drohenden BREXIT eingeschränkte Handlungsfähigkeit der EU und ihrer Mitgliedsländer wird zusätzlich durch die Herausbildung unterschiedlicher Ländergruppierungen wie der Hanseatic League oder der Visegrad-Gruppe verfestigt, die sich mit ihren konträren politischen Positionen nicht nur gegenseitig sondern auch Brüssel ausbremsen. Das war auch das Thema eines Artikels, der unter dem Titel: „Reform ohne Kompaß“ (1) diese Woche bei der, auf die EU spezialisierte Webseite www.lostineu.eu erschienen ist. Die verfahrene Situation der Union wurde mit folgen Fragen umrissen:
„Wie geht es weiter mit dem Euro? Der EU-Finanzminister ist kein Thema mehr, das Eurobudget wurde nach deutschen Vorstellungen gestutzt, das Europaparlament sitzt immer noch am Katzentisch. Und ein neuer Plan für eine “vollständige Währungsunion” zeichnet sich auch nicht ab“. „Bemerkenswert“ sei auch, wie sich die Hanseatic League neben der Visegrad-Gruppe im Osten jetzt „zu einem machtpolitischen Subzentrum der neoliberalen Hardliner mausert“. Die neue „Hanseatische Liga“ wurde von den Niederlanden gegründet und vereint neo-liberale nordische Länder mit rechtskonservativen Staaten wie Österreich.
Seit Beginn der Schuldenkrise in Griechenland ab 2009, also seit fast zehn Jahren, hätten Politiker und Ökonomen immer wieder an den Regeln und Institutionen der Eurozone herumgedoktert. Man habe neue, Hunderte Milliarden schwere Rettungsschirme eingezogen und die „Economic Governance“ überarbeitet. All das habe viel Zeit und Energie gekostet. Dennoch gelte die Währungsunion immer noch als unvollendet.
Tatsächlich sind vor allem für die Deutschen und Niederländer die Regeln zu lasch. Sie fordern mehr Härte gegen „Defizitsünder“ und mehr Schutz vor einer „Transferunion“, denn sie wollen mit allen Mitteln einen Zahlungsausgleich von den starken Überschussländern (wie Deutschland und die Niederlande) an die schwachen Defizitländer im Süden verhindern.
Aus Sicht der Franzosen fehlen dagegen wichtige Instrumente, um den Euro zu stabilisieren und zu stärken. Zu diesen Elementen zählen u.a. ein eigenes Euro-Budget, ein eigener Euro-Finanzminister und ein eigenes Parlament. Das hat Macron in seiner berühmten Sorbonne-Rede zur „Neugründung“ der EU im September 2017 gefordert. Tatsächlich gingen Macrons Vorschläge in die Reform-Agenda ein, die EU-Ratspräsident Donald Tusk im Herbst 2017 vorgelegt hatte. Bis Ende 2018, so Tusk damals, sollte die Dauer-Baustelle der Währungsunion endlich abgeschlossen sein.
Tatsächlich haben die 19 Finanzminister der Eurozone mit Ach und Krach ihre Arbeit beendet, aber mit einem Ergebnis, das weit hinter den Erwartungen zurück bleibt. Es wird weder einen Euro-Finanzminister geben, wie von Macron gefordert, noch einen Europäischen Währungsfonds, wie ihn die Große Koalition in Berlin versprochen hatte.
Auch die Bankenunion, an der die EU bereits seit 2012 arbeitet, bleibt weiter unvollendet. So wurde der Streit über eine gemeinsame Einlagensicherung erneut vertagt. Diesmal gibt es nicht einmal mehr einen Zeitplan.
Kontroverse Ideen wie die Arbeitslosen-Rückversicherung, die Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) ins Gespräch gebracht hatte, oder eine Insolvenzordnung für Staaten, die liberale Ökonomen als Konsequenz aus der Griechenland-Krise gefordert haben, hatten von vornherein keine Chance, so die kritische Zwischenbilanz von „lostineu.eu über die größte Baustelle der Europäischen Union. Allerdings verdient diese neoliberale Staatengemeinschaft in Brüssel schon lange nicht mehr die Bezeichnung Union, spätesten seit ihrer brutalen und unwürdigen Behandlung der Menschen in Griechenland.
Das Hauptproblem der EU liege jedoch woanders, heißt es in dem oben genannten Artikel. In der jahrelangen Debatte sei der Grundkonsens über den Euro brüchig geworden. Schon Deutschland und Frankreich hätten große Mühe, sich überhaupt auf eine gemeinsame Linie zu einigen.
Erschwerend komme hinzu, dass sich mit der „Hanseatischen Liga“ ein neuer Player etabliert habe, der den Kurs der Währungsunion noch unberechenbarer mache und Reformen weiter erschwere. In der Eurozone stünden nun nicht mehr nur Nord gegen Süd, Gläubiger gegen Schuldner, Überschuss- gegen Defizitländer. Deutschland versuche zwar, zwischen allen Gruppen zu vermitteln – doch ob das gelingt, bleibt abzuwarten.
Tatsächlich wirkt die Währungsunion nach 10 Jahren Krise erschöpft und verunsichert. Ihr fehlt ein Kompass für die Zukunft. Der Konsens, auf dem sie gegründet wurde, ist verloren gegangen. Eine europäische Fiskalunion in Verbindung mit einer Politischen Union sollte den EURO als eine stabile, gemeinsame Währung etablieren. Dieses Ziel ist in weite Ferne gerückt.
Derweil lustwandelt Jean-Claude Juncker, Chef der EU-Kommission mit seinen Tagträumen weiter im EURO-Wolkenkuckucksheim. Dabei hat er zwei neue Visionen abgesteckt: Alle 27 EU-Länder sollen dem Euro beitreten – und der Euro soll an den Weltmärkten dem Dollar das Wasser reichen können.
Tatsächlich aber läuft die Politik der EU-Kommission in die entgengesetzte Richtung: So soll ausgerechnet Bulgarien, eines der ärmsten und korruptesten EU-Länder, das nächste Mitglied der Eurozone werden. Und um dem Dollar „auf Augenhöhe“ zu begegnen, müsste Europa mehr Energiegeschäfte in Euro abwickeln. Doch gleichzeitig will die EU-Kommission einen der wichtigsten Lieferanten Kunden – Russland – zurückdrängen. Auch mit seiner Zusage an US-Präsident Donald Trump, mehr Flüssiggas aus Amerika abzunehmen, konterkariert Juncker sein eigenes Ziel.
Quellen: