Fischer vor dem Rücktritt?
von Rainer Rupp
erschienen am 07.05.1999 in der Jungen Welt
Außenminister stramm auf NATO-Kurs. US-Politiker kritisiert Krieg
Sollten die Grünen auf dem bevorstehenden Sonderparteitag am 13. Mai in Bielefeld eine Abkehr von der Aggressions- und Bombenpolitik der Bundesregierung und der NATO gegenüber Jugoslawien beschließen, dann zieht Außenminister Joseph Fischer seinen Rücktritt oder einen Parteiaustritt in Betracht. Dies berichtete der Korrespondent der Würzburger Tagespost am 4. Mai aus Bonn. »Im Blick auf den Kosovo-Konflikt meinte der Außenminister: >Deutschland steckt mitten in der Verantwortung. Da darf es keine andere Politik geben.< Wenn die Grünen für einen anderen Kurs stimmen würden, >dann wäre das eine Politik, die ich nicht vertreten könnte<«, berichtete die Tagespost.
»Ich bin der festen Überzeugung, daß das, was wir tun, richtig ist«, betonte Fischer. Vor dem Hintergrund des verbrecherischen Aggressionskrieges gegen Jugoslawien, der gigantischen Zerstörungen und der vielen Toten erinnert das in fataler Weise an den Spruch, daß das Gegenteil von gut meist nicht böse, sondern »Gut gemeint« ist. – Gut gemeint, aber dumm und gefährlich, mit tödlichen Folgen! Genauso dumm wie Fischers Versäumnis, nicht einmal die politischen Schlüsselpositionen im Auswärtigen Amt mit Personen zu besetzen, die die als neu propagierte friedenspolitsiche Außenpolitik der rosa-grünen Koalition hätten umsetzen können. Statt dessen wurde Fischer im Rahmen der von ihm selbst erklärten außenpolitischen Kontinuität von der gut eingefahrenen Ministerialbürokratie des Bonnner Auswärtigen Amtes von Anfang an eingeseift, was er sich sogar wohlwollend gefallen ließ. Zugleich war Fischer derart von sich und seiner neuen Wichtigkeit und Bedeutung auf der politischen Weltbühne beeindruckt, daß er vor lauter Abgehobenheit nicht nur den Bezug zur grünen Basis verloren hat. Auch für die NATO- Expansionspolitik wurde er ein derart williger Helfer und Vollstrecker, daß sein vorauseilender Gehorsam gegenüber dem Kriegsbündnis, insbesondere aber gegenüber den USA, sogar dem hemdsärmeligen ehemaligen Verteidigungsminister der alten CDU/CSU-FDP-Regierung suspekt wurde. Der CDU- Vizevorsitzende Volker Rühe warf denn auch der Bundesregierung eine »Überanpassung« im NATO-Bündnis vor.
Ganz Gefangener seiner eigenen Rhetorik, erklärte der grüne Obertarnkappenbomber Fischer in Bonn gegenüber der Tagespost: »Wir reden hier über Krieg und Frieden« und fügte mit einem Hinweis auf die NATO-Operation hinzu: »Wenn ich davon nicht überzeugt wäre, säße ich nicht hier.« Zur wachsenden Kritik am Bonner Kurs und an der Jugoslawien-Kampagne erkärte er in Anbetracht der langen Kosovo-Verhandlungen (etwa 14 Monate): »Ich bin der festen Überzeugung: Wir haben alles getan, um einen Frieden zu sichern«. Hier sei nur daran erinnert, daß die Europäische Union zwar vor Beginn der Bombardierung beschlossen hatte, als Sanktion gegen die Regierung in Belgrad ein Landeverbot für die zivile jugoslawische Luftverkehrslinie zu verhängen. Aus »Kostengründen« und Ängsten vor finanziellen Verlusten widersetzten sich allerdings etliche Mitgliedsländer der EU, vornweg Tony Blairs Großbritannien, der Durchführung des Landeverbots in ihrem Staat. Als wenige Tage später im Rahmen der NATO die Frage zur Debatte stand, ob man Jugoslawien bombardieren wollte, waren dieselben Regierungen dafür, die sich kurz zuvor noch vor den Kosten eines Landeverbots scheuten.
»Wenn schon der Krieg von Anfang an eine Dummheit war, dann liegt es doch nahe, wenn wir jetzt versuchen, weiteren Schaden und Verluste zu verhindern. Die idiotischen Abenteurer, die den Krieg betreiben, sollen ihren Abschied nehmen und ihre Memoiren schreiben, statt 100 000 US-Soldaten in die Schluchten des Balkans zu schicken, nur um ihr Gesicht und die Karrieren unserer wildgewordenen strategischen Versager zu retten.« Der konservative Patrick Buchanan, einer der republikanischen Präsidentschaftskandidaten, schrieb dies kürzlich in der Washington Post (14. 4. 99). Eine erfrischend direkte und zutreffende Analyse und Empfehlung, die sich das Bonner Trio Infernale (Schröder, Scharping, Fischer) hinter den Spiegel stecken kann.
Pat Buchanan fährt in seinem Artikel fort: »Weil Herr Milosevic sich immer noch nicht der NATO beugt, werden wir ermahnt, daß >Versagen keine Option ist<, daß >die USA alles Notwendige tun muß, um zu gewinnen<, sonst würde die Glaubwürdigkeit der NATO zerstört. Das ist Schwachsinn«. Buchanan weiter: »Nach dem Desaster in Gallipoli trat Winston Churchill zurück, nach dem Suez-Konflikt Anthony Eden, nach der Schweinebucht Allen Dulles. Ein Rücktritt ist sicherlich ehrlicher und ehrenwerter als ein Bodenkrieg in Kosovo.«