Frankreich und USA in der Niger-Falle
von Rainer Rupp
erschienen am 11. August 2023 auf apolut
Das Ultimatum das die Westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft (ECOWAS) nach dem Militärputsch in Niger den neuen Machthabern dort gestellt hatte, nämlich den gestürzten Präsidenten wieder in sein Amt einzusetzen oder durch eine militärische Invasion von ECOWAS-Staaten selbst davon gejagt zu werden, war letzten Sonntag sang und klanglos verstrichen.
Zur Erinnerung: Präsident Tinubu hatte nach dem Putsch in Niger den neuen militärischen Machthabern mit einer militärischen Intervention gedroht, falls sie nicht spätestens bis zum Sonntag, den 6. August, Nigers gestürzten Präsidenten Mohammed Bazoum wieder in sein Amt einsetzten.
Die meisten westlichen Medien erwähnten das Ultimatum gar nicht mehr, obwohl nach dem erfolgreichen Putsch in Niger gegen den westlichen Marionetten-Präsidenten vor allem Frankreich und auch die USA mit einer Invasion gedroht hatten. Beide Länder haben je eine große Militärbasis in Niger und verfolgen dort bedeutende wirtschaftliche und geopolitische Interessen.
Allerdings wäre eine franko-amerikanische Invasion in Niger nur als Huckepack-Operation auf dem Rücken williger ECOWAS-Staaten möglich. Ein kurzer Blick auf die Landkarte hätte jedoch genügt, um selbst dem dümmsten imperialistischen Jubel-Presstituierten klarzumachen, dass eine solche Invasion des Niger nur unter größten politischen und militärischen Opfern möglich wäre.
Niger liegt nämlich fernab ab vom Meer im Zentrum Afrikas. Es ist umgeben von Staaten, die entweder militant anti-imperialistisch sind, wie Mali und Burkina Faso und von dem mächtigen Nigeria, das eine lange anti-imperialistische Tradition hat, die auch in der Bevölkerung fest verwurzelt ist.
Allerdings hatte der Präsident Nigerias den Neuen Machthabern in Niger mit einer Invasion gedroht, aber aus ganz anderen Motiven als Paris und Washington. Es wäre ihm nie in den Sinn gekommen, Frankreich und den USA sein Land als Sprungbrett anzubieten, um auf Niger zu schlagen; und wenn doch, hätte das sein eigenes politisches Ende bedeutet.
Die politischen und militärischen Eliten Nigerias sind sicherlich nicht weniger korrupt als anderswo, aber sie brauchen dafür keine Zuwendungen aus dem Ausland. Denn Nigeria ist ein wichtiger Öl-Exporteur auf dem Weltmarkt und somit ein reiches Land. So hatte Nigeria die Möglichkeit, seit langem mit finanziellen Geschenken an seine Nachbarn sich erfolgreich deren Unterstützung in den Gremien der ECOWAS-Organisation zu sichern. Auch das bettelarme Land Niger war bedeutender Empfänger regelmäßiger Hilfe aus Nigeria.
Allein aus den paar vorangegangenen Zeilen können wir herauslesen, dass die 15-ECOWAS-Staaten keinesfalls aus einem soliden Block bestehen. Und doch tun Medien und Politiker des Kollektiven Westens so, als ob ECOWAS sich als Block gemeinsam mit dem Westen gegen Niger ausgesprochen hat. Ähnlich wie die Berichterstattung über die Ukraine entbehren auch diese angeblichen Nachrichten über Niger der Realität. Vielmehr widerspiegeln sie westliches Wunschdenken über Westafrika.
Natürlich gibt es in ECOWAS eine Reihe von einst künstlich geschaffenen, kleinen Staaten, die auf sich allein gestellt kaum überleben könnten. Deren Eliten hängen an der „Herz-Lungen-Maschine“ westlicher Zuwendungen. Sie bedanken sich für die Zuwendungen, indem sie nicht nur in ECOWAS, sondern auch in der UNO und anderen internationalen Gremien abstimmen, wie der „Master“ es wünscht.
Dagegen verfolgen die riesigen westafrikanischen Flächenstaaten Mali und Burkina Faso, die direkt an Niger grenzen, eine dezidiert anti-imperialistische Politik im Sinne von Thomas Sankara. Und jetzt sieht es so aus, als könnte Niger das dritte Land in diesem Bund werden.
Sankara war Afrikas „Che Guevara“. Er ist zum Symbol der afrikanischen Revolution gegen den Neo-Kolonialismus des Westens geworden. Wie „Che“ wurde auch er ermordet. In den Vierteln der Armen und Ausgebeuteten in Afrika lebte sein Vermächtnis jedoch fort und drängt in jüngster Zeit wieder mit Macht an die Oberfläche. Diese Entwicklung wurde begünstigt durch die immer deutlicheren Erschütterungen der Fundamente, auf denen das westliche System der „regelbasierten Ordnung“ ruht.
Die Formel der „regelbasierten Ordnung“, die von westlichen Politikern und ihren medialen Schmierfinken wie eine Monstranz in einem quasi religiösen Akt immer wieder dem Volk vorgetragen wird, steht im Klartext für eine lange Reihe von brutalen Raubüberfällen, Zinsgeld-Verknechtung und Schutzgelderpressungen wehrloser Länder rund um die Welt, ergänzt durch Bestechung deren Regierungen
Thomas Sankara war vom 4. August 1983 bis zu seiner Ermordung am 15. Oktober 1987 der fünfte Präsident von Obervolta und erster Präsident Burkina Fasos. In der Schriftversion ist ein Link zu einem Video (1) über die Rolle von Sankara auf Rumble unter dem Titel „Thomas Sankara- A Revolutionary Who Fought Neocolonialism“.
Tatsächlich existiert ECOWAS weder als ein politischer und erst recht nicht als ein militärisch handlungsfähiger Block; auch wenn das im kollektiven Westen noch so oft suggeriert wird! Eine wohltuende Ausnahme hat am 7. August ausgerechnet die Hauspostille der neoliberalen „regelbasierten Ordnung“, das britische, selbst erklärte Nachrichten-Magazin „The Economist“ in einem Bericht (2) unter dem Titel: „After Niger’s coup, the drums of war are growing louder“, zu Deutsch: „Nach dem Putsch in Niger werden die Kriegstrommeln lauter“, mit dem Untertitel: „Ebenso wächst der Widerstand gegen die gewaltsame Wiedereinsetzung der Regierung“
Der Einstieg in den Artikel liest sich erstaunlich anti-kolonialistisch und anti-imperialistisch, eine Maskerade, unter der die US-geführte, neoliberale Ideologie von Anfang an operiert hat. Hier folgt die Übersetzung des ersten Absatzes des Economist Artikels:
„Die Mitglieder der westafrikanischen (ECOWAS) Gruppe sind gespalten und haben kein Mandat des Volkes, um zu intervenieren, während der Westen seine Marionetten dazu drängt, sich auf einen Stellvertreterkrieg einzulassen. Die Bevölkerung hat genug davon, Wasserträger für Kolonialmächte und westliche Konzerninteressen zu sein. Die Putschisten in Niger haben am Sonntag vor dem Hintergrund des Ultimatums der ECOWAS und unter Berufung auf die Androhung einer militärischen Intervention der Nachbarländer den Luftraum des Landes bis auf weiteres für alle Flugzeuge gesperrt.“
Anmerkung zum falschen Zungenschlag im Text: Fakt ist, dass unter den direkten Nachbarn Nigers nur der Präsident Nigerias mit einer Invasion gedroht hat. Alle anderen direkten Nachbarländer, einschließlich Algerien, das nicht zu ECOWAS gehört) haben Niger unterstützt. Und dann geht es im nachfolgenden zweiten Absatz weiter, als wäre ECOWAS ein funktionierender Block, auf Seiten des Westens der Niger bestrafen will.
„Die Militärs der Westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft (ECOWAS) brauchen mehr Zeit, um sich auf eine militärische Intervention in Niger vorzubereiten, berichtet das Wall Street Journal unter Berufung auf einen hochrangigen Kommandeur aus einem der ECOWAS-Länder. In der Zwischenzeit wird die EU die Putschisten in Niger weiterhin durch Wirtschafts- und Finanzsanktionen unter Druck setzen und sich um Unterstützung für das Handelsembargo durch andere internationale Institutionen wie die Afrikanische Union bemühen.“
Am erstaunlichsten bei dem Artikel ist, dass das führende Nachrichtenmagazin der westlichen Welt, „The Economist“ in seinem Internet-Bericht zu Niger vom Montag, den 7. August komplett ignoriert hat, welche dramatische Kehrtwende weg vom Krieg es zwei Tage zuvor, nämlich am Samstag, den 5. August in Nigeria gegeben hat. An diesem Samstag vergangener Woche, ein Tag vor Ablauf des Niger-Invasion-Ultimatum des nigerianischen Präsidenten Bola Tinubu, hat der Senat des Bundesstaates Nigerias seinem Präsidenten die Zustimmung zur Invasion Nigers verweigert. Dies berichteten übereinstimmend nigerianische, englisch-sprachige, Tageszeitungen, , z.B. hier(3), hier (4) und hier (5). Aber diese nicht ins westliche Wunschbild passenden Nachrichten wurde irgendwie von Politikern und Medien des kollektiven Westens übersehen. Ein Schurke, wer Böses dabei denkt.
Wie kam es aber zu der Blockade im Senat gegen die Invasion? Die Senatoren der 19 nord-nigerianischen, an Niger angrenzenden Bundesstaaten hatten ihre Amtskollegen aus den süd-nigerianischen Bundesstaaten davon überzeugt, dass ihre Nord-Staaten, die eine weit über tausend Kilometer lange, unkontrollierbare Grenze mit der Republik Niger teilen, im Fall eines Krieges von einer unbeherrschbaren Flüchtlingswelle überflutet würden, die sich bis in die restlichen Bundesstaaten Nigerias ausweiten würde.
Mit Ausnahme der militärischen Intervention billigte der Senat alle anderen, von Präsident Tinubu vorgeschlagenen Methoden zur Wiederherstellung der verfassungsmäßigen Ordnung in der Republik Niger. Als Resultat dieser politischen Kehrtwende trafen sich die nigerianischen Militärchefs mit ihren Amtskollegen aus den anderen ECOWAS-Mitgliedstaaten, die ursprünglich bereit waren, sich einer nigerianischen Invasion Nigers anzuschließen. Gemeinsam gaben sie eine Erklärung ab, dass sie es nicht länger für eine gute Idee hielten, militärische Gewalt gegen die Militärjunta Nigers anzuwenden.
Damit sei vorerst die Kriegsgefahr gebannt, kommentierte der international bekannte nigerianische Ingenieur und Blogger Chima Okezue am 5. 8. auf seinem Telegram Kanal. Die diplomatischen Bemühungen, die Militärjunta zum Rücktritt zu bewegen, gehen allerdings weiter. Dabei gibt es jedoch zwei große Fragezeichen.
Erstens werden sich auch Frankreich und die USA mit einer nicht-militärischen Lösung des Konfliktes um Niger zufriedengeben. Und zweitens, haben diplomatische Bemühungen überhaupt Aussicht auf Erfolg für die Wiedereinsetzung des Präsidenten Bazoum von Niger?
Um mit der zweiten Frage zu beginnen, so scheinen die Bilder und Videos internationaler Nachrichtenagenturen aus Niger in den Tagen nach dem Militärputsch den diplomatischen Bemühungen zu dessen Wiedereinsetzung wenig Chancen zu geben. Selbst Nachrichtenagenturen des kollektiven Westens zeigten Bilder von Massendemonstrationen zur Unterstützung der neuen Machthaber, deren Rhetorik ganz auf der anti-imperialistischen Tonlage von Nigers Nachbarn Burkina Faso und Mali liegt.
Auch die Erstürmung und Brandschatzung der französischen Botschaft durch eine riesige aufgebrachte Menge, ohne dass dabei Polizei oder Militär eingeschritten wären, scheinen die Berichte zu bestätigen, dass es in den Sicherheitsorganen Nigers keine sichtbaren Gruppen gibt, die sich auf Seiten des gestürzten Präsidenten oder Frankreichs und der USA stellen würden. Der bereits erwähnte Artikel des Economist bestätigt diesen Eindruck aus Niger:
Laut repräsentativen Umfragen unterstützen fast 80 Prozent der Nigerier das Vorgehen der Putschisten, während 73 Prozent der Befragten der Meinung sind, dass sie für einen längeren Zeitraum an der Macht bleiben sollten.
Das lässt vermuten, dass die neuen Machthaber in Niger, egal welche Motivationen sie tatsächlich für den Putsch hatten, sich weiterhin mit anti-kolonialer Rhetorik und Aktionen vor der eigenen Bevölkerung legitimieren werden. Zugleich ist zu erwarten, dass sie sich mit einer anti-imperialistischer Außenpolitik die Unterstützung benachbarter Länder wie Mali, Burkina Faso, Algeriens und im weiteren Sinne der BRIC-Länder sichern wollten.
Bei den Massendemos in Niger zur Unterstützung des Putsches waren vereinzelt auch russische Fahnen geschwenkt worden und Putin, Putin-Rufe zu hören gewesen. Die Frage, ob womöglich die Russen hinter dem Umsturz steckten, beantworte vor einigen Tagen der aus Bamako/Mali zugeschaltete Ulf Laessing in den ARD-Tagesschau-Nachrichten negativ. Laessing, der Leiter des Sahel-Projekts der Konrad-Adenauer-Stiftung und Kenner der Situation in Niger verwies u.a. darauf, dass Russland nicht einmal eine Botschaft in Niger hat und auch sonst keinen Einfluss im Land habe. Laut Laessing sind die Beweggründe für den Militärputsch nicht ideologischer Natur, sondern beruhen auf persönlichen Streitigkeiten zwischen der Militärführung und dem Präsidenten.
Auf die Frage, wie in Zukunft das Verhältnis von Deutschland und Europa mit den neuen Machthabern in Niger aussehen werde, meinte Laessing, dass die Europäer mit den Putschisten zusammenarbeiten müssten, wenn sie nicht wollten, dass die Migrationsroute nach Europa wieder geöffnet würde. Diese Route war von dem gestürzten Präsidenten auf Drängen der EU weitgehend geschlossen worden. Dafür gab es Gegenleistungen der EU, um Niger für entgangenes Einkommen zu kompensieren. Denn die Schließung der Migrationsroute hatte in dem von hoher Arbeitslosigkeit geprägten, bettelarmen Niger viele lukrative Arbeitsplätze vernichtet, was unter der Bevölkerung zu starken Verärgerungen geführt hatte.
Die Migration aus dem südlichen Afrika nach Europa durch Niger hatte nämlich im ganzen Land zu einer boomenden Nachfrage nach Transportdienstleistungen durch die Wüste sowie im Restaurant- und Hotelgewerbe und im Einzelhandel gesorgt. Zugleich konnten viele Leute Geld mit Schmuggel von und nach Libyen Geld verdienen. Folglich wird in Niger der Druck der Bevölkerung auf die Putsch-Regierung groß sein, die Route wieder zu öffnen.
Wenn die Europäer also keinen neuen, zusätzlichen Migrationsfluss aus Afrika haben wollen, bleibt ihnen nichts anderes übrig, als auch mit den neuen Machthabern einen Deal zu machen. Der derzeit übliche, Tugend heuchelnde, außenpolitische Konfrontationskurs à la Baerbock wird auch in Niger höchstens kontraproduktive Folgen für Deutschland haben.
Nun zurück zur ersten der oben gestellten Fragen: Werden sich auch Frankreich und die USA mit einer nicht-militärischen Lösung des Konfliktes um Niger zufriedengeben?
Es bleibt ihnen nichts anderes übrig. Denn ohne Huckepack auf Nigerias Rücken zu springen und von dort aus auf Niger einzuschlagen, haben sie keine militärischen Möglichkeiten, gegen Niger vorzugehen, mit Ausnahme von terroristischen Angriffen mit Langstrecken Drohen
Mit dem Ausstieg Nigerias aus dem Ultimatum sind die Invasionsträume Nigers verpufft. Daran ändert auch das Gemunkel nichts, dass einige kleinere ECOWAS-Staaten sich bereit erklärt hätten, sich einer gemeinsamen Militäroperation gegen Niger anzuschließen. Ohne Nigeria müssten diese jetzt jedoch von Paris und Washington geführt werden. Daran haben die beiden jedoch kein Interesse, denn dabei sie könnten sie ihre eigenen, neo-kolonialen Absichten nicht unter dem Mantel der selbstlosen Hilfestellung für Afrikaner zur Wiederherstellung der Demokratie in Niger verstecken.
Nach den ersten Aufregungen vor Ort scheint allen Beteiligten klar geworden zu sein, dass eine Invasion des Niger, die Nachbarländer Mali und Burkina Faso direkt und auch Algerien indirekt auf Nigers Seite in den Krieg hineinziehen würde. Andere würden wahrscheinlich folgen. Dadurch würde eine Situation entstehen, in der jegliche Militäraktion gegen Niger in einer gigantischen Katastrophe für die ganze Region enden würde.
Die Bevölkerung der Niger unterstützenden Länder beläuft sich auf etwa 80 Millionen. Nigeria für sich allein hat 200 Millionen Einwohner. Ohne genaue Frontline würde der Krieg in Tausende von Dörfern in den Grenzregionen getragen. Luftangriffe der USA und Frankreichs würden das Ihrige dazu tun, das entstandene Chaos auf die Spitze zu treiben. Nicht nur die Grenzstaaten Nigerias würden mit Flüchtlingen überfordert, sondern auch ein unübersehbarer Flüchtlingsstrom in Richtung Europa würde sich auf den Weg machen.
Dadurch, dass Nigeria eine militärische Intervention abgesagt hat, und sein Territorium höchstwahrscheinlich nicht als Operationsbasis für Luftwaffen imperialistischer Staaten für Angriffe gegen Niger zur Verfügung stellen wird, haben weder Frankreich noch die USA Möglichkeiten, militärische Strafexpeditionen gegen Niger zu unternehmen. Deshalb könnten auch die beiden französischen und US-amerikanischen Stützpunkte in Niger sich im Fall einer militärischen Auseinandersetzung mit Niger nicht lange gegen das Militär von Niger halten, erst recht nicht ohne Luftunterstützung.
Dafür aber bräuchten die USA und Frankreich Lande- und Startrechte für ihre Militärflugzeuge in Nigeria oder ECOWAS-Staaten. Das allerdings ist höchst unwahrscheinlich, denn keine westafrikanische Regierung will Selbstmord begehen. Egal wie viel der Westen bezahlt, ohne das mächtige Nigeria im Rücken wird kein westafrikanisches Land die höchst unbeliebten französischen und amerikanischen Imperialisten bei einer Militäraktion gegen den afrikanischen Bruderstaat Niger unterstützen.
Wie eingangs schon erwähnt, hat der Staat Nigeria eine lange anti-imperialistische Geschichte und ein entsprechendes kollektives Selbstverständnis. Das hat Nigeria mit der aktiven und großzügigen Unterstützung anti-kolonialistischer Freiheitsbewegungen in Afrika immer wieder unter Beweis gestellt. Zugleich ist Nigeria ein mächtiger Wirtschaftsfaktor und eine regionale Militärmacht, die sich selbst vom kollektiven Westen nicht herumschubsen lässt. Das ist die eine Seite der nigerianischen Medaille.
Die andere Seite der Medaille ist, dass die nigerianische Führung angesichts der zunehmenden Angriffe islamistischer Gotteskrieger sehr besorgt sind. Diese Kämpfer, wie z.B. Boko Haram, die aus der Sahel-Zone z.B. über Niger nach Nigeria infiltrieren, verbreiten immer wieder mit spektakulären Terrorüberfällen in nigerianischen Großstädten Chaos und Verderben. Es ist aus Sorge um die politische Stabilität und die Kontrolle der Grenzen in der westafrikanischen Region, weshalb die nigerianische Regierung sehr allergisch gegen Militärputsche ist, vor allem wenn diese gegen demokratisch gewählte Regierungen gerichtet sind. Dabei ist es egal mit welchen Gründen diese Putsche gerechtfertigt werden.
Diesbezüglich wird Nigeria auch von der russischen Regierung unterstützt. Das russische Außenministerium hat z.B. den Putsch in Niger verurteilt. Auch der Botschafter Russlands in Nigeria, Alexey Schebarschin wiederholte die Linie des Kremls, dass der Putsch in Niger “verfassungswidrig” war. Er fügte hinzu, dass Russland wolle, dass die Krise in Niger friedlich und ohne Intervention von Nigeria / ECOWAS gelöst werde. Noch wichtiger war Schebarschin die Betonung, dass Russland keine Pläne habe, der neuen Militärjunta in Niger zu helfen.
Die Lage in Niger ist also komplexer als viele anti-Imperialisten glauben, die z.B. reflexhaft die Reaktion Nigerias verurteilt und Nigerias Präsidenten als US-Marionette bezeichnet haben, nur weil der genau wie die USA und Frankreich mit einer militärischen Intervention in Niger gedroht hatte.
Derweil scheint in Paris und Washington der Groschen gefallen zu sein. Sowohl US-Außenminister Blinken als auch Präsident Macron haben erklärt, dass sie nur noch eine diplomatische Lösung des Nigerkonfliktes anstreben. Offensichtlich ist ihnen bewusst geworden, dass sie unter derzeitigen Bedingungen gegen Niger nichts ausrichten können.
Aber auch der diplomatische Weg scheint für die US-Top-Imperialisten in Niger versperrt. Davon zeugt das jüngste Zusammentreffen zwischen Frau Victoria-Fuck-The-EU-Nuland, die Nummer zwei in der Hierarchie des US-Außenamts mit Top-Vertretern der Militärregierung Nigers in der nigrischen Stadt Niamey.
Die zertifizierte Russenhasserin und Kriegstreiberin Nuland und Spezialist für Regimewechsel, u.a. in der Ukraine, ist seit langem in Afrika sehr aktiv In etwas mehr als einem Jahr hat sie mehrmals die Sahelzone besucht, darunter Niger, um dort die Macht pro-westlicher Marionettenregierungen zu stärken. Siehe auch diesen Artikel vom 26. Oktober 2022 (6).
CNN teilt uns mit, dass sich Victoria Nuland gestern mit einigen Mitgliedern der Militärjunta in Niger getroffen hat.
Ihre Bemühungen führten nicht zu den gewünschten Ergebnissen. Es scheint, dass viele Afrikaner ihre Plätzchen und Brötchen nicht mögen, die sie während des Maidan-Putsches in der Ukraine im Jahr 2014 dort erfolgreich verteilt hatte.
Nuland traf sich mit General Moussa Salaou Barmou, dem selbsternannten Verteidigungschef, und drei Obersten, zu mehr als zwei Stunden langen Gesprächen. Gegenüber CNN (7) bezeichnete sie diese Gespräche als „äußerst offen und manchmal ziemlich schwierig”. Nuland berichtete ferner, dass sie mit dem gestürzten Präsidenten Mohamed Bazoum sprechen wollte, doch die Rebellen kamen ihrer Bitte nicht nach. Dafür habe sie in Niamey „einen breiten Querschnitt der nigrischen Zivilgesellschaft” treffen können, sagte sie gegenüber CNN und führte weiter aus: „Das sind langjährige Freunde der USA. Sie sind Journalisten, sie sind Verfechter der Demokratie, sie sind Menschenrechtsaktivisten.”
Hier hat Frau Nuland in höchsten Tönen von dieser hässlichen Art von Kreaturen gesprochen, die als „Bewahrer demokratischer Werte” firmieren und jederzeit bereit sind, die Interessen der eigenen Bevölkerung zu verkaufen. Es sind die Leute, auf die sich der kollektive Westen verlässt, um Afrika unterentwickelt und von ausländischer Hilfe abhängig zu halten, um so die Ressourcen besser plündern zu können.
Während der Beschluss des nigerianischen Senats, keine Invasion in Niger zuzulassen, dem Westen einen Strich durch die Rechnung gemacht hat, liebäugeln interessierte Kreise im Westen weiterhin mit militärischen Maßnahmen, um den gestürzten Präsidenten Nigers, Mohammed Bazoum doch wieder im Amt einsetzen zu können, sodass das Pentagon seine Drohnenbasis und Frankreich seine Uran- und Goldminen in Niger wieder in Betrieb nehmen können.
Wie vor allem Frankreich die Gold- und Uran-Reserven des Niger bis zuletzt ausgeraubt hat, hat der ins EU-Parlament gewählte deutsche Abgeordnete Martin Sonneborn mit seiner Kollegin Claudia Latour in einem Artikel (8) vom 3. August in der Berliner Zeitung unter dem Titel: „Globaler Süden will nicht mehr vom Westen ausgeplündert werden“ sehr anschaulich dargelegt. Der unbedingt lesenswerte und fakten reiche Artikel macht deutlich, dass es auch in Niger darum geht, dass die Afrikaner dem Rohstoffraub und der Übervorteilung durch mafiöse Handelsverträge mit dem Westen ein Ende setzen wollen. Hier ein kurzer Auszug aus dem Artikel von Sonneborn und Latour als „Appetitanreger“:
In Frankreich gibt es keine einzige aktive Goldmine. Dennoch besitzt dieser (ehemals) verbrecherische Kolonialstaat mit 2436 Tonnen die viertgrößten Goldreserven der Welt. Die (ehemals) französische Kolonie Mali besitzt genau 0,0 Tonnen Gold, obwohl es mehrere Dutzend Minen (darunter 14 offizielle) im Land hat, in denen pro Jahr ganze 70 Tonnen davon abgebaut werden. Von den Einnahmen aus knapp 60 Tonnen Gold, die von (schätzungsweise) 600.000 Kindern in der (ehemals) französischen Kolonie Burkina Faso geschürft werden, gehen nur 10 Prozent an das Land, aber 90 Prozent an multinationale Goldgräberkonzerne. ….
Trotz seiner Uran- und Goldvorkommen lag der Niger im Entwicklungs-Index zuletzt auf Platz 189 von 191 erfassten Staaten. Das gesamte Staatsbudget Nigers, ein Land mit der dreifachen Fläche der Bundesrepublik, ist mit rund 4,5 Milliarden Euro nicht größer als der jährliche Umsatz des französischen Atomkonzerns Orano (ehemals Areva).
Quellen:
(4) https://dailynigerian.com/senate-rejects-nigerian/
(5) https://leadership.ng/just-in-senate-rejects-tinubus-planned-military-action-in-niger/
(7) https://edition.cnn.com/2023/08/07/politics/niger-military-junta-nuland-meeting/index.html