Fußball war dem Außenminister wichtiger

Fußball war dem Außenminister wichtiger

von Rainer Rupp

erschienen am 23.09.1999 in der Jungen Welt

Als Mad. Albright mit Joseph Fischer wegen Kosovo telefonierte …

Fast drei Monate nach Kriegsende brachte jetzt die »Washington Post« eine dreiteilige Serie, die einen aufschlußreichen Blick hinter die Kulissen der NATO auf höchster Entscheidungsebene während der Aggression gegen Jugoslawien bietet. Hier müssen endlich Beamte des Washingtoner Regierungsapparates aus dem Nähkästchen geplaudert haben. Ungewöhnlich ist das nicht, denn im geschwätzigen Washington ist selten etwas geheim, das abfällig über andere geäußert wird. So kam auch ein für die deutschen Grünen interessantes Detail über ihren obersten Kriegshelden Fischer ans Licht und darüber, wie ernst er seine Friedensaufgabe genommen hatte.

Am 26. Mai rief die US-Außenministerin Mad. Albright mal wieder ihren deutschen Duzfreund Joschka Fischer an. Es ging um neue NATO-Angriffe auf zivile jugoslawische Ziele. Diesmal sträubten sich nicht die Franzosen, sondern die Italiener, bei dem Verbrechen mitzumachen. Wie in der Vergangenheit bei derlei Problemen, so starteten die Amerikaner und Briten auch diesmal wieder eine gemeinsame Telefonaktion, bei der sie die Regierungschefs, die Außen- und Kriegsminister der NATO anriefen, damit diese dann gemeinsam Druck auf den Zauderer, in diesem Fall den italienischen Regierungschef Dini, ausüben könnten.

Von dem Telefongespräch von Albright mit Fischer, bei dem es also darum ging, die Italiener von der »Notwendigkeit« zu überzeugen, weitere zivile Ziele für die US-Bomber freizugeben, berichtete die Washington Post wie folgt: »Plötzlich hörte die US-Außenministerin, wie Fischer einen lauten Schrei ausstieß. ‘Geht es Ihnen gut’, fragte Frau Albright besorgt. Mit einer verlegenen Stimme gestand Fischer ein, daß er dabei war, das Fußballspiel in der Championsliga zwischen Manchester United und Bayern München zu sehen. (Die Briten gewann das Spiel 2:1, mit zwei Toren in den letzten 30 Sekunden).« Es herrschte also keineswegs immer Hochspannung zwischen den NATO- Politikern, wenn diese darüber entschieden, wie viele jugoslawische Zivilisten, Frauen und Kinder sterben mußten.