Heizöl für den Umsturz

Heizöl für den Umsturz

von Rainer Rupp

erschienen am 14.10.1999 in der Jungen Welt

Schulterschluß der EU mit der serbischen Opposition geriet zum Flop

»Energie für Demokratie« heißt das Programm, mit dem die Europäische Union in den serbischen Städten die Opposition zum Aufstand gegen die rechtmäßig gewählte Regierung von Präsident Milosevic anfeuern will. Letzten Montag kündigten die EU-Außenminister bei ihrem Treffen in Luxemburg an, 25 000 Tonnen Öl an die Städte Nis und Pirot zu liefern, in denen die regierenden Bürgermeister Oppositionsparteien angehören. Zynisch erklärten EU-Beamte dazu, es sei moralisch nicht vertretbar, daß Serben, die sich für die Opposition und die Demokratie entschieden hätten, im strengen Winter frieren müßten.

Das EU-Öl soll auf Lastwagen in die beiden serbischen Städte gekarrt werden. Wie das technisch möglich sein soll, wie der Grenzübertritt und die Verteilung bewerkstelligt werden sollen, ohne mit den verpönten jugoslawischen Behörden zusammenzuarbeiten, bleibt das Geheimnis der EU. Deshalb erscheint das Angebot alles andere als seriös. Vieles deutet auf eine Propagandamaßnahme hin, um in Serbien und innerhalb der Opposition weitere Unruhe zu schüren. Dazu braucht die EU ihre Öllieferungen nur von Lieferbedingungen abhängig machen, die Jugoslawien nicht erfüllen kann. Zum Beispiel, indem die EU eine Garantie dafür verlangt, daß das Öl nur nach Nis und Pirot gelangt.

Folglich müßte die EU darauf bestehen, daß den Kolonnen von Tanklastwagen und deren Begleitpersonal freie Fahrt durch Jugoslawien gewährt wird, ohne Zollkontrolle und bei voller Immunität bei Verkehrsunfällen oder anderen Schäden, usw. Wenn die Regierung in Belgrad diese Forderungen zurückweisen würde, bekäme sie von Brüssel den Schwarzen Peter zugeschoben, denn das »unmenschliche Regime in Belgrad« und nicht der NATO-Krieg wäre dann daran Schuld, daß die Menschen frieren.

Daß der Westen die serbischen Oppositionspolitiker allerdings nicht für voll nimmt, sondern in ihnen nur Instrumente sieht, um noch vor den für nächstes Jahr angesetzten Wahlen die Regierung zu stürzen, dürfte einigen der Betroffenen spätesten letztes Wochenende bei der Vorbereitung zum EU-Treffen in Luxemburg aufgegangen sein. Dazu hatten die EU-Minister auch an die 30 serbische Oppositionspolitiker eingeladen, von denen die zehn prominentesten, unter ihnen auch Vuk Draskovic und Zoran Djindjic, allerdings kurzfristig wieder absagten. In Belgrad erklärten sie gegenüber der internationalen Presse, daß sie absichtlich das Treffen in Luxemburg boykottiert hätten.

Die EU hatte den Oppositionellen eine Erklärung erst in letzter Minute zukommen lassen und ihnen unmißverständlich zu verstehen gegeben, daß Änderungen daran nicht möglich seien. Sie hätten sie nur zu unterschreiben. Kernpunkt: Nach einem Machtwechsel in Belgrad müßte die neue Regierung Milosevic und andere als Kriegsverbrecher Beschuldigte nach Den Haag überstellen. Die »International Herald Tribune« zitierte einen namentlich nicht genannten Oppositionellen aus Belgrad, der die EU-Deklaration als grobe Einmischung in die nationale Souveränität Serbiens bezeichnet und sie als einen Versuch bewertet, die Opposition vor vollendete Tatsachen zu stellen, ohne daß man ihr die Chance gegeben hätte, das Papier zu studieren.

Für die EU-Minister geriet der geplante Propagandacoup wegen der Abwesenheit der serbischen Opposition zu einem Flop. Selbst ein medienwirksames Dankeschön aus Nis und Pirot für das versprochene Heizöl blieb aus. Wie sich herausstellte, waren die beiden Bürgermeister zum Treffen nicht eingeladen worden.