Hugo Chávez warnt vor Bürgerkrieg
von Rainer Rupp
erschienen am 04.12.1999 in der Jungen Welt
Venezuelas Präsident befürchtet innenpolitische Zuspitzung
Um keinen Verdacht zu erregen, wollte das Mörderteam nicht direkt von den USA, sondern aus einem Drittland nach Venezuela einreisen, um dort den neuen Kapital- und USA-kritischen Staatspräsidenten Hugo Chávez umzubringen. Diese und weitere Einzelheiten über das Mordkomplott deckte der kubanische Präsident Fidel Castro dieser Tage in Havanna bei einer Pressekonferenz auf. Demnach war es dem kubanischen Auslandsnachrichtendienst gelungen, eine Verschwörung zur Ermordung des venezolanischen Präsidenten durch eine in Miami beheimatete Gruppe von Exilkubanern aufzudecken. Diese Enthüllung dürfte die ohnehin gespannte Situation weiter anheizen, die im Vorfeld der für den 15. Dezember angesetzten Volksabstimmung zur Verfassungsänderung in Venezuela herrscht.
Trotz des Ölreichtums des Landes ist der größte Teil der Bevölkerung bettelarm. Die sozialpolitischen Vorstellungen, die der Castro-Bewunderer Chávez nun mit Hilfe der Verfassungsänderung durchsetzen will, sorgen bei der besitzenden Klasse Venezuelas und ihren US-amerikanischen Freunden für Unruhe. Sie befürchten eine »Kubanisierung« des Landes (Foto: Venezuelas Reiche bangen um ihre Pfründe). So werden die um ihre angehäuften Reichtümer und Privilegien fürchtenden »Leistungsträger« der venezolanischen Gesellschaft nicht müde, mit Hilfe ihrer Medien das Schreckgespenst von einer bevorstehenden Diktatur an die Wand zu malen.
Außerdem habe Präsident Chávez vor, mit Hilfe der Verfassungsänderung die sozialistische kubanische Revolution in Venezuela nachzuahmen. In der Tat hatte Chávez bei seinem Besuch in Havana im November kein Hehl aus seiner Bewunderung für Fidel Castro und die »sozialistische Umgestaltung Kubas« gemacht.
Fidel Castro versuchte deshalb Dienstag nacht, die Debatte etwas zu entschärfen, indem er alle Behauptungen als »Phantasien und Lügen« zurückwies, wonach Präsident Chávez ein politisches, militärisches und ökonomisches Bündnis zwischen Venezuela und Kuba anstrebte. »Ich würde schon sagen, daß Chávez ein Revolutionär ist«, meinte Fidel Castro gegenüber venezolanischen Journalisten, »aber wenn man mir gegenüber behauptet, Chávez sei Sozialist, Marxist oder gar ein leninistischer Revolutionär, dann muß ich das bestreiten«.
Das geplante Attentat auf Chávez sollte schon im Dezember von einer Kommandogruppe ausgeführt werden, die von der in Miami angesiedelten, politisch einflußreichen Kubanisch-Amerikanischen Nationalstiftung finanziell unterstützt würde. Dies sei bei einer Zusammenkunft von Exilkubanern am 18. November in Miami beschlossen worden. Die gedungenen Mörder stünden auch in enger Verbindung zu Luis Posada Carriles, dem das Bombenattentat auf eine kubanische Verkehrsmaschine 1976 mit 73 Toten und die Serie von Bombenanschlägen auf Touristenlokale und Hotels in Havanna 1997, bei denen ein Tourist ums Leben kam, zur Last gelegt wird.
Am vergangenen Montag nun, während einer im Fernsehen übertragenen Rede von Präsident Chávez, gingen die Bewohner der reichen Wohnviertel der Hauptstadt auf die Straße und trommelten als Zeichen des Protestes auf Kochtöpfen. Diese Art von Protest hat Tradition bei den Reichen Südamerikas. Schon vor fast 30 Jahren, als Präsident Allende nach seiner gewonnenen Wahl in Chile soziale Reformen in Angriff nahm, trommelten die Reichen in den noblen Vierteln von Santiago de Chile auf allem, was Krach machte. Es dauerte nicht lange, bis Allende in einem von General Pinochet geführten und von der CIA unterstützten Putsch gestürzt und ermordet wurde. Daran erinnerte sich sicherlich auch Präsident Chávez. Einen Tag nach dem lautstarken Protest der Vermögenden warnte er öffentlich vor einem Bürgerkrieg.