Im Kalten Krieg gegen China haben die USA schlechte Karten
von Rainer Rupp
erschienen auf RT Deutsch am 9. April und 10. April 2021
Ein wichtiger Bestandteil des neuen Kalten Krieges, den die Vereinigten Staaten diesmal nicht nur gegen Moskau, sondern auch gegen Peking führen, ist der Wirtschaftskrieg. Mit Wirtschafts- und Finanzsanktionen aller Art sollen die Regierungen in China und Russland in die Knie gezwungen werden – und zugleich die globale, aber inzwischen stark bröckelnde Vorherrschaft des siechenden Hegemonen USA abgestützt und für einige Jahrzehnte verlängert werden.
Zu diesem Zweck hat man in Washington, D.C. ein komplexes Instrumentarium von erpresserischen Strafmaßnahmen entwickelt, die man sowohl gegen Staaten als auch gegen individuelle Firmen oder Konzerne einsetzt, wenn diese mit China und Russland in von Washington willkürlich bestimmten Branchen Handel treiben.
Selbst Unternehmen aus Staaten, die mit den USA verbündet sind, wie z.B. NATO-Staaten, sind von den US-Strafmaßnahmen nicht geschützt. Dass es für diese Strafen keine internationale juristische Grundlage gibt, stört die sich immer noch als Herren der Welt dünkenden Machthaber in Washington nicht, denn bisher haben vor allem westliche Unternehmen die oft exorbitant hohen US-Strafen bezahlt, wie etwa die französische Großbank BNP Paribas das tat. Zur Erinnerung:
Weil die BNP Kredite an Firmen vergeben hatte, damit diese Handelsgeschäfte mit Kuba und Iran vorfinanzierten, war sie vom US-Finanzministerium zu 11 Milliarden US-Dollar Strafe verurteilt worden. In Verhandlungen mit Schützenhilfe durch die französische Regierung wurde die Strafe auf 8,9 Milliarden reduziert. Am 1. Juli 2014 bekannte sich die BNP offiziell für schuldig und zur Zahlung bereit, und am nächsten Tag stiegen ihre Aktien um fast 4 Prozent. Bei Weigerung der Strafzahlung wäre die französische Großbank von jeglichen Geschäften mit den und über die USA ausgeschlossen worden, was vermutlich den Bankrott der Bank bedeutet hätte.
Die zunehmende Verlagerung des Schwerpunkts der globalen Wirtschafts- und Finanzaktivitäten nach Asien hatte jedoch zur Folge, dass Washingtons Macht schwindet, seine willkürlichen, extra-territorialen Strafen durchzusetzen. In Asien kommt auch niemand mehr an China vorbei. Erstens ist China sowohl der Welt größter Produzent von Sachen aller Art, aber zugleich auch der Welt zweitgrößter Konsument. Zweitens hat China, im Gegensatz zu der Verarmung in den USA und Europa, eine aufstrebende, kaufkräftige Mittelschicht, die größer ist als die in den USA und Europa zusammengenommen. Folglich sind für viele Akteure in Asien die guten Beziehungen zu China wichtiger geworden als die zu den USA.
Diese Entwicklung wurde im Jahr 2020 vor allem durch das “Regional Comprehensive Economic Partnership”-Abkommen (RCEP, dt.: Regionale, umfassende Wirtschaftspartnerschaft) in eine institutionelle Form gegossen. RCEP ist ein Freihandelsabkommen zwischen den zehn ASEAN-Mitgliedsstaaten und fünf weiteren Staaten in der Region Asien-Pazifik, das am 15. November 2020 – zum Abschluss des 37. ASEAN-Gipfeltreffens in der vietnamesischen Hauptstadt Hanoi – unterzeichnet worden war. Es ist die größte Freihandelszone der Welt, in welcher China – ob es will oder nicht – wirtschaftlich, politisch, demographisch und militärisch im Zentrum steht.
Von Bedeutung ist, dass mit Australien und Neuseeland auch zwei Länder der US-geführten “Five Eyes”-Geheimdienst-Allianz Mitglied von RCEP sind. (Zu den “Five Eyes” gehören neben diesen beiden Staaten und den USA noch das Vereinigte Königreich und Kanada.) Aber noch bedeutungsvoller ist, dass die USA, denen es in der Vergangenheit stets gelungen war, sich als “größte und wichtigste pazifische Macht” in jedem asiatischen Abkommen an die Spitze zu setzen – oder es zu torpedieren, wenn es Washington nicht passte – diesmal überhaupt nicht dabei sind.
Washingtons erpresserische Politik, andere Staaten zu Entscheidungen à la “Entweder-für-oder-gegen-mich” zu zwingen, hat sicherlich einen Teil dazu beigetragen. Auch eine zukünftige Mitgliedschaft der USA im RCEP ist höchst unwahrscheinlich. Denn mit RCEP wurde ein Paradigmenwechsel vollzogen. Mit RCEP hat sich Asien nämlich vom Laisser-faire, also von der neoliberalen Globalisierungsideologie des US-geführten Westens und seiner Konzerne abgewendet, um sich stärker den regionalen und zum gegenseitigen Vorteil gesteuerten Wirtschaftsentwicklungen der eigenen Völker Asiens zuzuwenden.
Chinas “Road and Belt Initiative” (RBI: Neue Seidenstraße), die bereits in den ersten Ansätzen umgesetzt wird, vermittelt eine Idee von den gigantischen, grenzübergreifenden Entwicklungsmöglichkeiten, die sich hauptsächlich auf die asiatische Region konzentrieren.
Vor diesem Hintergrund wird auch die Fähigkeit Washingtons schwinden, andere Länder und Unternehmen zu sanktionieren, denn diese werden sich vermehrt fragen, wo ihre wirtschaftliche Zukunft liegt: im Westen oder im Osten? Je mehr sich die US-Politiker wie wilde Bullen im asiatischen Porzellanladen benehmen, umso stärker schließen sie sich selbst von der Teilnahme an den asiatischen Entwicklungen aus.
Vor diesem Hintergrund fand am 28. März 2021 eine Zoom-Konferenz der “Geo-Political Economic Research Group (GERG)” der University of Manitoba, Kanada, mit dem Thema: “Unpacking China’s New Trade Deals” (Das Entpacken von Chinas Handelsabkommen) statt.
An der dreistündigen Podiumsdiskussion nahmen acht internationale Kenner der Materie teil: Bruno Drweski, Historiker und Sozialwissenschaftler an den Pariser Sorbonne-Universität, John Ross, Senior Fellow am Chongyang-Institut für Finanzstudien an der Chinesischen Volksuniversität, Horace Campbell, Professor für Politikwissenschaften an der Syracuse University, USA, Tomoo Marukawa, Professor am Institut für Sozialwissenschaften an der Universität Tokio, C. P. Chandrashekhar, Professor am Zentrum für Ökonomische Studien und Planung an der Centre for Economic Studies and Planning, Jawaharlal Nehru University, Neu-Delhi, Mick Dunford, emeritierte Professor der University of Sussex, und Gastprofessor an der Chinesischen Akademie der Wissenschaften, Joseph Purugannan, Leiter des “Office of Focus on the Global South” auf den Philippinen, und Rainer Rupp, Autor dieses Artikels (und u.a. ehemaliger Sekretär des China-Ausschusses im NATO-Hauptquartier in Brüssel, der zwei Mal im Jahr tagte, unter Teilnahme von – auf China spezialisierten – Geheimdienstexperten aus den Mitgliedsländer).
In seinen einleitenden Bemerkungen machte Rupp deutlich, dass das außenpolitische Establishment der USA mit seiner Politik der bewussten Konfrontation Chinas nicht erst mit Präsident Trump, sondern bereits unter Präsident Obama mit dessen “Pivot to Asia” begonnen hatte. Mit dieser Obama-Initiative war eine Neuausrichtung und Umstrukturierung der politischen und militärischen US-Kriegsressourcen gegen Peking in die Wege geleitet, von bisher 40 Prozent gegen China und 60 gegen Russland zu jetzt 60 Prozent gegen China und 40 gegen Russland.
Allerdings, so Rupp, habe Washington diesen neuen Kalten Krieg gegen China, der sich ja zugleich auch gegen Russland wendet, bereits verloren, bevor er ernsthaft begonnen hat. Diese Realität sei aber bei den wichtigsten politischen Akteuren in Washington und ihren Helfern in den NATO-/EU-Ländern leider noch nicht angekommen, da sie aktuell mehr denn je von hegemonialer Hybris und Selbsttäuschung geblendet seien.
Diese Verkennung der Realität durch die USA sei besonders deutlich beim jüngsten chinesisch-amerikanischen Treffen auf Außenministerebene in Anchorage, Alaska zutage getreten. Dort war nicht nur das Klima frostig. Nachdem der US-Top-Diplomat Blinken sich angemaßt hatte, seinen chinesischen Amtskollegen ganz undiplomatisch vom hohen Ross aus öffentlich abzukanzeln – unter anderem wegen angeblicher chinesischer Menschenrechtsvergehen gegen Uiguren in Xinjiang – war die Stimmung in Anchorage tiefgefrostet. Denn nach der Attacke Blinkens zahlte der chinesische Außenminister dem US-Amerikaner mit gleicher Münze zurück, in Form einer langen Liste von US-Menschenrechtsvergehen und US-Kriegsverbrechen, ebenfalls prompt im Beisein der Journalisten. Für die US-Amerikaner war das – zumal von Chinesen – eine völlig ungewohnte Zumutung, sich sowas anhören zu müssen, was natürlich die Empörung in den US-Medien über die bösen chinesischen Kommunisten auf Hochtouren anlaufen ließ.
Es wird offensichtlich noch Zeit brauchen, bis die Biden-Administration einsieht – falls sie dazu überhaupt fähig ist –, dass die wenigen ökonomischen Siege, die die US-Supermacht in ihrem geschwächten Zustand gegen China noch erringen könnte, kostspielige Pyrrhussiege wären, die man besser gar nicht erst versuchen sollte. Ähnlich sieht das bei den militärischen Planspielen der US-Falken aus, die mit einer aktualisierten Version der Strategie, mit der Washington vor 80 Jahren Japan unterworfen hatte, jetzt gerne China in die Knie zwingen wollen. Aber auch diese wahnsinnigen Pläne aus den Thinktanks des Pentagon sind zum Scheitern verurteilt.
1941 hatte Washington mit Wirtschaftssanktionen und Blockaden der wichtigsten Meeresengen im asiatisch-pazifischen Raum das aufstrebende Japan von der Versorgung mit überlebenswichtigen Gütern, vor allem aber von Öl-Importen abgeschnitten. Damit sollte Tokio gezwungen werden, die US-Vorherrschaft anzuerkennen, sowohl im Pazifik als auch im umkämpften China, wo die USA die Gegner Japans militärisch unterstützten. Schließlich reagierte das in die Enge getriebene Japan, das ebenso wie die USA, Großbritannien und Frankreich in der Region seine imperialen Ambitionen mit militärischen Eroberungen verwirklichen wollte, mit dem Angriff auf Pearl Harbour. Diesen Angriff sah die japanische Kriegsführung als einen Befreiungsschlag an, was viele Japaner auch heute noch tun.
Der Historiker Walter LaFeber von der Cornell University in den USA stellte in seinem 1997 veröffentlichten, von der Kritik gefeierten Buch “The Clash: U.S.-Japanese Relations Throughout History” auch fest, dass Roosevelt sich zwölf Tage vor Pearl Harbor mit seinen Top-Beratern getroffen hatte, um mit ihnen zu besprechen, “wie wir sie (die Japaner) in eine Position manövrieren könnten, den ersten Schuss abzufeuern, ohne uns selbst zu gefährden.”
Allerdings kann die ökonomische, militärische und geostrategische Position des heutigen China überhaupt nicht mit der von Japan im Jahr 1941 verglichen werden. Denn China hat einen militärisch mächtigen, strategischen Partner, nämlich Russland. Die beiden Länder haben eine lange gemeinsame Grenze mit guten Verkehrswegen und Energie-Pipelines, über die man sich gegenseitig unterstützen kann. Zudem verfügt Russland über fast alle wichtigen industriellen Rohstoffe und es ist inzwischen der größte Netto-Getreideexporteur der Welt. Diese und viele andere Vorteile, die für China sprechen, müssten auch in jedes US-Kalkül einer möglichen militärischen Auseinandersetzung in der Region einbezogen werden. Man kann nur hoffen, dass dies auch von den Falken in Washington wahrgenommen wird.
Trotz der immens verbesserten Korrelation der Kräfte zugunsten Chinas und Russlands ist es umgekehrt wichtig, dass die beiden Länder einen Krieg mit den USA möglichst vermeiden. Denn viele von Washingtons westlichen Verbündeten sitzen inzwischen auf dem Zaun und wollen sich auf Grund ihrer ökonomischen Interessen für keine Seite entscheiden. Käme es jedoch auch nur zu einer begrenzten, militärischen Auseinandersetzung zwischen China und den USA, dann würde das Washington die nötigen Druckmittel in die Hand geben, um seine Verbündeten und Vasallen vom Zaun zu holen und zum Bruch mit China zu zwingen. Das hätte eine Blockbildung gegen China und Russland zur Folge, die nicht nur Teile Europas, sondern vor allem auch ASEAN und das Abkommen zur “Regionalen, Umfassenden Wirtschaftspartnerschaft” (RCEP) spalten würde.
Solange sich daher Chinesen und Russen nicht dazu verleiten lassen, militärisch auf amerikanische Provokationen zu reagieren, wird ihre immer enger werdende strategische Partnerschaft letztlich ohne militärischen Konflikt zum Sieg führen, und zwar aus wirtschaftlichen und technologischen Gründen. Darüber mehr in einem nächsten, zweiten Teil.
Was China betrifft, so sind nicht nur die technologischen Fortschritte des Landes zu erwähnen, die vor zehn Jahren noch unvorstellbar waren, sondern auch die wissenschaftlich-organisatorischen Fähigkeiten, theoretische Durchbrüche in die Tat umzusetzen. Grundlage dieser Entwicklung ist – im Gegensatz zu den USA – die hervorragende und vor allem kostenlose Ausbildung aller Chinesen. So verwundert es nicht, dass in China seit Jahrzehnten mehr Akademiker in Mathematik und Naturwissenschaften mit Doktorgrad oder äquivalenten Qualifikationen abschließen als in den USA und der EU zusammengenommen.
Beispielhaft für diese Entwicklung in vielen Teilen Chinas ist die technische und technologische Megacity Shenzhen in unmittelbarer Nachbarschaft zu Hongkong. Von dem Fischerdörfchen, das in den 1980er-Jahren von Peking zur Sonderwirtschaftszone deklariert wurde, hat sich Shenzhen zu einer wuselnden, internationalen Zwölf-Millionen-Stadt mit einem Hochtechnologiepark neben dem anderen entwickelt. Schon vor zehn Jahren galt Shenzhen auch für deutsche Wirtschaftsberater als “Biotop für Wissenschaftler” und “Brutkasten für innovative Unternehmer”.
Es ist genau diese Symbiose von Wissenschaftlern und Unternehmern, von Theorie und Praxis, die Shenzhen so einmalig macht. Es ist die Kombination von Wissenschaft in nächster Nähe einer unendlichen Vielfalt von Werkstätten, Ingenieuren, Designern und Technikern, die neue Ideen in die Tat umsetzen können. Das macht Shenzhen auch für westliche Unternehmer so außerordentlich attraktiv. Hinzu kommt, dass ein Techniker oder Entwickler in Shenzhen direkten Zugriff auf alle nötigen Bauteile hat, von Schrauben bis zu elektronischen Kleinteilen, wodurch lange Bestell- und Lieferzeiten vermieden werden, z. B. auf dem Huaqiangbei-Markt, der laut Bloomberg der weltgrößte Elektronikmarkt ist.
Ein junger Unternehmer aus Großbritannien, der in einer Werkstatt in einem Shenzhen-Technologie-Park mit seinem Team einen Roboter entwickelt, um in der Landwirtschaft Unkraut ohne chemische Gifte zu vernichten, erklärte jüngst in einem Video, dass man in einem Monat Entwicklungszeit in Shenzhen mehr schafft als in vier Monaten in einem Industriepark im Westen. Zugleich machten die Entwicklungskosten nur einen Bruchteil der Kosten im Westen aus. Mehr darüber kann der interessierte Leser in einem vom Fernsehsender CNA aus Singapur im Januar dieses Jahres ausgestrahlten, empfehlenswerten Vierteiler über den neuen Kalten Krieg der USA gegen China sehen. Der Titel der Serie lautet: “When Titans Clash” (Wenn Titanen aufeinanderprallen), und Teil III (“A Tech War“) beleuchtet den “Technologie-Krieg” zwischen den beiden Titanen.
Vor diesem Hintergrund hat China in vielen Technologiebranchen bereits die Weltführerschaft erreicht, zum Leidwesen der neidischen Herren in Washington. So verwundert es auch nicht, dass der schnellste Computer der Welt jetzt in China steht. Im Übrigen ergänzen sich chinesische Errungenschaften in der Elektronik hervorragend mit dem ungeheuren Fundus der sowjetischen Grundlagenforschung und ihrer militärischen Anwendungsmöglichkeiten, wie z. B. dem beim “Anti-Access, Area Denial (A2AD)”.
Das ist die Fähigkeit, gegnerischen Einheiten zu Lande, zu Wasser und in der Luft den Zugang und/oder die Durchquerung bei Strafe ihres Untergangs zu verweigern, indem man z. B. einen elektronischen Abwehr-Dom über einem Gebiet einrichtet, sodass Kommunikation, Zielerfassung oder andere Geräte des Gegners nicht mehr funktionieren. Westlichen Berichten zufolge soll russisches Militär diese Technik bereits in Syrien verschiedentlich gegen Angriffe eingesetzt haben, wahrscheinlich zu Testzwecken unter realen Bedingungen. Das System ständig einzusetzen wäre nicht ratsam, weil der Gegner sonst die Arbeitsweise studieren und eventuell Gegenmaßnahmen ausarbeiten könnte. Ein System von einer solch entscheidenden Bedeutung hält man für den Ernstfall zurück.
Zum russischen A2AD-Arsenal gehört selbstverständlich auch das beste Flugabwehrsystem der Welt, nämlich der S-400-Komplex. Und auf strategisch-nuklearer Ebene kann Russland aufgrund neuester militärtechnologischer Entwicklungen von den USA weder militärisch überwunden noch politisch erpresst werden, wovon natürlich auch China profitiert, dessen Nuklearbewaffnung einem Vergleich mit jener der USA oder Russlands in keiner Weise standhält, weder qualitativ noch quantitativ.
China und Russland rüsten sich gegen US-Sanktionen
Auch im Bereich der wirtschaftlichen, technologischen und finanziellen Sanktionen des Westens ergänzen sich China und Russland und werden gegen westliche Erpressungspolitik immer unempfindlicher. Diesbezüglich sind ihre Anstrengungen zur Schaffung finanztechnischer Unabhängigkeit von den westlichen Banken-, Finanzdienstleister- und Zahlungssystemen wie SWIFT, die von den USA direkt oder indirekt beherrscht werden, weiter fortgeschritten. Es häufen sich die Anzeichen, dass die Einführung des digitalen Yuan durch die chinesische Zentralbank für den internationalen Interbanken-Zahlungsverkehr nicht mehr allzu weit entfernt zu sein scheint. Parallel dazu hat Russland in Kooperation mit China und vielen anderen interessierten Ländern rund um die Welt ein SWIFT-ähnliches, eigenes internationales Überweisungssystem entwickelt, das schon bald an den Start gehen könnte.
Das russische SWIFT und der digitale Yuan würden es den beiden Ländern erlauben, auch einen großen Teil ihres Handels mit Drittländern in Zukunft ohne den US-Dollar abzuwickeln. Daran dürften außer ebenfalls von den USA sanktionierten Staaten wie dem Iran, Venezuela und Kuba noch viele anderen Länder weltweit interessiert sein, zumal in den USA die Gelddruckmaschine in immer schnellerem Tempo die Finanzmärkte der Welt mit Billionen aus dem Nichts gezauberter Dollar überschwemmt. Wenn in dieser Situation Russland und China ihre Währungen auch noch mit Gold garantieren würden, dann könnte das der Todesstoß für den US-Dollar als Weltreservewährung bedeuten und den Sturz des US-Hegemons enorm beschleunigen.
Aber egal, wie schnell nun der digitale Yuan oder das russische SWIFT eingeführt werden oder nicht, Chinas Sieg über die USA erscheint dennoch unaufhaltsam. Der Grund dafür liegt in China Wirtschafts- und Handelspolitik. Sie ist das Gegenteil der neoliberalen, westlichen Globalisierung, bei der sich der Gewinner bzw. der Stärkere alles nimmt. Vielmehr operiert China auf der Basis des gegenseitigen wirtschaftlichen Vorteils durch immer engere Verflechtungen mit seinen Nachbarn, aber auch mit dem fernen Ausland.
Die neue “Belt and Road Initiative (BRI)” (“Neue Seidenstraße”) stellt eine wichtige, aber nicht die einzige Säule dieser Strategie dar. Ein anderes Beispiel ist das jüngst unterzeichnete “Umfassende Abkommen über Investitionen” zwischen China und der Europäischen Union. Allerdings wurde dessen Ratifizierung jüngst durch das EU-Parlament von strammen EU-Transatlantikern vorerst auf Eis gelegt. Das, obwohl die EU-Kommission und vor allem die Industrie in wichtigen Mitgliedsländern wie Deutschland und Frankreich am Zustandekommen dieses Abkommens besonders interessiert waren. An dieser US-Hörigkeit bestimmter EU-Kreise wird zwar die Europäische Union nicht zerbrechen, aber ihren ohnehin brüchig gewordenen Zusammenhalt wird es auch nicht stärken.
In allen Teilen der Welt haben sich in den letzten Jahren Nationen, die früher voll unter der Aufsicht Washingtons gestanden hatten, zunehmend in Richtung China orientiert. Der ökonomischen Anziehungskraft des chinesischen Riesenmarktes mit 1,4 Milliarden Verbrauchern mit stetig steigender Kaufkraft kann sich kaum eine Nation entziehen, erst recht nicht, wenn man als Alternative eine zunehmend instabile, bis zum Hals verschuldete US-Gesellschaft hat, deren irreparabel polarisierte Mittelschicht verarmt und immer weniger Kaufkraft hat. Dieses Bild des gescheiterten Hegemons wird durch den sozialen Verfall und durch eine inkompetente und korrupte politische Führung nur noch verstärkt. Auch die Länder der Europäischen Union hat längst eine ähnliche Entwicklung erfasst.
Die Zeiten, in denen die Vereinigten Staaten die westliche Welt mit einer blühenden Wirtschaft und Kapitalexporten angeführt haben, sind längst vorbei. Hohl geworden sind auch die Versprechungen von Gleichheit und wirtschaftlichem Wohlstand, die einst für viele Menschen in der Dritten Welt ein Leuchtturm waren. Heute versucht Washington, seine hegemoniale Position nur noch mit Sanktionen, selbst gegen Verbündete, sowie Kriegsdrohungen und echten Kriegen aufrechtzuerhalten.
Viele asiatische, afrikanische und sogar einige lateinamerikanische Nationen haben sich bereits für China und die BRI-Initiative entschieden, egal wie stark sich die Herren in Washington aufgeplustert und dagegen geschimpft hatten. Selbst andere Nationen, darunter die meisten NATO-/EU-Länder, die sich bis heute nicht vom US-Vasallen-Status befreit haben und in denen der größte Teil der herrschenden Elite weiterhin glaubensfeste Atlantiker sind, ziehen es inzwischen vor, bei der US-Konfrontation mit China lieber Zaungast zu sein.
Mit anderen Worten, sie wollen nicht offen mit Washington brechen und geben nur Lippenbekenntnisse der Solidarität ab, während sie gleichzeitig versuchen, sich den Zugang zum größten und wachsenden Warenmarkt der Welt und zum zweitgrößten und expandierenden Finanzmarkt offenzuhalten.
Chinas Anziehungskraft auf den Rest der Welt liegt nicht nur in seiner immensen Rolle als führender Importeur begründet – von Rohstoffen bis hin zu Modeartikeln –, sondern China ist auch in der weltweiten Lieferkette das wichtigste Glied geworden, ohne das so manche Produktionslinie auch in Deutschland stillsteht. Das gilt nicht nur für Seltene Erden, sondern für Güter von Materialien für den pharmazeutischen Einsatz bis hin zu Hightech-Komponenten, zum Beispiel in Telekommunikations- und KI-Systemen.
Konflikt mit westlichen Firmen: China sitzt am längeren Hebel
Derzeit lernt Australien eine bittere Wirtschafts- und Handelslektion, weil es sich allzu eifrig in vorauseilendem Gehorsam im Südpazifik zu Washingtons Sprachrohr für die aggressive US-Politik und -Rhetorik gegen China gemacht hat. Solange das nur Rhetorik geblieben war, hatte China kaum reagiert. Nachdem aber Canberra begonnen hatte, hart gegen chinesische Investitionen in Australien vorzugehen, eskalierten die wirtschaftlichen Spannungen zwischen den beiden Ländern. Die Beziehungen verschlechterten sich weiter, nachdem Australien auf Geheiß der USA die bereits unterzeichneten Verträge mit den chinesischen Telekommunikationsunternehmen Huawei und ZTE über die chinesische 5G-Technologie gekündigt hatte.
Die Spannungen stiegen erneut, als Australiens Präsident im vergangenen Jahr Donald Trumps Idee aufgegriffen und Peking beschuldigt hatte, das Coronavirus absichtlich aus dem Wuhan-Forschungslabor freigesetzt zu haben, um damit den Westen zu zerstören. Deshalb forderte die Regierung in Canberra – im Einklang mit der Trump-Administration – eine vom Westen geführte internationale Untersuchung der Ursprünge des Ausbruchs des Coronavirus.
Als Reaktion auf all diese Provokationen hat China die Importzölle auf eine Vielzahl von australischen Waren verhängt. Betroffen sind ausgerechnet die Exporte, die die australische Wirtschaft besonders hart treffen, nämlich Rohstoffe aller Art, einschließlich der australischen Kohle, sowie landwirtschaftliche Güter wie Gerste, Wein, Rindfleisch, Meeresfrüchte, usw., für die sie eifrige Lieferanten in anderen Weltregionen gefunden haben. In vielen Branchen waren die australischen Exporte nach China komplett zum Erliegen gekommen, was im Land zu erheblicher Wut auf die US-hörige Regierung in Canberra geführt hat. Für Australien ist China schließlich einer der wichtigsten Exportmärkte.
Eine Reihe von großen US- und EU-Konzernen – wie der internationale schwedische Modehändler H&M – machen derzeit die gleichen Erfahrungen wie Australien. Es handelt sich um Großkonzerne, die fest auf dem chinesischen Markt etabliert sind, wo sie einen guten oder sogar den größten Teil ihrer globalen Gewinne erzielen. Kürzlich fühlten sich diese Firmen unter dem Druck der inländischen Medien und selbst ernannter Menschenrechtsaktivisten in ihren Heimatländern dazu gezwungen, sich der Kampagne der USA und der NATO gegen Beijing anzuschließen und auf ihren Webseiten die angeblich schlimme Behandlung der uigurisch-muslimischen Minderheit in Xinjiang anzuprangern.
Aber für diese Tugend-Signale mussten die Konzerne teuer bezahlen, wie weiter am Beispiel H&M dargelegt wird. Nicht nur folgte ein heftiger Shitstorm der chinesischen H&M-Kunden im Internet, sondern Jugendliche verbrannten öffentlich und vor laufenden Kameras ihre H&M-Klamotten in den Straßen und posteten die Videos in den sozialen Netzwerken. Chinesische E-Commerce-Plattformen ließen die H&M-Produkte fallen, chinesische Prominente hörten auf, ausländische Labels zu unterstützen, chinesische Internetunternehmen distanzierten sich vom schwedischen Einzelhändler, chinesische Apps haben H&M Inserate entfernt, usw.
Im chinesischen Internet sind sogar die Listen mit den Namen und Adressen von H&M-Verkaufsläden in chinesischen Städten von den Straßenkarten verschwunden. Da Google und Twitter in China nicht leicht verfügbar sind, wurden diese China-unfreundlichen Konzerne erfolgreich von den Plattformen der sozialen Medien gecancelt. Offensichtlich haben die Chinesen schnell und effektiv von Facebook, Twitter, YouTube und Co. gelernt.
Natürlich wird es nur eine Frage der Zeit sein, bis die westlichen Konzerne bereuen, dass sie sich zum Instrument der Psychologischen Kriegführung des Pentagon gegen China haben machen lassen, und sie werden entsprechende Korrekturen auf ihren Webseiten vornehmen. Entschuldigungen werden folgen. Das wäre nicht das erste Mal, denn schon 2018 hatte es eine ähnliche Entwicklung gegeben.