Joe Bidens Neuanfang: „Vorwärts in die Vergangenheit“
von Rainer Rupp
erschienen auf KenFM am 12. März 2021
Nach Bidens angeblichem Sieg über Donald Trump im vergangenen November, an dem viele zig-Millionen amerikanische Wähler immer noch zweifeln, hat die Demokratische Kamarilla in Washington die Losung für die kommenden vier Amtsjahre der senilen Präsidenten-Marionette als „Besser Wiederaufbauen“ herausgegeben.
Die neuen Herren in Washington sind jedoch von ihrem Sieg über Trump derart verblendet, dass es ihnen nicht in den Sinn kommt, dass Trump und seine Wahl zum Präsidenten 2016 lediglich ein Produkt, bzw. eine Widerspiegelung der profunden innen- und außenpolitischen Verwerfungen des US-Imperiums war. Wenn die Biden-Regierung nun vorwärts in die Vergangenheit stürmt, werden sich die Probleme, die sich bis dato angesammelt hatten, nur noch verstärken. Für eine weitere Verschärfung der sozialen Gegensätze spricht z.B., dass Biden bereits im Juli 2019 in einer Wahlveranstaltung seinen wohlhabenden Unterstützern versprochen (1) hatte, dass sich unter seiner Präsidentschaft für die Reichen nichts ändern werde. Einmalige Corona Trostpflaster von 1600 Dollar pro Familie können nicht verhindern, dass die desolate strukturelle Armut in den USA noch schlimmer und die Kluft zwischen Reich und Arm noch größer wird.
Auch außenpolitisch will die Bidens Kamarilla die Schäden, die Präsident Trump als Globalisierungsgegner den Interessen der Eliten der „Liberalen Weltordnung“ zugefügt hat, reparieren. Zugleich wurde die Rückkehr zum US-amerikanischen Exzeptionalismus verkündet. Das heißt, dass Washington für sich wieder den Anspruch erhebt, als Supermacht für das Gute weltweit für Demokratie zu kämpfen und für global unkontrollierte Märkte für die Ausbeutung durch US-Konzerne zu schaffen. Trump hatte diesen amerikanischen Exzeptionalismus wiederholt in aller Öffentlichkeit als dümmliche Selbstüberschätzung belächelt. Nun soll der in der US-amerikanischen Gesellschaft tief verwurzelte, quasi religiöse Glauben an dieses Selbstbild den Imperialisten in Washington wieder als Legitimation dienen, um die endlosen Kriege fortzuführen oder rund um die Welt neue zu entfachen.
Aber unabhängig vom subjektiven amerikanischen Wollen haben sich die objektiven Realitäten geändert. Denn für die Fortführung der weltweiten militärischen US-Abenteuer im Alleingang reicht heute die Kraft der US-Supermacht nicht mehr aus. Das hat viele Gründe, unter anderem, dass sich die weltweite Korrelation der Kräfte im letzten Jahrzehnt mit zunehmender Geschwindigkeit zu Ungunsten der USA entwickelt hat. Zweitens steht der amerikanische Koloss selbst auf immer morscheren ökonomischen, sozialen und gesellschaftlichen Krücken. Drittens ist unverkennbar, dass sich die Zentrifugalkräfte innerhalb der US-Bündnisse enorm verstärkt haben. Vor allem angesichts auseinanderdriftender gemeinsamer Interessen und der verstärkten Wahrnehmung der nationalen Prioritäten in vielen Mitgliedsstaaten der US-Bündnisse. Dabei werden die traditionellen Gruppen der herrschenden Klasse, die immer noch dem Geschäftsmodell der Liberalen Weltordnung anhängen, zunehmend zurückgedrängt.
All diese soeben aufgeführten, objektiven Entwicklungen versucht die neue Biden-Administration mit ihrem „Vorwärts-in-die-Vergangenheit“-Marsch zu stoppen und zurückzudrängen. Mit einem hochtrabenden Versprechen alles wieder „besser aufzubauen“ ist es nicht getan, wenn Objektiv die Ressourcen fehlen, wenn der gesellschaftliche Konsens dafür nicht hergestellt werden kann, oder wenn die Bündnispartner keine höheren Lasten übernehmen können oder wollen, weil ihnen die Politik des Großen Bruders zu gefährlich wird.
Rund um die Welt hatten viele Menschen hohe Erwartungen in die neue Biden-Administration gesetzt und auf eine Neubewertung der Kosten und Nutzen des globalen Engagements der USA gehofft. Aber die Fraktion der Anhänger der Liberalen Weltordnung hat sich in Washington durchgesetzt und ihren Gesinnungsgenossen in Europa, die unter Trump auf verlorenem Posten kämpften, neues Leben eingehaucht. An den trostlosen Realitäten sowohl in den USA als auch in Europa hat die Wahl Bidens und die Entwicklung seither nichts geändert. Daher klaffen in Washington heute Anspruch und Wirklichkeit, politisches Wollen und Können weiter auseinander denn je. Verbunden mit arroganter US-Selbstüberschätzung und Wild-West-Abenteurertum der Kriegsfalken kann das zu hochgefährlichen Konfrontationen in einer Reihe von schwelenden Konfliktherden auf vier Kontinenten führen.
Nicht wenige Menschen weltweit haben in ihrer Naivität daran geglaubt, dass Biden und seine Clique aus neoliberalen Falken sich neu erfinden würden, wenn sie erstmal im Oval Office sind. Dann würden sie einen Reset-Knopf drücken und eine andere, eine friedliche Außenpolitik verfolgen. Da ist der Glauben an den Osterhasen realistischer.
Schließlich ist es derselbe Joe Biden, der sich als Senator für die US-Angriffskriege gegen Grenada und Panama in den 1980er Jahren, auf dem Balkan in den 1990er Jahren und gegen Afghanistan im Jahr 2001 aussprach. Allerdings hatte er sich 1991 dem damaligen Angriffskrieg von George Bush Senior gegen den Irak widersetzt, nur um etwas später diesen Schritt öffentlich zu bedauern. Dafür unterstützte er umso stärker den verheerenden Golfkrieg 2003 gegen den Irak. Ebenso setzte er sich für Obamas Bombardierung Libyens 2011 und zuletzt Syriens im August 2014 als Obamas Vizepräsident nachdrücklich ein.
Bidens Außenminister Blinken
Joe Biden war schon immer ein in der Wolle gefärbter, neo-liberaler Kriegstreiber, ebenso wie sein von den deutschen Herrschaftseliten hochgeschätzter, neuer Außenminister Tony Blinken, der alle Schweinereien von Obama und Biden mitgemacht hat. Unter Obama war Blinken stellvertretender Außenminister für Europa und enger Berater von Biden. In der politischen Leerzeit während der Trump-Regierung gründete Blinken im Jahr 2017 zusammen mit Partnern die geheimnistuerische (2) Beraterfirma „WestExec Advisors“, die mit diversen US- und israelischen Rüstungsunternehmen zusammenarbeitete und so von Verhandlungen und Verträgen mit dem Pentagon profitierte. Nachdem Blinken jüngst seine Ernennung als Außenminister angenommen hatte, bekam er von seiner WestExec-Firma fast 1,2 Millionen US-Dollar (3) als Abschiedsgeschenk.
Victoria Fuck-the-EU Nuland auch wieder dabei
Entlang dieser politischen Linie nominierte Biden kürzlich auch Frau Victoria Fuck-the-EU Nuland zur Unterstaatssekretärin für politische Angelegenheiten, womit sie faktisch die dritthöchste US-Diplomatin geworden ist. Nuland hat 2014 beim „Maidan-Putsch“ in der Ukraine eine besonders perfide Rolle gespielt, als sie dort nicht nur Plätzchen an die Neofaschisten verteilte, sondern ihnen auch half, in Kiew an die Macht zu kommen.
Folter-Versteherin als oberste Geheimdienstchefin
Avril Haines, in der Zeit von Trump eine Direktorin von Blinkens WestExec-Firma, ist zu Bidens Director of National Intelligence aufgestiegen. Als Rechtsberaterin Obamas und des US-Außenministeriums und später als stellvertretende CIA-Direktorin und stellvertretende Nationale Sicherheitsberaterin, lieferte sie Obama ein juristisches Feigenblatt über die Ausweitung der mörderischen Drohnenangriffe, bei denen oft viele Zivilisten getötet wurden, und z.B. bei Hochzeiten, die zu Beerdigungen wurden.
Avril Haines unterstützte auch die umstrittene Nominierung der Waterboarding-Befürworterin Gina Haspel als Direktorin der CIA unter Präsident Trump, obwohl Haspel für die Überwachung des Folterprogramms der CIA direkt verantwortlich war. Darüber hinaus schützte Haines mit dem von ihr geschaffenen “Accountability Board“ (Verantwortungs-Ausschuss) die CIA-Mitarbeiter davor, sich für ihren Einsatz von Folter verantworten zu müssen. Orwells 1984 lässt grüßen. Haines und ihr Team redigierten die Berichte des Ausschusses entsprechend.
In ihrer früheren Position bei der CIA war Haines auch dafür verantwortlich, dass die kriminellen Geheimdienstbeamten nicht bestraft wurden, die sich in die Computer von Senatsmitarbeitern gehackt hatten, um deren Recherchen zum Folterprogramm der CIA zu löschen.
Jetzt ist Haines Bidens oberste Chefin der 17 US-Geheimdienste (Director of National Intelligence). In dieser Position hat sie einen offiziellen Sitz am Kabinettstisch und ist somit an allen Regierungsentscheidungen beteiligt. Kann man bei einer Vorgeschichte wie der von Haines von der neuen, obersten Geheimdienstchefin erwarten, „dass sie den Machtmissbrauch der amerikanischen Geheimdienste zügeln wird?“, fragte The Guardian (4) Ende November 2020.
Globaler Krieger als „Verteidigungsminister“
Der pensionierte Armeegeneral Lloyd Austin ist Bidens „Verteidigungsminister“. Der afro-Amerikaner diente als Kommandeur des United States Central Command (CENTCOM) und war stellvertretender Stabschef der United States Army und letzter kommandierender General der US-Streitkräfte im Irak. Vor seiner Ernennung zum Minister war er Leiter der Berater-Firma „Austin Strategy Group“ und hatte lukrative Posten im Vorstand einer Reihe von US-Konzernen, vor allem Rüstungskonzernen wie Raytheon Technologies, Nucor Steel und United Technologies.
Er ist ein globaler Krieger des US-Imperiums, verantwortlich für die US-Angriffskriege in Afghanistan, Syrien und im Irak. Nun wird er als Minister mit der Aufgabe betraut, weitere US-Aggressionskriege im Dienst der US-Konzerne zu planen.
Die Art, wie er den US-Angriffskrieg gegen Irak beschrieben hat (5), sagt eigentlich alles über den Ex-General aus: “Was unsere Truppen im Irak im Laufe von fast neun Jahren erreicht haben, ist wirklich bemerkenswert. Sie gaben dem irakischen Volk seine Freiheit.”
Laut der „Internationalen Juristenkommission“ (ICJ) in Genf (6) geschah die Invasion des Irak weder in Notwehr noch war sie vom UN-Sicherheitsrat sanktioniert und deshalb stellt sie das größte aller Verbrechen dar, nämlich das Verbrechen des Angriffskrieges. Deshalb gehört General Austin vor ein Kriegsverbrechergericht und nicht in einen Ministersessel.
Das hier ist nur die Spitze des Eisbergs von Bidens Politik, das was angeblich von Trump zerstört wurde, „besser wiederaufzubauen“. Aber danach sieht das nicht aus. Es ist der alte Wein, und auch die Schläuche sind nicht neu. Tatsächlich kann Joe Bidens Politik am besten mit: „Vorwärts in die Vergangenheit“ charakterisiert werden.
Quellen: