Kreative Zweideutigkeit

Kreative Zweideutigkeit

von Rainer Rupp

erschienen am 16.12.1999 in der Jungen Welt

Abstimmung über Irak-Sanktionen im Sicherheitsrat auf unbestimmte Zeit verschoben

Am Dienstag wurde im UN-Sicherheitsrat in New York die Abstimmung über die Schaffung einer neuen Rüstungskontrollkommission für den Irak (UNMOVIC) erneut vertagt, diesmal auf Antrag Frankreichs und auf unbestimmte Zeit. Bereits am Montag war die Abstimmung auf Antrag Großbritanniens um einen Tag verschoben worden, weil London und Washington ein Veto Rußlands und Chinas befürchtet hatten. Nach Auskunft von UNO-Diplomaten benötigt nun Frankreich mehr Zeit, um seine Position zu bestimmen.

Von Vertretern Frankreichs bei der UNO war zu hören, daß Paris erst die nächste Zusammenkunft der G 8, der Gruppe der sieben am weitesten entwickelten Industrienationen plus Rußland, am Donnerstag in Berlin abwarten will. Bei diesem Treffen, so hofft man an der Seine, könnte Rußland womöglich doch noch auf eine Kompromißformel für die noch zu schaffende UNMOVIC umgestimmt werden. Mit diesem taktischen Schachzug verstecken sich die Franzosen hinter den Russen. Auch Paris ist kein Freund des anglo-amerikanischen Resolutionsentwurfes, der mit neuen Tricks die Einheit im Sicherheitsrat für die Irak-Sanktionen vor weiterem Abbröckeln bewahren und zugleich Bagdad doch noch in die Knie zwingen soll.

Der französische UNO-Botschafter, Alain Dejammet, erklärte, daß auch sein Land mehr »Klarheit« über die Kriterien haben möchte, die zur Aufhebung der Sanktionen führen sollen. Anglo-amerikanische UNO- Diplomaten hatten sich zuvor noch wegen der »kreativen Zweideutigkeit« ihres Resolutionsentwurfes selbst gepriesen. Er würde ihnen auch weiterhin die Möglichkeit geben, trotz aller anderslautenden Absichtserklärungen die Aufhebung der Sanktionen ohne Gesichtsverlust zu blockieren. »Wir haben nichts gegen konstruktive Zweideutigkeit, aber das ist destruktive Zweideutigkeit«, sagte dazu ein französischer UNO- Diplomat dem US-Nachrichtensender ABC.

Alles dreht sich um ein scheinbar harmloses Wortspiel, wonach der Irak während einer Testperiode von 120 Tagen mit der neuen UNO-Rüstungskontrollkommission bei der Zerstörung von Massenvernichtungswaffen »in jeder Hinsicht« zusammenarbeiten muß. Ursprünglich war vom Irak »vollkommene Kooperation« verlangt worden, während die Russen schon mit einer weniger als hundertprozentigen Kooperation zufrieden wären, um so den USA weniger Spielraum für ihre Obstruktionspolitik zu lassen. Sicherlich zur großen Enttäuschung Bagdads hatte der russische UNO-Botschafter Gennadi Gatilow noch bevor die Abstimmung vertagt wurde, gegenüber Reportern erklärt, daß sein Land beabsichtige, sich der Stimme zu enthalten. Zu viele Details seien zu vage formuliert. So sei nicht einmal klar, welche Sanktionen genau wegfallen und welche finanzielle Kontrollen der Exporterlöse des Irak bleiben würden.