Londons gefährlicher Konfrontationskurs

Londons gefährlicher Konfrontationskurs

von Rainer Rupp

erschienen am 15.Februar 2019 via KenFM

Wenn man die Erklärungen des britischen „Verteidigungsministers“ Gavin Williamson zu Russland und China oder zur Rolle Großbritanniens in der Welt hört, dann fühlt man sich in die berühmte Kindergeschichte von „Alice im Wunderland“ versetzt. Denn sobald die kleine Alice durch den Spiegel in die Märchenwelt steigt, läuft alles seitenverkehrt ab, rechts ist links und oben ist unten. So muss es auch im Kopf von Williamson zugehen.

Denn den Russen und Chinesen wirft der britische „Verteidigungsminister“ vor, sie würden rund um die Welt die internationale Ordnung und die Völkerrechtsnormen verletzen. Die Erklärungen Williamsons sind absolut absurd. „Alice im Wunderland“ im Reinformat. Sein Verhalten lässt vermuten, dass man bei der für Politiker vorgeschriebenen Hirnoperation neben dem Gewissen bei ihm auch versehentlich das Gedächtnis entfernt hat. Denn in den vergangenen zwei Jahrzehnten hat Großbritannien die schwersten nur denkbaren Völkerrechtsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit in Angriffskriegen gegen Jugoslawien, den Irak, Libyen und Syrien begangen. Russland und China kann man so etwas nicht vorwerfen, auch nicht mit „alternativen Tatsachenbehauptungen“.

Seit seiner unerwarteten Ernennung zum „Verteidigungs“minister Ihrer Britischen Majestät hat sich der absolute militärische und sicherheitspolitische Laie Williamson von Monat zu Monat stärker in eine Kalte Krieg-Hysterie gesteigert, vor allem gegen Russland aber auch gegen China. So verstieg er sich z.B. Anfang Juni letzten Jahres zu der Behauptung, dass Russland für Großbritannien „eine echte Bedrohung“ darstelle. Das ist kein Witz! Laut Williamson untersuche Russland nämlich die Trassenführung der Energiekabel und Pipelines zwischen dem Vereinigten Königreich und der EU.

Eindringlich warnte Williamson daher vor russischen Sabotageakten, die durch Cyberangriffe, Raketen oder Unterwasseraktivitäten erfolgen könnten. Nur um dann die rhetorische Frage zu stellen: „Warum sonst fotografieren sie (die Russen) alles und beobachten die Kraftwerke, warum schauen sie sich die Verbindungsleitungen an, die so viel Strom und so viel Energie in unser Land bringen?“ Natürlich blieb er auch diesmal jeden Beweis oder Indiz für seine Behauptung schuldig.

In der post-faktischen Zeit, in der wir leben, genügt einfach eine gegen Russland oder China gerichtete Behauptung, um von Main Stream Medien als unumstößliche Wahrheit akzeptiert zu werden. Dennoch sollte man sich fragen, weshalb die Russen sich die Mühe machen sollten, in Großbritannien „alles zu fotografieren …und Kraftwerke zu beobachten“ , wenn sie detaillierte Karten, Luftbilder, GPS-Angaben und detaillierte Fotos der entsprechenden Anlagen im Internet finden können.

Anfang dieser Woche hat Williamson zu einem neuen Rundumschlag ausgeholt, denn die Grenzen zwischen Frieden und Krieg sind für ihn inzwischen „verschwommen“. Demnach will er nach dem Brexit die britische „globale Präsenz“ ausbauen, die tödliche Kampfkraft der britischen Armee verstärken und gegenüber Russland auf Härte setzen. Denn Russland soll für „seine Provokationen bezahlen“. Aber benennen wollte er die angeblichen russischen Provokationen nicht. Wieder einmal ist es nur eine Behauptung, die jedoch Mantra artig wiederholt wird, wie Williamsons Aufforderung an die anderen Nato-Länder, ihre Verteidigungsausgaben zu erhöhen, um den „russischen Provokationen“ besser zu widerstehen.

Erklärungen dieser Art sind natürlich äußerst aggressiv. Vor allem zu einem Zeitpunkt, wo die USA und Russland aus dem INF-Vertrag aussteigen, sind sie auch hoch gefährlich. Das aber scheint Williamson nicht in den Sinn zu kommen. Vielmehr scheint er es darauf anzulegen die Schraube der britischen Provokationen, sei es gegen die Russen im Baltikum und in der Ukraine oder gegen China im Südchinesischen Meer immer noch ein Stück weiter anzuziehen.

So hat er z.B. erst vor wenigen Monaten in der Ukraine gesagt, dass Großbritannien bereit sei, Seite an Seite mit Kiew gegen Russland zu kämpfen. Damit gießt Williamson Wasser auf die Mühlen der faschistischen Kampfgruppen, die im Osten der Ukraine von blindem Hass auf alles Russische getrieben einen schmutzigen Krieg gegen die dortige Zivilbevölkerung führen. Man sollte erwarten, dass es wenigsten im Umfeld des britischen „Verteidigungs“ministers Berater gibt, die Williamson in seinem brandgefährlichen Größenwahn bremsen würden. Aber weit gefehlt.

Bei den bereits oben erwähnten, atemberaubenden Vorwürfen über die angeblich aktive russische Gefahr durch Sabotageabsichten gegen die britische Infrastruktur bekam Williamson z.B. Schützenhilfe von führenden Leuten aus dem sicherheitspolitischen Establishment. Laut BBC (1) fand er u.a. Unterstützung vom ehemaligen First Sea Lord [der zivile Chef der Royal Navy] und vom Sicherheitsminister Lord West. Letzterer sagte z.B. dass er „absolut sicher“ sei, dass Russland „nach Wegen sucht, die kritische Infrastruktur Großbritanniens lahm zu legen.“ Und der Chef des National Cyber Security Center, Ciaran Martin, verstieg sich sogar zu der Behauptung (2), dass Russland im vergangenen Jahr bereits Angriffe auf die britischen Medien-, Telekommunikations- und Energiesektoren in Großbritannien durchgeführt habe. Wie bereits gewohnt, Beweise oder wenigsten eine Indizienkette als Nachweis fehlten.

Es ist in der Tat ein Rätsel, wie ein ehemaliger Manager einer Keramik- und Fliesenfabrik, nur sechs Jahre, nachdem er 2010 Abgeordneter geworden war, nun die britische Kriegspolitik verantwortet. Aber gerade weil Williamson null Ahnung von der Materie hat, haben seine Berater, die eng mit den US-amerikanischen Neo-Konservativen und anderen Kriegstreibern in Washington verbandelt ist, leichtes Spiel mit dem britischen „Verteidigungsminister“. Der hatte dann auch kurz vor Weihnachten letzten Jahres gegenüber Bloomberg News erklärt (3), dass Großbritannien dringend wieder zur Strategie des Kalten Krieges zur Bekämpfung Russlands zurückkehren müsse und, dass die Streitkräfte kriegsbereit sein müssten.

Wörtlich sagte der Wirrkopf: „Als Reaktion auf die derzeitige russische Aggression“ werde er „Kriegsschiffe, U-Boote und Marineinfanterie in die norwegische Arktis schicken.“ Eine Erklärung, um welche russische Aggression in der Arktis es sich handelt, ist er natürlich wieder schuldig geblieben.

Das Verhalten des britischen Verteidigungsministeriums ist nicht nur aggressiv sondern auch gefährlich provokativ. Anders kann die jüngste Entsendung des einzigen britischen Flugzeugträgers ins Südchinesische Meer nicht beschrieben werden. Der Träger soll dort in den von China reklamierten territorialen Gewässern die britische Flagge zeigen und die Chinesen in Rage bringen. Wie Peking in Zukunft mit solchen US/Britischen Provokationen umgehen soll, hat jüngst ein chinesischer Admiral erklärt. Als einzigen Weg, um derartige Provokationen zu stoppen, schlägt er vor, einen oder zwei von den US-Flugzeugträgern zu versenken. Die dazugehörigen Raketen besitzt China und sie wurden vor wenigen Wochen auch gefechtsbereit gemacht.

Wenn die Chinesen klug sind, und es gibt keinen Grund daran zu zweifeln, müsste Peking nach der Versenkung des britischen Flugzeugträgers mit weitaus weniger militärischen Gegenmaßnahmen rechnen, als das bei der Vernichtung eines amerikanischen Trägers der Fall wäre. Denn wenn sich London in einen Krieg gegen China (und das gilt auch für einen bewaffneten Konflikt mit Russland) hineinmanövriert, werden die USA nicht den großen Krieg wagen, nur um die Briten zu rächen oder ihnen zur Seite zu springen. Großbritannien wird allein dastehen und müsste nicht nur aus dem südchinesischen Meer fliehen sondern sich mit eingezogenem Schwanz aus weiteren, an China angrenzenden Seegebieten zurückziehen. Hat das niemand dem britischen Fliesenhändler gesagt?

Auch der türkische Präsident Erdogan hatte geglaubt, als seine Luftwaffe das russische Flugzeug abgeschossen hatte, dass die Nato ihn unterstützen würde. Er hatte sich getäuscht und hat die Konsequenzen daraus gezogen und wieder gute Beziehungen zu Russland aufgebaut. Auch die Ukraine hatte den falschen Signalen aus Großbritannien und den USA vertraut und gedacht, es könnte nach der Provokation in der Straße von Kertsch mit westlicher Unterstützung rechnen. Auch dazu ist es nicht gekommen. Großbritannien wird sich im südchinesischen Meer in derselben Lage befinden und gegen die Chinesen im Ernstfall auf sich allein gestellt sein. Es gibt sicherlich auch hierzulande nicht wenige Leute, die sich mehr als klammheimlich freuen würden, wenn der perfide britische Albion endlich für seine imperialistischen Verbrechen in Jugoslawien, Irak, Libyen und Syrien bezahlen müsste.

Quellen:

  1. https://www.bbc.com/news/uk-42828218

  2. https://www.bbc.com/news/technology-41997262

  3. https://www.bbc.com/news/technology-41997262