Mahathir, die Opposition und die USA
von Rainer Rupp
erschienen am 26.11.1998 in der Jungen Welt
Malaysias antiliberale Wirtschaftspolitik verärgert Washington
Die diplomatischen Floskeln zum Abschluß des APEC- Gipfeltreffens letzte Woche in Kuala Lumpur, der Hauptstadt Malaysias, können nicht über dessen Mißerfolg hinwegtäuschen. Hochgesteckte Hoffnungen zur Überwindung der schwersten Finanzkrise Asiens verflüchtigten sich schnell. Zu deutlich traten die unterschiedlichen Interessen der 21 Teilnehmerstaaten zutage. Und im Gastgeberland Malaysia haben die Amerikaner sogar einiges politisches Porzellan zerschlagen.
Clintons Vize Al Gore sorgte hauptsächlich dadurch für Schlagzeilen, daß er sich recht penetrant in die inneren Angelegenheiten Malaysias einmischte. In einer Rede vor Geschäftsleuten und Regierungsvertretern am Rande der APEC-Tagung lobte er die »tapferen Leute« der »Reformasi- Bewegung«, der malaysischen Opposition, die den gastgebenden Präsidenten Mahathir stürzen will, und sicherte spezielle Unterstützung zu. Im Grunde genommen hat Al Gore nichts anderes getan, als Mahathir in seiner wichtigsten These zu bestätigen. Seit Jahren warnt der seine Landleute vor dem Neokolonialismus der großen Finanzmächte und deren Globalisierungskonzepten. Er war auch der erste, der sich den fehlgeleiteten Rezepturen des Internationalen Währungsfonds zur Überwindung der Krise widersetzte und Anfang September ’98 für Malaysia wieder strikte Kapitalkontrollen einführte. Vorläufig mit beachtlichem Erfolg, was die Kassandrarufe der neoliberalen Ideologen, hauptsächlich aus den USA, wirkungslos verpuffen ließ.
Trotzdem kam es in Malaysia zu innenpolitischen Spannungen. Die neue Mittelschicht, die vom Neoliberalismus profitiert hatte, scharte sich um Vizepräsident Anwar und wollte Mahathir stürzen. Letzterer erwies sich jedoch als stärker, und Vize Anwar landete wegen angeblicher Korruption und sexueller Vergehen im Gefängnis. Seither dauern die Demonstrationen der in der »Reformasi-Bewegung« recht gut organisierten Mittelschicht für die Befreiung Anwars und den Rücktritt Mahathirs an.
Mahathir bemühte sich bei möglichst vielen APEC-Staaten um Unterstützung für seine radikale Abkehr vom freien Kapitalmarkt und dem neoliberalen Glaubensbekenntnis. Wie nicht anders zu erwarten, stieß er dabei auf den knallharten Widerstand der Amerikaner, die ungeachtet der anhaltenden verheerenden wirtschaftlichen und humanitären Kosten der Krise versuchten, die Mitglieder auf die Prinzipien der freien Märkte festzulegen. Die Tagung präsentierte sich gespalten.
Unterstützung erhielt Malaysia durch China, das – ganz wie in früheren Zeiten – sich als Anwalt der Entwicklungsländer darzustellen versuchte. Präsident Jiang Zemin machte hauptsächlich die »großen Mächte mit Einfluß auf die internationalen Finanzmärkte für die mangelnde Überwachung und Regulierung zur Eindämmung der Überspekulation mit heißem Geld« verantwortlich. Er forderte eine Reihe von Maßnahmen zur internationalen Finanzkontrolle und Hilfe für die betroffenen Länder, was wiederum vor allem von den USA und Japan abgelehnt wurde.
Malaysia dürfte eine Schlüsselrolle für die weitere Entwicklung in Asien zukommen. Die tiefen Einbrücke in Industrie und Handel und die hohen sozialen Kosten, wie z. B. in den Nachbarländern Thailand und Indonesien, blieben Malaysia erspart. Falls es nicht doch noch zu einem Rückschlag kommt, könnte das malaysische Modell zum Leidwesen der US-Globalisierer der Finanzmärkte Schule machen.