»Mehr Gerücht als Tatsache«

»Mehr Gerücht als Tatsache«

von Rainer Rupp

erschienen am 24.09.1999 in der Jungen Welt

UN-Vertreter verbreitet Mär von stiller serbischer Invasion im Kosovo

Die Einführung der D-Mark im Kosovo als offizielles Zahlungsmittel war der erste rechtswidrige Tiefschlag des UNO-Stellvertreters im Kosovo, Bernard Kouchner, gegen die jugoslawische Souveränität über die Provinz. Nun bereitet der ehemalige französische Minister und Holbrooke-Freund Kouchner einen neuen Anschlag vor. Unterstützt wird Kouchner dabei von zwielichtigen geheimdienstlichen Aktivitäten von mindestens einer großen NATO-Macht. Die Indizien weisen auf die USA und Deutschland.

Aus offensichtlich vorgeschobenen »Sicherheitsgründen« will Bernard Kouchner die innerjugoslawische Grenze zwischen Serbien und Kosovo von NATO-Truppen kontrollieren lassen und zugleich den Zugang von Serbien aus in das Grenzgebiet von Kosovska Mitrovica beschränken (Washington Post vom 22. 9. 1999). Zur Rechtfertigung seiner Absicht, die dem Ziel der UCK (AP-Foto: UCK-Leute am Mittwoch), nämlich der endgültigen Abtrennung des Kosovo von Serbien, einen Riesenschritt entgegenkommt, beruft sich der alles andere als neutrale UNO-Vertreter Kouchner auf Berichte und Warnungen eines nicht näher bezeichneten NATO-Geheimdienstes. Diesen Berichten zufolge sollen Mitglieder besonders geschulter jugoslawischer Sicherheitskräfte in das Kosovo einsickern, nicht nur, um dort NATO-Einheiten auszuspähen, sondern auch, um erneute Gewalttätigkeiten zu provozieren. Etliche Offiziere der NATO – so heißt es in der Washington Post – hätten ihre Truppen bereits in erhöhten Alarmzustand versetzt, besonders in Kosovska Mitrovica, wo die Lage zwischen Serben und Albanern durch die Gewalttaten der letzteren seit Wochen besonders gespannt ist.

NATO-Vertreter hätten UNO-Beamte, westliche Diplomaten und Führer der Kosovo-Albaner vor der »erhöhten Gefahr« für ihre Sicherheit gewarnt. Mit dem Ergebnis, daß etliche der so Angesprochenen zusätzliche Leibwächter angestellt haben, daß sie Reisen bei Nacht vermeiden und auch sonst auf Alleingänge verzichten. »Es gibt eine Konvergenz der Warnungen«, zitierte die Washington Post einen nicht namentlich benannten ranghohen UNO-Beamten. Er fügte hinzu, daß die NATO die Bedrohung ihrer Sicherheit ernster nehmen müßte.

Insbesondere forderte der besagte Beamte, daß die NATO die Nordgrenze des Kosovo zu Serbien polizeilich überwachen müßte, um den Zufluß »zu vieler junger Leute« zu verhindern, »die keine familiären Verbindungen zu Kosovo haben«.

Etliche NATO-Vertreter teilten jedoch diese Befürchtungen nicht. Es gäbe »keinerlei Beweise für spezifische Pläne der jugoslawischen Armee, irgendwelche Störungen im Kosovo zu verursachen, das eine Provinz von Serbien bleibt«, heißt es in der Washington Post. Ein NATO- Offizier, zu dessen Aufgaben die nachrichtendienstliche Überwachung der serbischen Aktivitäten im Kosovo gehört, beschrieb die besagten Geheimberichte über angebliche serbische Agenten im Kosovo mit »mehr Gerücht als Tatsache«. Trotzdem hat Bernard Kouchner den Entwurf einer Verordnung vorbereitet, die den Zugang der Serben insbesondere nach Kosovska Mitrovica einschränken würde. Nur noch diejenigen, die eine bereits länger bestehende Beziehung zur Stadt nachweisen können, dürften dann noch dorthin reisen.

»Eine Menge von Leuten kommt aus Serbien«, meinte Bernard Kouchner Anfang der Woche gegenüber der Presse, »einige der Vorfälle sind organisiert worden, nicht nur die in Mitrovica«. Der Mann aber, der über eine solche gefährliche Entwicklung im Kosovo am besten Bescheid wissen müßte, General Michael Jackson, der britische KFOR-Kommandant, erklärte: »Es gibt keinerlei Beweise dafür, daß Mitglieder von offiziellen oder staatlichen (serbischen) Institutionen an den Vorfällen beteiligt sind.«