Merkel inszeniert Wirbel um Rainer Rupp

Merkel inszeniert Wirbel um Rainer Rupp

von Rainer Rupp

erschienen am 30.12.1998 in der Jungen Welt

Nach seiner Entlassung will Ex-DDR-Kundschafter für PDS arbeiten

Die PDS-Bundestagsfraktion will den inhaftierten DDR- Topkundschafter Rainer Rupp alias »Topas« als wissenschaftlichen Mitarbeiter beschäftigen. Der aus Westdeutschland stammende Wirtschaftsanalytiker und jW- Autor, der jüngst in den offenen Vollzug entlassen wurde, »möchte als Außen- und Sicherheitsexperte für uns arbeiten, und wir sind auch dafür«, sagte PDS-Sprecher Hanno Harnisch am Dienstag in Berlin. »Topas« hatte der DDR als Friedensaktivist in geheimer Mission und überzeugter Gegner der aggressiven NATO-Politik von 1977 bis 1989 hochbrisante Informationen aus dem Brüsseler NATO- Hauptquartier zugespielt und sitzt seit November 1994 im Gefängnis. Für eine Begnadigung Rupps hatte sich jüngst auch der Schriftsteller Martin Walser in seiner Friedensbuchpreisrede eingesetzt. Der Schriftsteller begrüßte es nun, daß Rupp seine Strafe im offenen Vollzug verbüßen dürfe.

Das Vorhaben der PDS, Rainer Rupp zu beschäftigen, löste in der CDU wütende Reaktionen aus. Nach dem Amnestievorschlag von PDS-Chef Lothar Bisky sei das Angebot an »Topas« ein weiterer Beleg dafür, daß die »SED- Nachfolgepartei« die Aufarbeitung der DDR-Geschichte beenden wolle, erklärte CDU-Generalsekretärin Angela Merkel in Bonn. Der Versuch, die NATO und Organe des SED-Regimes gleichzusetzen, sei »unverantwortliche Geschichtsklitterung«.

»Es geht Frau Merkel einen Schnurz an, wen die PDS für sich arbeiten läßt«, konterte Harnisch. Die PDS »war immer der Meinung, wer die Spione der einen Seite mit dem Bundesverdienstkreuz behängt, die der anderen Seite aber in den Knast steckt, hat die Aufgabe der deutschen Einheit nicht verstanden«.

(AP/jW)

erschienen am 01.10.1998 in der Jungen Welt

Wird Rainer Rupp für die PDS arbeiten?

jW fragte Hanno Harnisch, Sprecher des Bundesvorstandes der PDS

F: CDU-Generalsekretärin Angela Merkel reagierte am Dienstag auf das Beschäftigungsangebot der PDS- Bundestagsfraktion an den 1994 zu zwölf Jahren Haft verurteilten und in Saarbrücken inhaftierten früheren DDR-Kundschafter Klaus-Rainer Rupp mit den Worten, es handele sich um einen weiteren Beleg dafür, »daß es für die PDS keine Aufarbeitung der Geschichte des DDR-Unrechtsregimes« geben würde. Was halten Sie davon?

Es geht Frau Merkel einen Schnurz an, wen die PDS für sich arbeiten läßt. Ich meine, Frau Merkel sollte sich um ihre angeschlagene CDU kümmern. Ihre Parteigänger haben sich ziemlich schludrig um diesen Einigungsvertrag gekümmert, der es erst möglich gemacht hat, daß die Spione der einen Seite mit Orden behängt werden, die Spione der anderen Seite, wie Rainer Rupp als ein augenfälliges Beispiel, für Jahre in Justizanstalten weggeschlossen werden. Das ist das Unding, und nicht, daß Rainer Rupp Freigänger wird – was im übrigen nicht die PDS zu verantworten hat, sondern vernünftige Justizlandesangestellte. Daß Rupp für die PDS arbeiten wird, das geht Frau Merkel nichts, aber auch gar nichts an.

So lange Herrn Rupp nicht die Reststrafe erlassen wird, wird er Freigänger sein. Er wird für die Fraktion der PDS insbesondere auf dem Gebiet der Friedens- und Abrüstungspolitik arbeiten, auf dem die PDS nach wie vor erkennbar die Partei ist, die ihr Fähnlein nicht nach dem Winde gedreht hat. Herr Rupp wird seine analytische Kraft in den Dienst dieser Fraktion einbringen.

F: Gregor Gysi und Lothar Bisky weisen derzeit darauf hin, daß die PDS nach wie vor an der Forderung einer Amnestie für DDR-Hoheitsträger festhalte. Reiht sich das jetzt bekanntgewordene Beschäftigungsangebot an Rupp in die Logik dieser Amnestievorschläge ein?

Die Behandlung der einstigen DDR-Spione ist ein besonderes Kapitel in den Verfehlungen des Einigungsvertrages. Wenn man über gesellschaftliche Diskussionen neun Jahre nach der deutschen Vereinigung spricht, reiht es sich natürlich ein. Man muß allerdings deutlich benennen, daß die Behandlung der einstigen DDR- Spione zum Himmel schreit. Wolfgang Schäuble hat sich seinerzeit mit seinen Amnestievorschlägen nicht durchsetzen können. Seine jetzige Generalsekretärin desavouiert eher ihren jetzigen Parteivorsitzenden mit ihrem Gezeter über die Anstellung von Rainer Rupp, der nie in eine Justizvollzugsanstalt und nie verurteilt gehört hätte.

F: Können Sie der als Wendepolitikerin bekanntgewordenen Frau Merkel versichern, daß es ganz gewiß nicht so sein wird, daß es für die PDS die weitere »Aufarbeitung der Geschichte des DDR- Unrechtsregimes« nicht geben wird?

Ich möchte Frau Merkel gar nichts versichern. Wir versichern, daß unsere Politik nach wie vor berechenbar und kalkulierbar bleibt.

F: Daß Rainer Rupp nun in den Offenen Vollzug gelangt, dürfte nicht unwesentlich Folge der Friedenspreisrede Martin Walsers sein, der die Freilassung des einstigen Kundschafters gefordert hatte. Auf Walsers Rede folgte eine Diskussion, in der der Schriftsteller jedoch nicht dafür angegriffen wurde, die Freilassung Rupps gefordert zu haben. Wie interpretieren Sie es, daß nun das Gebelle einsetzt?

Martin Walser hat vom Bundespräsidenten einen Gnadenakt gefordert. Das Phänomen ist, daß die öffentliche Debatte ziemlich linear ausgerichtet ist: Kontroverse Walser- Bubis; alle diskutieren, wie Walser gerade Bubis jagt oder umgekehrt, während Walsers Worte zu Rupp fast völlig untergingen. Der Bundespräsident hat die Anregung Walsers nicht aufgegriffen. Das Ziel, die Freilassung von Rainer Rupp, ist nur partiell erreicht. Es gibt nach wie vor die Bitte, die Reststrafe zu erlassen. Und es gibt nach wie vor die Tatsache, daß die Behandlung der Ost-Spione in krassem Gegensatz zur Behandlung der West-Spione steht und somit ungerecht ist. Da ist die Einstellung von Rainer Rupp durch die PDS-Fraktion erstens richtig, zweitens nützlich für beide Seiten und drittens nicht mehr und nicht weniger als eine Anekdote in der großen historischen Diskussion.

erschienen am 31.12.1998 in der Jungen Welt

Rupp: Für wen sollte ich denn spionieren?

PDS hält an DDR-Kundschafter fest. Geschrei bei CDU und SPD

Die Pläne der PDS-Bundestagsfraktion, Rainer Rupp, ehemaliger Informant der DDR im NATO-Hauptquartier in Brüssel, als außen- und sicherheitspolitischen Berater zu engagieren, sorgen bei CDU- und SPD-Politikern für Aufruhr.

Bundestagsvizepräsident Rudolf Seiters (CDU) kommentierte das Vorhaben mit den Worten: »Diese Zumutung dürfen die Fraktionen des Deutschen Bundestages nicht kommentarlos hinnehmen«. Er werde den Ältestenrat des Bundestages anrufen, um so eine Anstellung von Rupp zu verhindern. Der brandenburgische SPD-Abgeordnete Stefan Hilsberg ging noch einen Schritt weiter: »Der Ältestenrat müsse prüfen, ob die PDS-Fraktion nicht von allen sicherheitsrelevanten Beratungen ausgeschlossen werden sollte.« Der Ältestenrat setzt sich aus 23 ständigen Angehörigen, dem Parlamentspräsidenten und seinen Stellvertretern zusammen. Die Fraktion der PDS stellt zwei Mitglieder.

Seitens der CDU wurde der Ruf laut, »die PDS mit ehemaligen Stasi-Agenten« gänzlich von der Überwachung der Geheimdienste auszuschließen. Hans-Peter Repnik, parlamentarischer Geschäftsführer der Union- Bundestagsfraktion sagte: »Unter diesen Umständen darf die PDS auf gar keinen Fall in der Parlamentarischen Kontrollkommission für Geheimdienste vertreten sein.« Markus Meckel, Bundestagsabgeordneter der SPD, sieht sogar die »Bündnisfähigkeit Deutschlands berührt«. Im Deutschlandfunk sagte er am Mittwoch: »Es ist eine Provokation für die Verbündeten in der NATO, gegen die Rupp spioniert hat.«

Rainer Rupp kommentierte die Aufgeregtheiten in einem Telefonat mit jW mit der Frage: »Für welchen Nachrichtendienst, bitte schön, sollte ich denn heute spionieren?«

Der ehemalige DDR-Kundschafter hatte zwölf Jahre lang, von 1977 bis 1989, unter dem Decknamen »Topas« im Brüsseler NATO-Hauptquartier gearbeitet. 1994 wurde er vom Düsseldorfer Landgericht zu zwölf Jahren Haft verurteilt. Nach einem Drittel seiner Haftzeit stellte junge-Welt-Autor Rupp einen »Antrag auf Übernahme in den offenen Vollzug«. Diesem Antrag wurde von »vernünftigen Justizangestellten«, so PDS-Pressesprecher Hanno Harnisch gegenüber jW, stattgegeben. Rupp bewarb sich bei der PDS um ein Amt als wissenschaftlicher Mitarbeiter für Sicherheits- und Außenpolitik. Im Gespräch mit jW bestätigte Hanno Harnisch: »Herr Rupp wird seine analytische Kraft in den Dienst der Fraktion einbringen.« Während des offenen Vollzuges wird es Rupp möglich sein, tagsüber seiner angestrebten Arbeit nachzugehen, während er sich nachts wieder in der Haftanstalt einfinden muß.

Ungeachtet der scharfen Angriffe gab die PDS am Mittwoch bekannt, an ihrem Vorhaben festzuhalten. Nach letzten Informationen wird Rainer Rupp keinen Mitgliederstatus der PDS erhalten, sondern auf Honorarbasis bei dem PDS-Bundestagsabgeordneten Wolfgang Gehrcke beschäftigt sein. Der Abgeordnete der Grünen Volker Beck forderte am Mittwoch eine grundsätzliche Debatte um den ungleichen Umgang mit Ost- und Westspionen.

Bundestagspräsident Wolfgang Thierse sprach sich derweil gegen »Ausgrenzungs- und Beschimpfungskampagnen« gegen die PDS aus. Jürgen Reents von der Bundestagsfraktion der PDS entgegnete den Angriffen: »Wir fragen auch nicht bei den anderen Bonner Parteien nach, ob für sie gegebenenfalls frühere Spione tätig sind.«

erschienen am 26.01.1998 in der Jungen Welt

Rainer Rupp verzichtet

Exkundschafter tritt von Honorarvertrag mit PDS zurück

Der ehemalige Kundschafter Rainer Rupp, der unter dem Decknamen »Topas« von 1977 bis 1989 für die DDR im NATO-Hauptquartier in Brüssel gearbeitet hatte, tritt von seinem Honorarvertrag mit der PDS-Bundestagsfraktion zurück, wie junge Welt am Dienstag erfuhr. In einem persönlichen Schreiben an Fraktionschef Gregor Gysi und die PDS-Bundestagsfraktion erklärte Rupp, das Angebot auf Beschäftigung bei der Partei nicht annehmen zu können. »Der Vertrag hätte mir Erleichterung im Vollzug der Freiheitsstrafe gebracht, aber es hätte eine große Belastung bedeutet – für meine Familie und die PDS«, so Rupp in dem jW vorliegenden Brief.

Ohne Zweifel sei die Sorge, nicht auf dem Boden des Grundgesetzes zu stehen, »heute unbegründet«, so der 1994 zu zwölf Jahren Haft verurteilte Exkundschafter. Es sei jedoch unmöglich, eine »vernünftige Diskussion« darüber zu führen, »schon gar nicht in den Medien«. Dort sei in den letzten Wochen seine »Familie, in unerträglicher Weise sogar die Kinder, wieder Gegenstand der Berichterstattung gewesen. Meine Familie hat in den letzten Jahren genug aushalten müssen. Vor weiterem möchte ich sie bewahren«. Der PDS danke er für die Solidarität.