Planten USA Handstreich in Podgorica?

Planten USA Handstreich in Podgorica?

von Rainer Rupp

erschienen am 11.12.1999 in der Jungen Welt

Undurchsichtige Hintergründe der Flughafenbesetzung durch jugoslawisches Militär

Am Donnerstag kam eine kurze Nachricht aus Montenegro, deren Folgen noch nicht abschätzbar sind. Nach vorübergehender Besetzung durch jugoslawische Truppen war der Flughafen der montenegrinischen Hauptstadt Podgorica wieder geöffnet worden. Damit schien die Sache erledigt. Aber es gibt Hinweise, daß sich hinter der Angelegenheit mehr verbirgt und durch die Aktion ein amerikanisches Kommandounternehmen vereitelt werden sollte. Niemand wäre überrascht, wenn dieser Zwischenfall den Auftakt für die nächste bewaffnete Auseinandersetzung der NATO mit Jugoslawien darstellen würde.

Zwischen Montenegro und Belgrad gibt es Meinungsverschiedenheiten über die Kontrollbefugnis für die Flug- und Seehäfen in Montenegro. Das Landesparlament von Montenegro hat vor einem Monat ein Gesetz verabschiedet, das besagt, daß die Kontrolle über die Häfen auf die Länderbehörden übergehen soll. Dies hat zu Kontroversen geführt, u. a. auch über die Frage, an wen z. B. die Einnahmen der Häfen abgeführt werden sollen. Pentagon-Sprecher Bacon wollte am Donnerstag nun den Zwischenfall als Reaktion auf diese Kontroverse darstellen, und daß das Eingreifen des Militärs auf bürokratische Mißverständnisse zurückzuführen sei. Im Unterschied zur US-Presse, die darauf spekuliert, daß es sich um einen Wink mit dem Zaunpfahl der jugoslawischen Bundesbehörden an die Adresse Montenegros handelte, denn das Land würde sich immer stärker in Richtung Unabhängigkeit bewegen.

Auf keinen Fall aber wollte sich Kenneth Bacon auf Fragen einlassen, ob die USA gewillt sind, Montenegro in seinen Bestrebungen nach größerer Unabhängigkeit zu unterstützen. Diese Frage beantwortete der oberste NATO-Befehlshaber für Europa, der amerikanische General Wesley Clark, am selben Tag an einem anderen Ort in Washington. Vor dem Nationalen Sicherheitsrat erklärte er, daß er und das europäische NATO- Hauptquartier die Entwicklung »mit großer Sorge beobachten«. Es sagte: »Die Situation in Montenegro ist sehr angespannt. Und Djukanovic (der montenegrinische Präsident) versucht, was er kann, um die montenegrinischen Institutionen zu demokratisieren und zu verwestlichen. Er hat die Deutsche Mark zum alternativen Zahlungsmittel gemacht. … Und wir wissen, daß von Belgrad und Milosevic Druck und Einschüchterungsversuche gemacht werden. … Herrn Milosevic ist sehr klar gemacht worden, daß er in die Entwicklung in Montenegro nicht eingreifen soll und darf.«

Sofort, nachdem die Flughafenbesetzung bekannt geworden war, hatte denn auch NATO-Generalsekretär Robertson Belgrad vor militärischen Aktionen gegen Montenegro gewarnt. Auf die Frage, ob die NATO irgendwelche Pläne hätte, »um auf jugoslawische Versuche, die Kontrolle in Montenegro zu übernehmen, zu reagieren«, meinte General Clark: »Ich werde hier weder über hypothetische oder voraussichtliche militärische Operationen spekulieren noch über irgendwelche Pläne reden, die gemacht oder nicht gemacht worden sind.«

Dafür reden andere. Unter den in Deutschland stationierten US-Soldaten wird in jüngster Zeit zunehmend von einem »großen Feuerwerk« gemunkelt, noch vor Jahresende. Und als Ziel wird Montenegro genannt. Den jugoslawischen Beobachtern dürfte auch nicht entgangen sein, daß sich z. Z. auf US-Stützpunkten in Deutschland ungewöhnlich viele Kampftruppen einsatzbereit halten, die nach Aussage eines amerikanischen Offiziers gar nicht »hierher gehören«.

Vor diesem Hintergrund macht die angeblich »undurchsichtige« (Kenneth Bacon) Besetzung des montenegrinischen Flughafens durch die jugoslawische Bundesarmee auf einmal Sinn. Hatte Belgrad Wind von einem geplanten militärischen Handstreich bekommen, mit dem die USA die »Verwestlichung« Montenegros aktiver unterstützen wollten? Sollte die Blockierung der Landebahnen in Podgorica womöglich eine Luftlandeoperation der USA vereiteln? Wie auch immer, die Lage in Montenegro scheint sich zuzuspitzen.