PR-Maschinerie im Sold der NATO
von Rainer Rupp
erschienen am 13.04.1999 in der Jungen Welt
Mit Verleumdungen und Verdrehungen wird Öffentlichkeit gegen Jugoslawien eingeschworen
Kaum ein Jahr ist es her, daß sich eine Washingtoner Public- Relations-Firma ihres größten, aber bis dahin geheimgehaltenen Erfolgs öffentlich brüstete. Nach der Annexion Kuweits durch den Irak ging es darum, die amerikanische Öffentlichkeit gegen Saddam Hussein zu mobilisieren und auf einen Krieg vorzubereiten. Als Teil dieser Kampagne hatte die Exilregierung Kuweits, bzw. die aus ihrem Land verjagten feudalistischen Scheichs, auch etliche private, professionelle Meinungsmacher-Firmen angeheuert.
Den durchschlagendsten Erfolg hatte die bereits erwähnte Firma in Washington. Sie produzierte eine junge kuweitische Frau, die entsetzt und mit Tränen in den Augen den US- amerikanischen Fernsehkameras zur besten Sendezeit die Greuel einer entmenschten irakischen Soldateska als Augenzeugin schilderte. Irakische Bestien hätten in den kuweitischen Krankenhäusern systematisch die Babys aus ihren Brutkästen und Bettchen geworfen und getötet, nur weil sie die Krankenhauseinrichtung als Beutegut nach Bagdad verkaufen wollten. Die Bilder der hübschen, aber fassungslos weinenden jungen Frau gingen um die Welt. Und mit den Bildern wuchs eine weltweite Welle der Empörung gegen den Irak.
Einige skeptische Kenner der Szene rochen schon damals den verrotteten Fisch. Erst recht, als bekannt wurde, daß es sich bei der jungen Frau mit dem großen schauspielerischen Talent um die Tochter des kuweitischen Botschafters handelte, die nie als Helferin ein Krankenhaus von innen gesehen hatte. Aber es war längst zu spät. Die Nachricht war bereits einige Male um die Welt gegangen und mit jeder Wiederholung schlimmer geworden. Sie trug entschieden dazu bei, die Öffentlichkeit und den amerikanischen Kongreß auf den nachfolgenden Golfkrieg einzustimmen.
Ungeniert brüstete sich Jahre später der Chef der verantwortlichen Public-Relations-Firma, daß damals alles erlogen war, vom Anfang bis zum Ende. Ob er denn keine moralischen Skrupel gehabt hätte, fragte ihn ein entrüsteter Reporter. Nein, war die Antwort, schließlich sei ein Krieg gegen Saddam Hussein notwendig gewesen. Seine erfundene Greuelgeschichte habe lediglich das beschleunigt, was ohnehin von der Regierung gewollt war.
Die Liste der historisch gesicherten Lügen und Manipulationen, um Kriege vom Zaun zu brechen und zu rechtfertigen, ist lang. Die Methoden haben sich allerdings verfeinert und den modernen Mitteln angepaßt. Aber ohne den vorauseilenden Gehorsam der journalistischen Hofschranzen wäre die Kriegspropaganda heute im totalen Medienzeitalter nicht mehr so leicht durchzusetzen. Die Methoden sind jedoch die gleichen geblieben. Im Kalten Krieg fraßen die Kommunisten süße Babys gleich dutzendweise zum Frühstück. Auch jetzt müssen wieder unschuldige Kleinkinder dafür herhalten, um die Deutschen auf Schlimmeres als einen »sauberen« Luftkrieg gegen Serbien vorzubereiten. »Die Serben töten Babys, vergewaltigen Frauen«, konnte man dieser Tage in blutroten Lettern auf der Titelseite der Bild-Zeitung lesen. Auch die anderen Medien überstürzen sich mit Schreckensmeldungen von Flucht, Tod und Massakern unter den über 500 000 Kosovo-Albanern, die angeblich bereits auf der Flucht sind. Ob diese Zahl überprüft ist, weiß niemand. Sie wird einfach von einem Sprecher des Nordatlantischen Aggressionsgemeinschaft (NATO) in die Welt gesetzt und von den Medien übernommen. Morgen sind’s dann schon wieder hunderttausend mehr, und bald schon hundertfünfzig Prozent der ethnischen Bevölkerung, bevor dann vielleicht doch noch jemand merkt, daß auch unkontrollierbare Übertreibungen irgendwann als solche erkannt werden. Die tatsächlichen Gründe für den Krieg gegen Serbien und die Massenflucht aus Kosovo zu hinterfragen, wagt heute kaum noch ein Journalist, aus Angst davor, sogleich als Vaterlandsverräter dargestellt zu werden.
Patriotisches ist wieder gefragt, und die Grünen liegen da voll im Trend. Nicht die NATO ist schuld an der Eskalation der Krise im Kosovo und der rapiden Destabilisierung der ganzen Region. Serbien hat der selbsternannten »erfolgreichsten Friedensorganisation der Geschichte« den Krieg aufgezwungen. Und nun kann der mit Bomben allein nicht beendet werden. Wenn jedoch die Glaubwürdigkeit der NATO auf dem Spiel steht, dann kann davon ausgegangen werden, daß zur Not auch Bodentruppen als Kanonenfutter geopfert werden. Die Vorbereitungen zur Einstimmung der Öffentlichkeit laufen schon. Es wird ein langer und noch viel blutigerer Krieg werden. Und Herr Scharping wird sich bald in bewährter deutscher Tradition an das deutsche Volk wenden dürfen: »In stolzer Trauer geben wir bekannt …«