Rainer Rupp ist frei

Rainer Rupp ist frei

von Rainer Rupp

erschienen am 28.07.2000 in der Jungen Welt

Ex-Kundschafter der DDR aus der Haft entlassen

Es gibt vermutlich nicht allzuviele Zeitungsredaktionen, die über Jahre hinweg einen Häftling zu ihren ständigen Mitarbeitern zählen können. Für die junge Welt ist Rainer Rupp, seit 1994 Insasse der Justizvollzugsanstalt Saarbrücken, trotz aller widrigen Haftbedingungen ein unverzichtbarer Autor geworden. Vor allem seine Beiträge zu Aspekten der NATO-Strategie wie zum Krieg gegen Jugoslawien, wie sie nur ein Insider in die Öffentlichkeit einbringen kann, waren Zeitung wie Lesern stets eine wichtige Orientierungshilfe. Doch was heißt waren. Sie werden es auch künftig sein. Nur eben unter anderen, günstigeren Bedingungen: Rainer Rupp, ehemaliger Topkundschafter der DDR, wurde am Donnerstag aus der Haft entlassen.

Unter seinem Decknamen »Topas« hatte Rupp der DDR als Friedensaktivist in geheimer Mission und überzeugter Gegner der NATO-Politik von 1977 bis 1989 hochbrisante Informationen aus dem Brüsseler NATO-Hauptquartier geliefert. 1994 zu zwölf Jahren Haft verurteilt, war sein 1997 gestelltes Gnadengesuch von vielen Prominenten, unter anderem von dem Publizisten Günter Gaus und dem SPD-Politiker Egon Bahr, unterstützt worden. Doch erst nach Verbüßen von zwei Dritteln der Haftzeit wurde Rainer Rupp nun auf Bewährung entlassen.

(jW)

erschienen am 28.07.2000 in der Jungen Welt

Ein »Topas« in der NATO-Zentrale

»Landesverrat« im Dienste des Friedens

Rainer Rupp, einer der prominentesten politischen Häftlinge der Bundesrepublik Deutschland, ist frei! Fast auf den Tag genau sieben Jahre nach seiner Verhaftung konnte der heute 54jährige am gestrigen Donnerstag die Justizvollzugsanstalt Saarbrücken für immer verlassen – einen Tag eher als ursprünglich geplant, doch immerhin erst nach langen bitteren Haftjahren, zum Teil unter besonderen Sicherheitsauflagen. Erst zum Jahresende 1998 war ihm mit dem Freigängerstatus der Strafvollzug erleichtert worden.

Das »Verbrechen«, für das er im November 1994 vom Oberlandesgericht Düsseldorf zu zwölf Jahren Haft verurteilt worden war, hieß in der Sprache seiner Ankläger und Richter »Landesverrat«: Der studierte Volkswirt aus dem Saarländischen hatte seit den 70er Jahren für das Ministerium für Staatssicherheit der DDR gearbeitet und seit 1979 unter dem Decknamen Topas brisante Informationen aus dem NATO-Hauptquartier in Brüssel geliefert. Oder mit den Worten des Urteils ausgedrückt: Rupp hatte »dem Warschauer Pakt ein umfassendes, stets auf dem neuesten Stand befindliches Bild von den Stärken und Schwächen der NATO« verschafft, »was sich im Falle einer bewaffneten Auseinandersetzung mit dem Warschauer Pakt kriegsentscheidend hätte auswirken können«. Im Dezember 1989 von der HVA »abgeschaltet«, konnte er in Brüssel noch über drei Jahre aus allernächster Nähe die Jagd auf den Topspion Topas verfolgen, ehe er am 30. Juli 1993 zusammen mit seiner Frau Christine-Ann verhaftet wurde. Sein Fehler: Als Kundschafter für den Frieden hatte er auf der falschen Seite – für die falsche Sache? – spioniert. Darum wurde er, obwohl »geständig« – das Urteil vermerkt, »daß es ihm auch darum ging, zum Abbau von Vorurteilen und Besorgnissen des Warschauer Paktes die Absichten der NATO transparent zu machen und damit zum Frieden beizutragen« -, zusätzlich zur Haft auch noch mit einer sogenannten Verfallsstrafe von 100 000 Mark belegt: für vermeintlich erlangte finanzielle Vorteile, die er bis auf die Rückerstattung von Auslagen nie genossen hat. Eine Bürde, an der Rainer Rupp, seine Frau und ihre drei Kinder auch nun, nach der Freilassung, noch lange werden zu tragen haben.