Schulterklopfen in Brüssel

Schulterklopfen in Brüssel

von Rainer Rupp

erschienen am 17.12.1999 in der Jungen Welt

UNMIK-Chef Kouchner bei Herbsttreffen der NATO- Außenminister

Am Donnerstag ging das alljährliche zweitägige Herbsttreffen der NATO-Außenminister zu Ende. Hauptthemen waren der Balkan, die »unabhängige europäische Sicherheitsidentität«, sprich die in Helsinki beschlossene unabhängige europäische militärische Eingreiftruppe, und Tschetschenien.

Bereits am Mittwoch, dem ersten Tag des Treffens der Außenminister im NATO-Rat, hatte man sich ob des Bombenerfolges der Kriegsallianz im Kosovo gegenseitig auf die Schulter geklopft. In dem halben Jahr, seitdem die NATO die jugoslawische Provinz besetzt halte, sei wirklicher Fortschritt erzielt worden, meinte der stellvertretende US-Außenminister State Strobe Talbott. Seine Chefin, Madeleine Albright, war wegen der syrisch-israelischen Verhandlungen nicht nach Brüssel gekommen. Talbot gestand jedoch ein, daß »die Situation im Kosovo angespannt und unberechenbar bleibt«.

»Wir brauchen Geld!« erklärte am Donnerstag Bernard Kouchner, Kosovo-Protektoratschef der UNO, den Vertretern aus den 45 Staaten der euro-atlantischen Partnerschaft in Brüssel. Der Aufbau im Kosovo sei nicht umsonst zu haben. »Ohne Geld kein Erfolg und kein Vertrauen«, doch der UN-Mission für das Kosovo (UNMIK) fehlten zur Bezahlung des Krankenhauspersonals, der Lehrer oder der städtischen Arbeiter die finanziellen Mittel. Zugesagte Hilfen kämen nur tröpfchenweise, so Kouchner.

Vor dem Hintergrund der anhaltenden Vertreibung der nichtalbanischen Bevölkerung aus der südserbischen Provinz erklärte NATO-Generalsekretär George Robertson euphemistisch, der Übergang von den »killing fields« des Kosovos zu einer multiethnischen Gesellschaft werde nicht leicht zu bewerkstelligen sein. Zum Eigenlob der NATO gehörte des weiteren, daß Soldaten der Allianz im Kosovo bereits 5 000 »Landminen« geräumt hätten. Unter den Begriff Landminen fallen nach NATO- Definition allerdings auch die Blindgänger der Clusterbomben, die die Allianz während des Krieges selbst massenhaft über dem Kosovo abgeworfen hatte. Expertenschätzungen zufolge liegen noch ungefähr 15 000 bis 20 000 dieser Bomben über die Provinz verstreut.

Bereits vor zwei Wochen hatte der Oberbefehlshaber der Kosovo-Truppen (KFOR), der deutsche General Klaus Reinhardt, beim Herbsttreffen der NATO- Verteidigungsminister erklärt, daß der UNO im Kosovo 120 Millionen Dollar fehlen, um die zivilen Beamten zu bezahlen und weitere zehn Millionen, um die Gehälter für das Kosovo-Schutzkorps aufzubringen. Die Nachfolgeorganisation der UCK, die zum größten Teil verantwortlich für die andauernden Morde und Vertreibungen der nichtalbanischen Minderheiten aus dem Kosovo ist, wird demnach von der UNO bezahlt. Bereits am Mittwoch hatten die NATO-Außenminister wohlwollend das Arrangement Bernard Kouchners abgesegnet, demzufolge ab dem 1. Januar 2000 die UNO gemeinsam mit der UCK-durchwachsenen kosovo- albanischen Führung die Provinz wie auch erwaltet. Das neue Abkommen sieht zwar neben drei ethnisch- albanischen Positionen einen Serben an der Spitze der Verwaltung vor. Allerdings war zur Unterschriftenzeremonie kein Kosovo-Serbe erschienen.

Die Kouchner-Regelung wird von den Führern der serbischen Gemeinschaft in der Provinz und von der Belgrader Führung scharf verurteilt. Die neue Verwaltung soll das Kosovo bis zu den Wahlen, die wahrscheinlich im nächsten September abgehalten werden, regieren.