Serbien: Ein Land, zwei Währungen

Serbien: Ein Land, zwei Währungen

von Rainer Rupp

erschienen am 07.09.1999 in der Jungen Welt

UNMIK unterläuft Sicherheitsratsbeschluß und beendet jugoslawische Souveränität über das Kosovo

Ob bei der Formulierung der Gesetzestexte, die in Zukunft im Kosovo gelten sollen, oder in Wirtschafts- und Währungsfragen, überall setzt sich die UCK mit Hilfe der NATO und der UNO- Mission für das Kosovo (UNMIK) durch, und es werden Fakten geschaffen, die zwangsläufig zur staatlichen Unabhängigkeit des Kosovo führen. Dazu gehört auch, daß die UNMIK an den Grenzübergängen des Kosovo – mit Ausnahme zu Serbien – insgesamt 25 Zollstellen errichten will, um auf die bisher unkontrollierten Importe Abgaben einzutreiben, die sich nach Angaben der »Financial Times« jährlich auf zwischen 70 und 80 Millionen DM belaufen werden.

Diese Zolleinnahmen sollen nicht an die Zentralregierung in Belgrad abgegeben werden, sondern der von der UCK gestellten »provisorischen Regierung« zur Verfügung stehen, wodurch die terroristische Gangsterorganisation vor die schwierige Frage gestellt werden wird, womit sie mehr Geld machen will: offiziell die Staatskasse abzusahnen oder weiter auf Waffen- und Drogenschmuggel zu setzen.

Der UNMIK-Chef und langjährige Holbrooke-Freund Bernard Kouchner erklärte bei der Eröffnung der Zollstelle am Hani I Elezit/Djeneral Jankovic-Grenzübergang zu Mazedonien: »Das ist nicht der Beginn der Unabhängigkeit für das Kosovo« (Reuters 3. September). Das würde nämlich die UNO-Resolution zum Kosovo unterlaufen, die jugoslawischen und serbischen Beamten erlaubt, ab 16. September 1999 wieder die Zoll- und Grenzübergänge des Kosovo zu bemannen. Für diese Resolution hat die UNMIK jedoch nur Lippenbekenntnisse übrig, während sie die Weichen in eine ganz andere Richtung stellt. Auf die Frage, warum keine jugoslawischen Beamten an den Zollämtern Dienst machen würden, antwortete Joly Dixon, die UNMIK-Pressesprecherin, »weil sie (die Belgrader Behörden) keinerlei Interesse gezeigt haben, dort präsent zu sein«. AP hatte jedoch am 3. September berichtet: »Die jugoslawische Regierung wurde nach Angaben der Vereinten Nationen nicht von dem Schritt (der UNMIK) unterrichtet.«

Allerdings hatte das Justizministerium in Belgrad sich bereits Ende August bei UN-Generalsekretär Kofi Annan beschwert, daß UN-Missionschef Bernard Kouchner und KFOR-Befehlshaber Michael Jackson nichts unternehmen würden, um die Einhaltung der jugoslawischen Gesetze in der Provinz zu sichern (AP 30. August). Auch als die UNMIK vergangenen Freitag die D-Mark zur offiziellen Währung im Kosovo erklärte, war die rechtmäßige Zentralregierung in Belgrad vorher nicht von diesem Schritt unterrichtet worden, der die »Bindung der Provinz an Jugoslawien weiter lockert« (AP).

Bernard Kouchner hatte eine Verordnung unterzeichnet, wonach die deutsche Währung den jugoslawischen Dinar so gut wie ablöst. »Wir wollen den Dinar nicht verbieten, aber wir werden nicht zu seiner Verwendung ermuntern«, sagte UNMIK-Sprecherin Joly Dixon. »Jeder, der in Dinar zahlen will, muß dafür eine zusätzliche Gebühr entrichten.« Hier wird der Zynismus auf die Spitze getrieben. In der jugoslawischen Provinz Kosovo wird der Gebrauch der jugoslawischen Währung mit einem Straftarif belegt, damit sie möglichst schnell vollkommen aus dem Zahlungsverkehr verschwindet. Und das alles unter angeblicher Wahrung der jugoslawischen Souveränität über die Provinz. Jeder weiß jedoch, daß Souveränität über ein Territorium, auch über ein autonomes Territorium, durch nichts besser reflektiert wird als durch die Währungshoheit. Und die wird hier von der UNMIK in flagranter Weise und im Widerspruch mit der UN-Resolution unterlaufen.

Die »Financial Times« vom 30. August zitierte denn auch den Kommentar eines jugoslawischen Währungsfachmanns: »Wir hören ständig von US- und EU-Regierungsvertretern, daß die jugoslawische Souveränität geschützt, ja, garantiert wird. Und jetzt wird die D-Mark die offizielle Währung im Kosovo. Kennt jemand ein Land auf dieser Welt mit zwei offiziellen Währungen?«

Schon in der von ihnen entworfenen Petersberger Erklärung hatten die NATO-Mächte deutlich gemacht, daß nach ihren Vorstellungen im Kosovo eine liberale Wirtschafts- und Marktordnung etabliert werden sollte. Dies wird nun umgesetzt. Alle jugoslawischen Gesetze, die den Besitz und die Verwendung von Bankguthaben in ausländischen Währungen beschränkten, wurden für das Kosovo aufgehoben. Die Regelungen seien »extrem offen und modern«, meinte die UNMIK-Sprecherin. Die D-Mark regierte jedoch schon vor dem Abzug der jugoslawischen Truppen im Kosovo, bemerkte Associated Press (3. September), und zwar dort, »wo die UCK das Sagen hatte. Die D-Mark ist die bevorzugte Währung der Schwarzhändler«. Die wurde nun zum offiziellen Zahlungsmittel im Kosovo, genau wie die provisorische Regierung dort von Drogenhändlern und Terroristen gestellt wird.

Das Ziel der NATO, deren Hauptmächte auch in der UNMIK federführend sind, wird immer klarer. Wie schon der Angriffskrieg deutlich gemacht hat, scheren sie sich einen Dreck um internationale Verträge oder Völkerrecht. Warum sollten sie sich nun, wo sie im Kosovo stehen, an die UNO-Resolutionen halten? Einen Vorgeschmack, in welche Richtung das geht, lieferte am Wochenende Associated Press in einem Kommentar: »Unter dem Druck von Rußland, China und anderen Ländern akzeptierten die USA schließlich in der Resolution Nr. 1 244 des UNO- Sicherheitsrates einen Text, der die jugoslawische Souveränität über das Kosovo bestätigte, bis der endgültige Status entschieden ist.« Und an diesem Status arbeiten die UNMIK und die NATO zur Zeit Hand in Hand.