Serbiens Opposition als Trojanisches Pferd

Serbiens Opposition als Trojanisches Pferd

von Rainer Rupp

erschienen am 06.11.1999 in der Jungen Welt

Avramovic, Djindjic und Kollegen nahmen in Washington Albrights Befehle entgegen

Die amerikanische Außenministerin Albright, die sich in letzter Zeit gerne Dr. Albright nennen läßt (irgendwo hat man anscheinend einen Doktortitel für sie ausgekramt) erschien am Mittwoch mit einer Delegation von serbischen Oppositionellen vor der Presse, die in der Hoffnung auf Wohlwollen und Geschenke in die amerikanische Hauptstadt gepilgert war. Warum man getrost vom Befehlsempfang der serbischen Opposition in Washington sprechen kann, wird schon an den Äußerlichkeiten der Pressekonferenz deutlich. Dr. Albright, flankiert von Avramovic und Djindjic, bestritt das Pressegespräch im Alleingang, während die beiden Herren nicht zu Wort kamen. »Alle Serben sollten wissen, daß die Isolierung Serbiens an dem Tag endet, an dem sie erfolgreich die Demokratie wiederherstellen. Dann können sie wieder voll und ganz am politischen und wirtschaftlichen Lebens Europas teilnehmen«, sprach die US-Lady.

Albright kündigte fünf Maßnahmen zugunsten der serbischen Opposition an:

– Unterstützung der Öl-Lieferungen der EU an die von der Opposition kontrollierten Städte Nis und Pirot.

– Unterstützung des Aufrufs der Opposition für »frühzeitige, freie und faire Wahlen«. (Neu ist der extrem vage Begriff »faire Wahlen«, der hier als »demokratisches« Kriterium neu eingeführt wird. Sollte die serbische Opposition verlieren, dann waren die Wahlen eben nicht »fair« und dann wird natürlich auch das Embargo nicht aufgehoben.)

– Unterstützung der Aufhebung des Flugverbots und des Ölembargos, sobald freie Wahlen in Serbien angehalten werden.

– Teilnahme an der Dreierarbeitsgruppe, zu der EU und die demokratische Opposition gehören und die Bereitstellung von technischer Hilfe, um »den Wandel zu fördern und um bereits jetzt für eine Aufschwung und eine Wirtschaftsreform in einem demokratischen Jugoslawien zu planen«. Demokratie kann nach amerikanischer und nach NATO-Definition nur im Verbund mit freier Marktwirtschaft bestehen. Und die hier angesprochenen Reformen sollen Serbien für die neoliberale Version der Marktwirtschaft öffnen.

– Beratungen mit dem US-Kongreß, der EU und anderen möglichen Spendern, um auf dem Gebiet der Wirtschaftshilfe abzuklären, wieviel Geld der neuen Regierung nach freien Wahlen zur Verfügung gestellt werden kann.

»Wir glauben«, untermalte Frau Dr. Albright ihr verführerisches Angebot, »daß es für die Menschen in Serbien lebenswichtig ist zu verstehen, daß nur, wenn sie den Mut haben, die Wände der Unterdrückung niederzureißen, die sie von einer demokratischen Zukunft trennen, sie dieser Zukunft nicht alleine gegenüberstehen werden.« Im Klartext heißt das: Nur wenn ihr wählt, wie wir es wollen, hören die Sanktionen auf und ihr bekommt Hilfe.

Angeführt wurde die serbische Delegation von Dr. Dragoslav Avramovic, Wirtschaftsexperte und ehemaliger Chef der jugoslawischen Zentralbank, der als Präsidentschaftskandidat für die oppositionelle »Allianz für den Wandel« fungiert. Zoran Djindjic, Chef der Demokratischen Partei, war selbstverständlich mit von der Partie; ebenso Dr. Velimer Ilic, der Bürgermeister von Cacak; weiter: Dr. Mailand Protic; Goran Svilanovic, Präsident des bürgerlichen Bündnisses für Serbien; und Goran Zivkovic, Bürgermeister von Nis. Sie alle wurden von Dr. Albright als »mutige Repräsentanten der demokratischen Opposition in Serbien« vorgestellt. Allerdings dürfte es weniger Mut als vielmehr machtgierige Prinzipienlosigkeit sein, die die Herrschaften zum Befehlsempfang ausgerechnet in die Hauptstadt des Landes treibt, das zu mehr als 90 Prozent die Verantwortung für die NATO-Terrorangriffe gegen Serbien trägt. (Foto: US-Senator Lugar – Mitte – im Gespräch mit Oppositionsserben. Rechts Avramovic)

Mit ihrer Unterstützung der EU-Öllieferungen an die beiden jugoslawischen Städte Nis und Pirot hat die Clinton-Regierung jedoch eine 180-Grad-Kehrtwende ihrer bisherigen Position vorgenommen. Voraussetzung für Washington ist, daß nichts anderes als Öl geliefert wird. Man will genau den Fortschritt des EU- Programms beobachten, um sich dann an diesem Subversionsprogramm zu beteiligen und es auszuweiten. In diesem Zusammenhang begrüßte Frau Dr. Albright ausdrücklich die Anwesenheit des Bürgermeisters von Cacak. Vor einem Monat war die EU-Sitzung in Luxemburg deshalb zu einem Flop geworden. Man hatte vergessen, die Bürgermeister von Nis und Pirot einzuladen. Die EU-Lieferungen an die beiden Städte sollen noch diesen Monat beginnen. Brüssel hat dafür zehn Millionen Mark bereitgestellt.

Der dänische Außenminister Niels Helweg Petersen brachte diese Politik elegant auf den Punkt. Die Heizöllieferungen, sagte er, »werden die richtige Botschaft senden, daß es sich bezahlt macht, für Demokratie und Reform zu sein«.

Ganz ohne die üblichen Schnörkel und heuchlerische Beschwörungen moralischer Grundwerte hatte der UN- Sonderbeauftragte für das Kosovo, Carl Bildt, in einem Interview in der »New York Times« Ende August deutlich gemacht, weshalb die NATO unbedingt eine neue Regierung in Belgrad braucht. Denn ohne ein gründlich (neoliberal) reformiertes Serbien geht auf dem Balkan nichts. Als bedeutendster Wirtschaftsfaktor auf dem Balkan beinflußt Serbien alleine schon durch seine geographische Lage alle anderen Länder der Region. Folglich kann es ohne oder gar gegen Serbien keine dem westlichen Kapital und der NATO-Politik genehme Lösung auf dem Balkan geben.

So lange jedoch Präsident Milosevic an der Macht ist, wird aller Wahrscheinlichkeit nach nichts gehen. Einen neuen Krieg zur endgültigen Unterwerfung Belgrads können sich die NATO und besonders die Europäer zur Zeit nicht leisten. Folglich wird machtgierigen Opportunisten der Hof gemacht, damit sie sich schon mal ganz wie Staatsmänner fühlen können.