Sprengsätze für EU und NATO?
von Rainer Rupp
erschienen am 7.September 2018 via KenFM
Die Tatsache, dass sich die zentrifugalen Kräfte innerhalb der Europäischen Union (EU) und erst Recht in der Europäischen Währungsunion (EWU) exponentiell verstärkt haben, ist keine Neuigkeit. Auch wäre es keine besondere Meldung wert gewesen, dass ein ehemaliger deutscher Außenminister anlässlich einer Buchvorstellung in Hannover am Mittwoch erklärt hatte, dass es nicht „mehr viel braucht, um die Europäische Union auseinander fliegen zu lassen.“ Auch die Sprengsätze sind längst allgemein bekannt, von der Krise der unkontrollierten Migration, über die neoliberale Spar-, bzw. Verarmungspolitik der EU und EMU, über die aggressive Sanktions- und Konfrontationspolitik gegen Russland bis hin zur Entdemokratisierung der Strukturen innerhalb der EU durch die Ausweitung der Macht der „Märkte“, bzw. der großen Konzerne.
Laut ex-Außenminister Sigmar Gabriel hat Deutschlands Alleingang in der Russlandpolitik das größte Potential, die EU in die Luft zu jagen. Allerdings hat Gabriel die Erwartungen, die damit beim Leser geweckt wurden, bereits mit den nächsten Sätzen auf den Kopf gestellt, und das ist tatsächlich eine Nachricht wert. Denn Deutschlands Politik zur Ukraine-Krise ist nicht etwa ein EU-Sprengsatz, weil die Merkel-Regierung zu aggressiv gegenüber Moskau ist, sondern umgekehrt nicht aggressiv genug ihre Politik mit den baltischen und polnischen Russenhassern koordiniert. Das ist der Kern von Gabriels von RT widergegebenen Aussagen:
„Deutschland würde Europa, den Balten und den Polen diktieren, wie sie mit der Ukraine umgehen sollen. Dies sei zum Beispiel beim Normandie-Format so gewesen, was besonders in Polen nicht gern gesehen wurde. Die Polen hätten nicht vergessen, wie gefährlich es sein kann, wenn Deutschland und Russland ohne polnische Beteiligung verhandeln.“
Damit spielt Gabriel eindeutig auf die Gas Pipeline Nord Stream 2 an, die die Zukunft der deutschen Energiesicherheit untermauert. Der Stein des Anstoßes ist, dass Nord Stream 2 an Polen vorbei durch die Ostsee geführt wird und damit den russophoben Rechtsextremisten in Warschau keine Gelegenheit gibt, Milliarden Euro von Deutschland als Transfergebühr zu kassieren und zugleich können sie im Krisenfall den Gastransfer nach Deutschland nicht stören und politisch gegen Russland instrumentalisieren, so wie das seit dem Zerfall der Sowjetunion 1991 die Regierung in der Ukraine bereits wiederholt gemacht hat.
Wieso Gabriel vor diesem Hintergrund ausdrücklich vor Sonder-Beziehungen zwischen Deutschland und Russland warnt, denn „das wäre ein Sprengsatz für die EU“, ist dem Autor dieser Zeilen rätselhaft. Und dieses Rätsel wird noch größer, wenn Gabriel im Brustton der Überzeugung betont, dies würde durch die deutsch-russische und europäische Geschichte belegt. Da habe ich wohl die falschen Geschichtsbücher gelesen. Da fragt man sich, was für ein Gras der Herr ex-Minister vor der Veranstaltung in Hannover geraucht hat? Mit solchen Aussagen lässt Gabriel sogar „massige“ Zwerge als außenpolitische Riesen erscheinen.
Mit wem sich der Ex-Vizekanzler und Außenminister Gabriel in der Ukraine eingelassen hat, wird dieser Tage auch für all jene offensichtlich, die es bisher nicht wahrhaben wollten oder absichtlich weggesehen haben.
Denn vor aller Welt outete sich der ukrainischer Parlamentspräsident Andrij Parubij als großer Hitler Fan. Hitler sei schließlich „ein großer Praktiker der direkten Demokratie“ gewesen. Öffentlich bezeichnete Parubij in der Sendung „Meinungsfreiheit“ des ukrainischen Senders ITCV am 4. September zum Start des neuen Parlamentsjahres Adolf Hitler als den „größten Demokraten“. Parubij war einer der Mitbegründer der rechtsradikalen Freiheitspartei und Chef der Maidan-Kämpfer. Die Bundesregierung hüllt sich in Schweigen. Wörtlich sagte er weiter:
„Ich bin selbst ein großer Anhänger der direkten Demokratie. Ich habe mich damit wissenschaftlich befasst. Und ich sage Ihnen, dass die größte Persönlichkeit, die eine direkte Demokratie praktiziert hat, Adolf Aloisowitsch [Hitler] in den 1930er Jahren war. Wir sollten das nicht vergessen.“
Nationalsozialist Parubij ist einer der Mitbegründer der rechtsextremen „Swoboda“-Partei. Während der Kämpfe auf dem Kiewer Unabhängigkeitsplatz vom November 2013 bis zum erfolgreichen Gewaltputsch gegen den rechtmäßigen und demokratisch gewählten Präsidenten Yanukowitsch im Februar 2014 war Parubij als Koordinator der paramilitärischen Einheiten der mörderischen „Maidan-Selbstverteidigung“ bekannt geworden. Damit hatte er sich die Sporen für höhere Ämter in der US-Marionettenregierung in Kiew verdient. Als hoher Vertreter der Putsch-Regierung war der bekennende Nazi seither ein willkommener Gast in den Hauptstädten des Werte-Westens in Europa und den USA. Vor allem in Washington hat er um mehr Waffen gebuhlt- ein Wunsch, den die dortigen Nazis ihm gern erfüllten, schließlich soll das Mordwerkzeug gegen die Russen und die russisch-sprachigen Ukrainer im Donbass, im Osten des Landes gerichtet werden.
Allerdings war es jetzt Kanzlerin Angela Merkel höchstpersönlich, die am Donnerstag den 6. September einen Richtungswechsel in ihrer Russlandpolitik signalisiert hat, zum Positiven, im Unterschied zum ex-Vize Kanzler Gabriel. Laut einer Meldung der „Deutschen Wirtschafts Nachrichten“ vom selben Tag hat Merkel erstmals explizit die russische Militär-Aktion in Syrien gegen die Kopfabschneider in Idlib unterstützt. Damit steht sie übrigens im krassen Widerspruch zur US-Regierung, die Russland mit allen möglichen Drohgebärden und direkten Warnungen davon abbringen will, die letzte Bastion der von den USA mit Waffen und Finanzen unterstützten „Freiheitskämpfer“ zu eliminieren. Dagegen sagte Merkel in einer Vorabmeldung in einem Interview mit RTL zum Kampf der Russen und Syrer gegen die Söldner-Verbände in Idlib:
„Es muss jetzt versucht werden …., dass man diese radikalen Kräfte natürlich bekämpft, aber die Zivilbevölkerung schützt.“ Die Zivilisten könnten „in eine sehr schwierige Situation geraten (…) Deshalb müssen wir eine humanitäre Katastrophe vermeiden.“ Das sei eine sehr große, wichtige Aufgabe. Sie habe mit den Präsidenten Russlands und der Türkei darüber gesprochen. Sie hoffe, dass Russlands Präsident Putin dies bedenke. „Wir haben jedenfalls sehr ernsthaft darüber gesprochen.“
Zeichnet sich hier als Sprengsatz für die NATO eine deutsche Ouvertüre in Richtung Tauwetter mit Moskau an? Ein Richtungswechsel gen Osten, da man in Berlin mit Washington und auch Großbritannien nicht mehr kann?