Tag der Pressefreiheit – Ein Fest der Pharisäer
von Rainer Rupp
erschienen auf KenFM am 14. Mai 2021
Am 3. Mai letzte Woche fand der Internationale Tag der Pressefreiheit statt. Wie nicht anders zu erwarten, gratulierten die herrschenden Eliten der westlichen Edel-Demokraturen im Verein mit ihren dienstbaren Geistern in den so genannten „freien“ Staats- und Konzernmedien vor allem sich selbst. Das alles geschah nach der Devise der aus der christlichen Bibel bekannten Pharisäer. Von denen hieß es, dass sie sich unermüdlich bei Gott bedankten, dass sie bessere Menschen waren als all die anderen. Tatsächlich aber übertrafen sie all die anderen an Hinterhältigkeit. Kein Wunder also, dass heute noch Heuchler, Scheinheilige, Selbstgerechte oder ganz einfach „falsche Fuffziger“ als Pharisäer bezeichnet werden.
Im diesjährigen Wettkampf um die Position des Ober-Pharisäers anlässlich des Welttags der Pressefreiheit hat der US-Außenminister Antony Blinken den Vogel abgeschossen. Wortreich hat er in seiner gewohnt scheinheiligen Weise andere Länder zurechtwiesen und ermahnte, die Werte zu achten, gegen die er mitsamt seiner Biden-Regierung in Washington seit Jahren in besonders flagranter Weise verstoßen.
In seiner fast schon religiösen Predigt – die man sich anhören muss, um es zu glauben (1)– erklärte Blinken, dass in einer Demokratie nur wenige Dinge heiliger sind als der “unabhängige Journalismus”. Im Interview mit dem aus den Kalten Kriegszeiten bekannten „Radio Free Europe“ würdigte Blinken den “World Press Freedom Day” und heuchelte, dass “die Vereinigten Staaten entschlossen hinter unabhängigem Journalismus stehen”. Weiter führte der falsche Fuffziger aus, dass “die Grundlage eines jeden demokratischen Systems” verlangt, dass “die politische Führung zur Verantwortung gezogen wird” und “die Bürger informiert werden. … Länder, die die Pressefreiheit verweigern sind dagegen Länder, die nicht viel Vertrauen in sich selbst oder in ihre Systeme haben“, fügte er mit Blick auf Russland hinzu.
Der amerikanische Journalist Glenn Greenwald hat diese scheinheilige Rede des Ober-Pharisäers Blinken wie folgt kommentiert:
„Dass die Biden-Administration so ein hartnäckiger Anhänger der heiligen Unantastbarkeit des unabhängigen Journalismus ist und sich für deren Verteidigung stark macht, wo immer sie bedroht ist, wäre für viele, viele Menschen sicher eine große Überraschung. Überrascht wäre vor allem Julian Assange, der Gründer von WikiLeaks und die Person, die für mehr wichtige Enthüllungen (2) über verbrecherische Handlungen hochrangiger US-Beamten verantwortlich ist (3), als praktisch alle anderen, in den Konzernmedien beschäftigten US-Journalisten zusammen.“
Greenwald weiß, wovon er in Punkto US-Pressefreiheit spricht. Er wurde vor allem bekannt, als er die von Edward Snowden im Jahr 2013 übermittelten Dokumente zum streng geheimen NSA-Überwachungsprogramm PRISM aufbereitete und Anfang Juni 2013 in der britischen Tageszeitung „The Guardian“ zusammen mit einem Interview Snowdens veröffentlichte.
Derzeit sitzt Assange in einer Zelle des britischen Hochsicherheitsgefängnisses Belmarsh, weil die Biden-Administration weiterhin auf seine Auslieferung drängt. Mehr noch als die Trump-Administration ist die Biden-Regierung darauf erpicht, den Enthüllungsjournalisten Assange wegen Spionage hinter Gitter zu bringen und die Schlüssel zu seiner Zelle wegzuwerfen. Noch schwerer als die Aufdeckung vieler schwerer US-Kriegsverbrechen wiegt für die Biden Regierung, dass durch Assange auch die Manipulationen der Vorwahlen zugunsten von Hillary Clinton durch die Führung der Demokratischen Partei bekannt geworden sind. Diese Kungelei dürfte maßgeblich zu Frau Clintons Wahlniederlage beigetragen haben. In deren Folge haben die Demokraten dann versucht, mit ihrer erfundenen Russia-Gate-Story über eine angebliche geheime Zusammenarbeit zwischen Trump und Putin von ihren kriminellen Verstößen gegen die Wahlgesetze abzulenken.
Obwohl das Urteil eines britischen Gerichts vom Januar dieses Jahres das US-Auslieferungsersuchen von Assange abgelehnt hatte (4), besteht die Biden-Regierung weiterhin darauf und hat Berufung gegen das Urteil eingelegt. Selbst die sonst gegenüber Biden handzahme New York Times hat jüngst angemerkt, dass die Biden-Administration all dies tut, trotz der Tatsache, dass “Menschenrechts- und Bürgerrechtsgruppen die US-Regierung gebeten hatten, die Bemühungen aufzugeben, Assange zu verfolgen, mit dem Argument, dass damit … ein Präzedenzfall geschaffen würde, der eine ernste Bedrohung für die Pressefreiheit darstellt“(5).
Ja Ja, die Pressefreiheit, das ist genau der Wert, den US-Außenminister Blinken während der ganzen letzten Woche bei seinen Reisen in fremde Länder nicht müde wurde als eines der höchsten US-Güter zu feiern und zu verteidigen. Von welchem Charakter zeugt es, wenn jemand wie Blinken rund um die Welt fliegt und in anderen Ländern die Verfolgung unabhängiger Journalisten beklagt, während seine eigene Regierung, in der er eine der Top Positionen hat, alles tut, um einen der folgenreichsten, unabhängigen Journalisten der letzten Jahrzehnte zu vernichten?
Tatsächlich hat schon die Obama-Administration, in der Blinken damals auch schon eine top Position eingenommen hatte, grundlegende Pressefreiheiten eingeschränkt. Unter Obama wurden z.B. doppelt so viele Whistleblower (6), die Dokumente über Regierungsverbrechen an Journalisten weitergegeben haben, mit Hilfe von Spionagegesetzen verurteilt als unter allen früheren Regierungen zusammen.
Im Jahr 2013 war Blinken Obamas stellvertretender Außenminister. Damals gab das US-Komitee zum Schutz von Journalisten (Committee to Protect Journalists) einen Bericht heraus, der sogar vor einer Epidemie von Angriffen der US-Regierung auf die Pressefreiheit warnte (7). Darin hieß es u.a.:
“Im Washington der Obama-Administration haben Regierungsbeamte zunehmend Angst, mit der Presse zu sprechen.” Jane Mayer von der New Yorkerin sagte über die Angriffe der Obama-Administration auf die Pressefreiheit (8): “Es ist ein riesiges Hindernis für die Berichterstattung. Das eine Abkühlung zu nennen, ist nicht stark genug, es ist eher so, als würde man den gesamten Prozess einfrieren.” James Goodale, Chef-Justiziar der New York Times in den 1970er Jahren während der Veröffentlichung der Pentagon Papers, hatte damals vorausgesagte (9), dass “Präsident Obama sicherlich Präsident Richard Nixon als schlechtesten Präsidenten aller Zeiten in Fragen der Pressefreiheit übertreffen wird.”
In seinem eingangs bereits erwähnten Videointerview mit „Radio Free Europe“ hatte Blinken natürlich auch wieder die bösen Russen im Visier und beschuldigte sie eines besonders perfiden „Angriffs auf die Pressefreiheit“. Aber auch das war nur scheinheilige Propaganda und darüber hinaus recht plumpe Propaganda. Blinken zeigte sich sehr besorgt um die Freiheit der US-amerikanischen und anderer westlicher Lücken- und Lügenmedien, die bei Ihrer Arbeit in Russland durch ein neues Gesetz behindert würden. Denn die Forderung des Kremls sei nun (10), dass in Russland arbeitende Medien wie Radio Free Europe, die mit ausländischen Regierungen verbunden sind und/oder vom Ausland bezahlt werden, sich bei der russischen Regierung als “ausländische Agenten” registrieren müssen uns bei Nichtbefolgung hohe Geldstrafen zahlen müssen.
Allerdings war Blinken so trunken von Selbstgerechtigkeit, dass er bei seiner Russlandschelte total vergessen hat, das Moskau jetzt nur nachholt was Blinkens Spießgesellen in Washington seit Jahren von ausländischen Medien fordern, die in den USA arbeiten. Tatsächlich hat Russland lediglich auf die frühere, ultimative Forderung der US-Regierung reagiert (11), wonach RT (Russia Today) und andere russische Nachrichtenagenturen in den USA dazu verpflichtet werden, sich als “ausländische Agenten” registrieren zu lassen.
Zugleich hat Blinken die eskalierenden Angriffe (12) seiner Kollegen in der Biden-Administration im vergangenen Monat gegen russische Nachrichtenagenturen vollkommen unter den Tisch fallen lassen. In Washington wird diese doppelbödige Politik damit begründet, dass die russischen Medien in den USA als Propaganda-Agenten für den Kreml arbeiten und die US-Wahlen beeinflussen wollen, während US-Medien in Russland einzig und allein der Wahrheit verpflichtet sind und unvoreingenommen über Entwicklungen im Land berichten.
Allerdings hat sich die Welt geändert. Die Maskerade aus Menschenrechten, Demokratie und Pressefreiheit, mit der US-Diplomaten rund um die Welt an Regierungstüren klopfen, ist von der großen Mehrheit längst als komplette Farce erkannt worden. Mit scheinheiliger Selbstgerechtigkeit allein lassen sich allerdings Blinkens jüngst Belehrungen in Sachen Pressefreiheit und sein selbstsicheres Auftreten als Verfechter der Rechte unabhängiger Journalisten nicht erklären. Dazu gehört noch eine gehörige Portion Selbstverblendung, gepaart mit Größen- und Allmachtswahn. Das ist in Washington allgegenwärtig.
Quellen:
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https://www.rferl.org/a/us-blinken-russia-press-freedom-rferl/31242724.html
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https://greenwald.substack.com/p/video-the-extraordinary-rejection
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https://www.nytimes.com/2021/02/12/us/politics/julian-assange-extradition.html
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https://www.nytimes.com/2021/02/08/us/politics/julian-assange-indictment.html
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https://cpj.org/reports/2013/10/obama-and-the-press-us-leaks-surveillance-post-911/
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https://newrepublic.com/article/113219/doj-seizure-ap-records-raises-question-chilling-effect-real
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https://www.reuters.com/article/us-russia-usa-media-restrictions-rt-idUSKBN1DD25B