Top-US-Stratege zeigt Alternativen für Deutschland auf
von Rainer Rupp
Dr. Stephen Bryen, ist eine dieser Persönlichkeiten, die dem gerade zu Ende gegangenen NATO-Gipfel einen Reinfall vorausgesagt hat. Mit über 50 Jahren Erfahrung in US-sicherheitspolitischem Establishment mit Top-Positionen im Pentagon, im US-Senat, in Denkfabriken und in der Rüstungsindustrie hat er letzte Woche in der in ganz Asien gelesenen Zeitung „Asia Times“ die Ukraine-Politik der Biden-Regierung nicht nur scharf kritisiert, sondern auch als hochgefährlich dargestellt.
Nachfolgend wollen wir einen Aspekt aus dem Artikel näher betrachten, nämlich den Drang der Ukraine in die NATO. Dazu schreibt Dr. Bryen:
„Washington hat (der Ukraine) bereits signalisiert, dass es seine NATO-Partner nicht von einer ukrainischen Mitgliedschaft überzeugen konnte. Daher ist es wahrscheinlich, dass Washington hinter den Kulissen versucht, eine Art Sicherheitsgarantie für die Ukraine zu schaffen, aber jede sinnvolle Garantie für die Ukraine ist wahrscheinlich bereits eine Brücke zu weit.“
Das erklärt Dr. Bryen damit, dass erstens, „die russische Armee, sobald sich die ukrainischen Verluste in den kommenden Wochen hoch genug angehäuft haben, dramatische Offensivschritte gegen die Ukraine unternehmen wird.“ Denn in der russischen Bevölkerung wachse der Druck, weniger Rücksicht auf die Ukraine zu nehmen und einen militärischen Sieg über die Ukraine zu erzwingen. Nur die Stellung gegen die aktuelle ukrainische Gegenoffensive zu halten, werde von der russischen Öffentlichkeit nicht länger als Sieg ihres Militärs angesehen.
Der zweite Punkt betrifft die Verletzlichkeit westlicher Waffen und die Untauglichkeit ihrer Strategie. Denn ein Teil der westlichen Grundlage für die ukrainische Offensive sei die Hoffnung gewesen, mit der Einführung moderner westlicher Technologie auf dem Schlachtfeld, die insbesondere durch das Erscheinen der Leopard-Panzer symbolisiert wurde, der Ukraine zum Sieg zu verhelfen. Zum Leidwesen der NATO hätten aber die Leopard-Panzer und die anderen westlichen Wunderwaffen „die Lage in der Ukraine nicht gerettet“.
Bisher seien zwischen 16 und 20 der neuesten Version der Leoparden auf dem Schlachtfeld ausgeschaltet worden, zusammen mit vielen anderen von der NATO gelieferten Panzern, darunter Schützenpanzer wie der US-amerikanische Bradley und Minenräumsysteme wie der finnische Leopard 2R HMBV und der deutsche Wisent 1.
Und dann kommt Dr. Bryen zum Kern des Problems nicht nur der Ukraine, sondern der gesamten NATO. Er verweist darauf, dass der Leopard 2a und der US-amerikanische Kampfpanzer Abrams das panzernde Rückgrat der NATO-Landverteidigung bilden. Zudem verfügten die USA und ihre Verbündeten – wie er glaubt – über eine überlegene Luftwaffe. Zugleich aber habe der Westen „nur eine spärliche und unzureichende Luftverteidigung im Vergleich zu dem, was Russland ins Feld führen kann. Das bedeutet, dass die NATO- Landverteidigung nicht nur den russischen Kampfhubschraubern standhalten muss, die sich neben Artillerie und Raketen und Killer-Drohnen und luftgestützten Minen als Panzer-Killer bewährt haben.“
Dann unterstreicht der Stratege Dr. Bryen, dass das Scheitern des Leoparden, bzw. der westlichen Panzertechnologie in der Ukraine „eine große Herausforderung für die NATO darstellt.” Das beute nämlich, dass die derzeitige >Stolperdraht<-Strategie der NATO möglicherweise nicht funktioniert. Laut Dr. Bryen besteht das Stolperdraht-Paradigma aus der Idee, „dass ein erster russischer Angriff (höchstwahrscheinlich in den baltischen Staaten, da die russischen Streitkräfte sehr nahe an Estland und Lettland liegen) dort einige Tage lang aufgehalten werden können, während die USA mit Truppen mit schweren Waffen nach Europa kommen. Aber wenn der Stolperdraht illusorisch ist, dann ist die NATO im Falle eines Angriffs schnellen russischen Vorstößen in Europa ausgesetzt.“
Aus all dem zieht Dr. Bryen die nüchterne Analyse, die alle „die-Ukraine -muss-gewinnen-Schreihälse” auf die Barrikaden schicken wird:
„Die Quintessenz von all dem ist, dass die Strategie der NATO entweder von Grund auf neu überarbeitet werden muss oder dass alternativ die Europäer und Russen eine für beide Seiten akzeptable Sicherheitsvereinbarung ausarbeiten müssen. Es ist genau eine solche Vereinbarung, die Russland der NATO im Dezember 2021 vorgeschlagen hat. Sie wurde aber ohne Diskussion (vom Westen) abgelehnt. Daran geht kein Weg vorbei“.
Die erste Alternative, die auf dem Konzept aufbaut, bedeutet, dass die Sicherheit Westeuropa vor allem von einer möglichst überlegenen, militärischen Sicherheit gegen Russland anhängt. Aufgrund der militärtechnischen Erfahrungen auf dem ukrainischen Schlachtfeld müsste jedoch die NATO Strategie von Grund auf neu überarbeitet werden und eine komplett neue Aufrüstung stattfinden.
Leute, die diese Strategie verfolgen, setzten sich zugleich für einen endlosen Kleinkrieg gegen die Russen in der Ukraine ein, um in der Bevölkerung die Opferbereitschaft zu erzeugen, die ein neuer Kalter Krieg kosten wird. Die Umrüstung würde zwischen zehn und 15 Jahre dauern und würde in der Kürze der Zeit enorm viel Geld verschlingen. Im Westen würden wir, was die Ausgaben für eine solche Politik betrifft, auf die Anfangszeiten des Kalten Kriegs zurückgeworfen, wo die jährlichen Militärausgaben bei 5 Prozent und mehr des Bruttoinlandsproduktes (BIP) lagen.
Das wäre eine enorme Umverteilung, aus den sozialen Töpfen in die Kassen der Rüstungsindustrie, vor allem in den USA, denn von dort würden die meisten neuen Waffen kommen. Ob das mit der Bevölkerung politisch machbar ist, vor allem angesichts der veränderten globalen Wirtschaftsbedingungen infolge unseres Wirtschaftskrieges gegen Russland und der höheren globalen Preise für Energie und Rohstoffe, das ist eine andere Frage. Aber Kanzler Scholz und sein „Verteidigungsminister“ Pistorius haben jüngst diese Marschrichtung beschrieben und an die Opferbereitschaft der Bürger appelliert, weil diese Ausgaben für unsere höchsten Güter, für unsere Freiheit und Sicherheit, alternativlos wichtig sind.
Die Alternative existiert jedoch, sie ist sehr attraktiv, kostet weder Schweiß noch Blut, sondern fördert stattdessen Wirtschaft und Zusammenarbeit mit Russland und seinen Partnern in den aufsteigenden Nationen rund um die Welt. Diese von Dr. Bryan benannte Alternative zum aktuell in Berlin avisierten Neuen Kalten Krieg zwischen US/NATO und dem zeitgleichen endlosen Kleinkrieg in der Ukraine, besteht darin, dass die Europäer und Russen eine für beide Seiten akzeptable Sicherheitsvereinbarung ausarbeiten und wie zuvor wieder auf allen Bereichen freundschaftlich zusammen. Und wenn die anderen Europäer nicht mitmachen, muss Deutschland das allein tun. Wenn Victor Orban es in seinem kleinen Ungarn tun kann, dann müssen wir das auch können, Washington hin oder her.
Aber Kanzler Scholz gehörte zu den europäischen Staatschefs, die die ernstzunehmenden Vorschläge Russlands für eine europäische Sicherheitsstruktur noch Anfang letzten Jahres rundum hochmütig abgelehnt haben, ohne einen Blick auf die Vorschläge zu werfen. Nicht einmal auf einen einzigen Punkt der Russen ist Scholz eingegangen, um wenigstens die Tür zu den Russen in diese Richtung zu öffnen. Stattdessen mussten seither Hunderttausende von Soldaten in der Ukraine sterben.
Und jetzt ist im Westen der Munitionsschrank leer, sogar in den Vereinigten Staaten. Die Russen haben schnell gelernt, wie sie fortgeschrittene westliche Waffensysteme neutralisieren können. Wenn der Westen weiter provoziert, könnte sich das auch auf die Sicherheit von NATO-Europa auswirken. „Es könnte keinen schlechteren Zeitpunkt geben, die Sicherheit Europas mit Provokationen aufs Spiel zu setzen, wenn man nicht der Lage ist, einen russischen Angriff zu stoppen“, meinte dazu Dr. Bryen. Zugleich ist die wirtschaftliche Misere, in die uns die kriegsgeile Ampel getrieben hat, erst der Anfang.
Bei diesen Aussichten müsste doch die Alternative zum endlosen Krieg in der Ukraine und dem zeitgleichen neuen Kalter Krieg von US/NATO gegen Russland für alle, selbst für die, die die Russen nicht mögen, sehr attraktiv sein. Und diese Alternative heißt Verhandlungen, um gleiche Sicherheit für alle zu schaffen, auch für die Russen, die die Nordatlantische Terror Organisation (NATO) mit ihren Kriegstreibern nicht vor ihrer Haustür will.
Aber mit wem im Westen sollen die Russen heute noch verhandeln. Sie sind unglaublich hinterhältig mit dem Minsk II Abkommen von der französischen und der deutschen Regierung betrogen wurden. Ex-Kanzlerin Merkel und Ex-Präsident Monsieur Hollande haben sich inzwischen gerühmt, die Russen erfolgreich mit diesem Abkommen, das vom UNO Sicherheitsrat zu Völkerrecht erhoben worden war, reingelegt zu haben. Nämlich um Zeit zu gewinnen, mit dem Ziel die Ukraine als NATO-Rammbock gegen Russland aufzurüsten.
Nur wenn die jetzige politische Mannschaft in Berlin komplett erneuert würde, könnte man erwarten, dass die Russen einem deutschen Regierungspolitiker wieder trauen. Wir stehen in der Tat an einem Scheideweg. Wir haben es in der Hand. Der richtige Weg kann weder mit den Ampelparteien noch mit CDU und Linken eingeschlagen werden. Stärken wir deshalb alle die, die Frieden mit Russland fordern.