US-Denkfabrik sieht »Rezept für ein Desaster«
von Rainer Rupp
erschienen am 06.10.1998 in der Jungen Welt
Vernichtende Kritik an Kosovo-Politik von USA und Nordatlantikpakt
Auch das liberale Amerika hat Zweifel an der Richtigkeit der Kosovo-Politik der USA und NATO. Am deutlichsten wird das in einem Kommentar von Alan Kuperman in der Washington Post, in dem er hauptsächlich die Kosovo- Rebellen für die andauernde Tragödie verantwortlich macht. Kuperman ist Mitarbeiter des renommierten liberalen Think- Tanks »Brookings Institution«, der traditionell enge Beziehungen zur Führung der Demokratischen Partei Präsident Clintons hat.
In seinem Kommentar stellte Kuperman zuerst klar, daß die Aktionen der Sicherheitskräfte gegen die UCK erst begannen, nachdem die kosovo-albanischen »Terroristen angefangen hatten, serbische Polizisten zu ermorden«. Und daß es sich um Terroristen handelt, stehe außer Zweifel. Schließlich hätten noch vor wenigen Monaten selbst höchste US-Regierungsbeamte die UCK-Separatisten als Terroristen bezeichnet. Allerdings habe der jugoslawische Präsident Slobodan Milosevic im Kampf gegen die bewaffneten Sezessionisten überreagiert und sich in der Verhältnismäßigkeit der Mittel vergriffen, insbesondere in bezug auf die Auswirkungen der Polizeiaktionen auf die albanische Bevölkerung. Diese Aktionen seinen zwar bedauerlich, aber auch nachvollziehbar, zumal die USA zum Beispiel 1986 ähnlich gehandelt hätten. Als Antwort auf einen Bombenanschlag auf eine Disco in Berlin, bei dem ein US-Soldat getötet wurde, hatten die USA einen massiven Bombenangriff auf Libyen gestartet (bei dem viele Frauen und Kinder getötet wurden).
Als »Rezept für ein Desaster« bezeichnete Kuperman den einseitigen Druck der USA und NATO auf Milosevic, die von ihm als Vorbedingung für Verhandlungen mit den Kosovo- Albanern den Rückzug der Sicherheitskräfte verlangen. In letzter Konsequenz würde Kosovo damit der UCK überlassen. Kuperman warnt, daß »eine harte Linie gegen Milosevic die Rebellen nur ermutigt, weiter zu kämpfen, in der Hoffnung auf eine Intervention von außen, statt sie kompromißbereiter zu machen. … Es waren schließlich die Kosovo-Rebellen, die den nicht gewinnbaren Krieg angefangen haben, der zu dem Flüchtlingsdrama von Zehntausenden geführt hat. … Sie haben diese Tragödie verursacht und es liegt in ihrer Verantwortung, sie zu stoppen!«
Auch die längerfristigen Auswirkungen einer NATO- Intervention im Kosovo wären nach Ansicht Kupermans verheerend, »denn dies würde die Terror-Taktik der Kosovo- Rebellen belohnen. Von Anfang an war es deren Strategie gewesen, eine ausreichend starke Reaktion der Serben zu provozieren, um so den Westen in den Konflikt hineinzuziehen.« Daraus folgert Kuperman: »Wenn der Westen darauf hereinfällt, dann wäre das eine Ermutigung für extremistische Sezessionisten rund um die Welt.« Als eine vernünftige Lösung der Krise schlägt Kupermann vor, Druck auf die Kosovo-Rebellen auszuüben, damit diese die Kampfhandlungen einstellen und sich auflösen, unter der Bedingung, daß »als Gegenleistung Milosevic seine militärische Offensive stoppt und die Verhandlungen über Autonomie weitergehen. Wenn die Rebellen dies verweigern, verdienen sie nicht, durch eine Intervention des Westens gestärkt zu werden. Sie müßten die Konsequenzen alleine tragen. Wenn die Menschen im Kosovo mit den Rebellen nicht übereinstimmen, dann könnten sie aufhören, ihnen in ihren Dörfern Unterschlupf zu gewähren.«