US-Kampfpanzerbrigade in Bremerhaven: Um Europa vor den Russen zu retten, müssen wir es zerstören
von Rainer Rupp
erschienen am 9.Januar 2017 via RT deutsch und KenFM
Was reitet den Friedensnobelpreisträger in den letzten Tagen seiner US-Präsidentschaft, dass er 4.000 US-Soldaten mit 2.000 gepanzerten Fahrzeugen aller Art, darunter 87 Kampfpanzer vom Typ M1 Abrams, 144 Bradley-Schützenpanzer und 18 Paladin-Panzerhaubitzen, gen Osten schickt, ins Baltikum an die Grenze zu Russland und vor die russische Enklave Kaliningrad? Begleitet wird diese Provokation von markigen Worten, zum Beispiel jene des US-Befehlshabers für Europa, General Frederick Hodges:
„Verhandeln kann man mit Russland nur aus einer Position der Stärke.“
Letzten Freitag hat die Ausschiffung des US-Kriegswerkzeuges in Bremerhaven begonnen und über Schienen und Bahn geht es nun quer durch Deutschland zum potenziellen Schlachtfeld.
Bei dieser US-Expeditionstruppe handelt es sich um die traditionsreiche 3. Kampfpanzerbrigade sowie die 4. Infanteriedivision – Kampfname „Eiserne Brigade“ – aus Fort Caston in Colorado, die sich u.a. auch bei der „Befreiung des Iraks“ und dessen Beglückung mit „Marktwirtschaft und Demokratie“ einen Namen gemacht haben, als sie im Zweistromland die Menschen, die Gesellschaft, die Wirtschaft und die Infrastruktur gründlicher zerstört haben als der berüchtigte Mongolensturm im Mittelalter.
Zwar hat es Proteste durch Friedensaktivisten und Anti-Militaristen gegen die jüngste militärische Eskalation im Herzen Europas anlässlich der Entladung des Kriegsgeräts in Bremerhaven gegeben. Auch haben vereinzelt deutsche Politiker ihre Sorge darüber ausgedrückt, z. B. Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD). Aber insgesamt ist es ruhig geblieben in unserem Land, von dem, wie es zuvor so lange Zeit geheißen hatte, „nie wieder Kriegs ausgehen darf“. So hieß zumindest der über Jahrzehnte von allen geachtete Konsens. Bis Bundeskanzler Gerhard Schröder 1999 im Rahmen der deutschen Beteiligung am NATO-Angriffskrieg gegen Jugoslawien den Krieg als Fortführung der Politik mit anderen Mitteln wieder nach Deutschland zurückgebracht hat – möglicherweise nur, um die anfänglichen Zweifel an der Bündnistreue der rot-grünen Regierung in Washington auszuräumen.
Dank gewiefter, beamteter Winkeladvokaten steht – einer jüngst erfolgten vermeintlichen „Verschärfung“ des entsprechenden Paragrafen im StGB zum Trotz – mittlerweile nicht einmal mehr die Führung eines Angriffskriegs, geschweige denn dessen Vorbereitung, tatsächlich unter Strafe. Die Definition dessen, was „Krieg“ ist, ist im Laufe der Jahre derart verfälscht worden, dass die Bundeswehr selbst beim Einsatz von schwerem Kriegswerkzeug wie Panzern, Bombern und Artillerie in etlichen Ländern offiziell nirgendwo Krieg führt.
Anstatt den USA zu verbieten, Deutschland als Transitland für die militärische Eskalation im Osten zu missbrauchen, beeilt sich die Bundesregierung wie ein folgsam hechelnder Pudel, bei diesem gefährlichen Abenteuer mitzumachen. So soll unter anderem – parallel zur US-Aufrüstung in Osteuropa – die Bundeswehr selbst im Rahmen der NATO-Operation „Atlantic Resolve“ im Februar 500 Soldaten, 20 Schützenpanzer vom Typ Marder, sechs Kampfpanzer Leopard 2 sowie 170 weitere Militärfahrzeuge nach Litauen an die russische Grenze schicken.
In den „Fake News“-Medien wie CNN dürfen derweil bereits so genannte „Experten“ von einem Dritten Weltkrieg faseln, der in und um die so genannten „Suwalki-Lücke“ beginnen soll. Das ist die Lücke, die Kaliningrad von Weißrussland trennt, die also zwischen dem Dreiländereck Litauen-Polen-Belarus und dem Dreiländereck Litauen-Polen-Russland liegt.
In ominöser Weise erinnert die „Suwalki-Lücke“ an die „Fulda-Lücke“, wo die USA stets den Übergang des Kalten Kriegs zum heißen Dritten Weltkrieg erwartet hatten. Angenommen wurde, dass sowjetische Panzerkolonnen durch die „Fulda-Lücke“ gen Westen vorstoßen würden. Laut NATO-Planung konnten diese nur mit taktischen Atomwaffen gestoppt werden.
Allerdings gab es dabei ein Problem: Anfang der 1980er Jahre hatte ein US-General in Oberammergau bei der alljährlichen Führungskonferenz der Top-Militärplaner aus allen NATO-Ländern gegenüber den Teilnehmern – zu denen auch der Autor dieser Zeilen gehörte – das Problem wie folgt beschrieben:
„Die Dörfer in der Fulda-Lücke liegen oft weniger als eine halbe Kilotonne auseinander.“
Mit anderen Worten erklärte der General, dass die Dörfer in der „Fulda-Lücke“ zum Kollateralschaden des Einsatzes von taktischen Atomwaffen zur Abwehr der kommunistischen Panzer-Horden würden. Selbst vonseiten der deutschen Delegation meldete sich kein Protest. Das war alles längst bekannt und eingeplant. Nur noch Neulinge wie ich konnten sich darüber aufregen.
Dennoch ist diese Episode symptomatisch für die US-Einsatzdoktrin, wenn es um die vielgerühmte, angebliche „Rücksichtnahme auf Zivilisten“ geht. Das geht auch aus der denkwürdigen Presseerklärung hervor, als einige Jahre zuvor ein US-Offizier in Vietnam die den US-Einsätzen zugrundeliegende Denkweise mit den Worten erhellte:
„Um das Dorf [vor den Kommunisten, Anm. des Autors] zu retten, mussten wir es zerstören.“
Vor diesem Hintergrund sollte sich jeder Balte, jeder Pole, jeder Rumäne und jeder Bulgare in den nächsten neun Monaten, in denen sie von der 3. US-Kampfpanzerbrigade sowie der 4. US-Infanteriedivision heimgesucht werden, lieber zwei Mal überlegen, ob sie sich sicherer fühlen. Vor welchen Gefahren sollen die US-Truppen sie eigentlich beschützen? Außer jenen Gefahren, die die US-Truppen durch die Unterstützung lokaler Russenhasser und anderer Extremisten selbst schaffen, sind weit und breit keine erkennbar.