US-Tricks zur Embargoverlängerung
von Rainer Rupp
erschienen am 14.12.1999 in der Jungen Welt
Zweideutige UN-Resolution soll Elend der irakischen Bevölkerung bis zum Sturz Saddams verewigen
Am vergangenen Freitag verlängerte der UN-Sicherheitsrat in New York das irakische »Öl für Lebensmittel«- Programm. Zugleich beschloß der Rat, am Montag abend über eine von den USA und Großbritannien eingebrachte Resolution für eine Neuauflage der Waffenkontrollinspektionen im Irak abzustimmen.
Seit fast einem Jahr herrscht im Irak ein »überwachungsloser« Zustand. Die alte UN- Kontrollkommission (UNSCOM) war total diskreditiert worden, nachdem Washington nicht mehr umhin gekommen war, einzugestehen, daß es die UNSCOM nicht nur für amerikanische Spionagezwecke gegen den Irak, sondern auch für andere Ziele mißbraucht hatte. Nachdem Bagdad daraufhin die Zusammenarbeit mit UNSCOM aufgekündigt hatte, begannen die USA und Großbritannien eigenmächtig, den Irak mit einem immer noch andauernden Bombenkrieg zu überziehen, angeblich um das Land wieder unter das UNO-Rüstungskontrollregime zu zwingen. Seither haben die britischen und amerikanischen »Vorkämpfer für den Weltfrieden« über dem Irak etwa halb so viele Bomben und Raketen abgeworfen, wie im NATO-Krieg gegen Jugoslawien verfeuert wurden. Die Zahl der dabei getöteten irakischen Zivilisten soll in die Hunderte gehen.
Das neue, von Briten und Amerikanern ausgedachte Kontrollregime mit der vorläufigen Bezeichnung UNMOVIC (U.N. Monitoring, Certification and Inspection Commission) enthält einige neue Elemente, u. a. eine schrittweise Lockerung des Wirtschaftsembargos der UNO. Dies soll besonders Rußland und Frankreich die Zustimmung erleichtern. Denn nur, wenn der Irak wieder unbegrenzt Öl verkaufen kann, wird es dem Land möglich sein, seine Milliarden Dollar hohen Schulden an Frankreich und Rußland zurückzuzahlen, die im wesentlichen auf irakische Waffenkäufe während der 80er Jahre zurückgehen. Ähnlich wie zur Zeit im Fall Jugoslawiens versuchen die USA seit Jahren, im Irak mit Hilfe des Embargos und des so verursachten Massenenlendes die Bevölkerung zu einem Aufstand gegen die Regierung aufzustacheln. Bisher jedoch ohne Erfolg. Der Ire Denis Halliday, bis letztes Jahr UNO- Koordinator für Humanitäre Angelegenheiten im Irak, hatte wiederholt, aber weitgehend ohne Erfolg, vor der internationalen Presse darauf hingewiesen, daß dieser grausamen Politik bisher Hunderttausende Kinder zum Opfer gefallen sind.
Erst nachdem das schreckliche Ausmaß menschlichen Leidens im Irak von der Weltöffentlichkeit nicht länger ignoriert werden konnte, lenkten die USA ein und stimmten im UNO-Sicherheitsrat dem »Öl für Lebensmittel«-Programm zu, wonach der Irak alle sechs Monate Öl im Wert von 5,26 Mrd. Dollar exportieren durfte, wobei alle Exporterlös und Lebensmittelkäufe von der UNO kontrolliert und verwaltet werden. Jeweils vor Fristablauf muß das Programm im Sicherheitsrat verlängert werden.
Seit drei Wochen hat der Irak jedoch seine Ölexporte eingestellt, nachdem das Programm erst für zwei und dann nur noch für eine Woche verlängert worden war. Die USA hatten auf den kurzen Fristen bestanden, um so die anderen Ratsmitglieder dazu zu zwingen, sich mit ihrer neuen UNMOVIC-Resolution zu befassen. Wenn der Irak mit UNMOVIC zusammenarbeiten würde, dann könnte er im Rahmen von verlängerbaren 100-Tage- Fristen ab sofort soviel Öl verkaufen, wie er wolle, was bei sonstigem Wohlverhalten des Iraks bereits nach einem Jahr zu einer vollkommenen Aufhebung aller Sanktionen führen könnte.
In Wirklichkeit handelt es sich um eine »äußerst zweideutige« Resolution. Wesentliche Passagen scheinen absichtlich unklar gefaßt zu sein, so daß nicht eindeutig daraus hervorgeht, was genau der Irak beweisen und welche Bedingungen er erfüllen muß, damit die Sanktionen aufgehoben werden.
Noch am vergangenen Freitag schlug deshalb Rußland eine Änderung des Textes vor, der vom Irak keine hundertprozentige Kooperation mit UNMOVIC verlangt. Der russische Vorschlag wurde von China und Malaysia unterstützt. Dahinter steckt die Absicht zu verhindern, daß die USA und Großbritannien dem Irak wieder unerfüllbare Forderungen stellen können, um so die Aufhebung des Embargos unter dem Deckmantel der UNO auf unbestimmte Zeit zu verhindern. Rußland geht sogar einen Schritt weiter und verlangt, daß spätestens bis zum Dezember 2000 alle Sanktionen aufgehoben werden, egal ob der Irak vollständig die UNO-Forderungen erfüllt hat oder nicht.
Trotzdem bemühen sich die Amerikaner intensiv, die Russen mit »an Bord« zu haben, denn ohne Zustimmung der Russen, so der französische UNO-Botschafter Alain Dejammet, würden die Iraker niemals mit der UNO kooperieren. Zugleich hat der Irak mit allen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln versucht, gegen die neue Resolution zu arbeiten und dabei u. a. auch Frankreich gedroht, alle wirtschaftlichen und diplomatischen Verbindungen zu dem Land abzubrechen. Seine Hoffnungen setzt Bagdad aber auf ein Veto Rußlands.
Für den Fall, daß die anglo-amerikanische UNMOVIC- Resolution im Sicherheitsrat scheitern würde, blieben die Sanktionen gegen den Irak zeitlich unbegrenzt in Kraft, »was viele in Washington begrüßen würden«, so die New York Times vom 8. Dezember. Ein solcher Ausgang würde aber mit Sicherheit keine dauerhafte Lösung bringen und mit großer Wahrscheinlichkeit auf den amerikanischen Erfinder zurückschlagen. Denn das Embargo gegen den Irak wird ohnehin nur noch mühevoll zusammengehalten. Rußland und China, aber auch Frankreich und andere Staaten wollen sich nicht länger von der Hinhaltetaktik der USA an der Nase herumführen lassen. Sie wollen mit dem Irak wieder ins Geschäft kommen. Deshalb dürfte es im Falle einer Ablehnung nur noch eine Frage der Zeit sein, bis ganz offen gegen die Embargoregeln verstoßen wird. Obwohl dies längst überfällig ist, um die humanitäre Katastrophe in dem zerbombten Land zu beenden, würde ein öffentlicher Embargobruch eine weitere Schwächung der ohnehin bereits stark angeschlagenen UNO bedeuten. Aber auch das dürften viele in Washington begrüßen.