Viel Schaum für die Europawahl
von Rainer Rupp
erschienen am 15.Mai 2019 via KenFM
Das Spottlied, das anlässlich der Reichstagswahl 1928 von Berliner Linken gegen die SPD-Kandidaten gesungen wurde, ist anlässlich der bevorstehenden, so genannten „Europawahl“ wieder brandaktuell:
Wir haben ihn gebilligt
den großen heiligen Krieg.
Wir haben Kredite bewilligt,
weil unser Gewissen schwieg.
Wir schlagen Schaum.
Wir seifen ein.
Wir waschen unsre Hände
wieder rein.
Dann fiel’n wir auf die Beine
und wurden schwarz-rot-gold.
Die Revolution kam alleine;
wir haben sie nicht gewollt.
Wir schlagen Schaum.
Wir seifen ein.
Wir waschen unsre Hände
wieder rein.
Wir haben die Revolte zertreten
und Ruhe war wieder im Land.
Das Blut von den roten Proleten, das klebt noch an unsrer Hand. Wir schlagen Schaum.
Wir seifen ein.
Wir waschen unsre Hände
wieder rein.
(Wer die Noten und den ganzen Text sehen will: Das Seifenlied)
Auch heute wird wieder viel Schaum geschlagen und die Wähler werden von den Politikern und Parteien, die zur so genannten „Europawahl“ angetreten sind, nach Strich und Faden eingeseift. Aber immer mehr Leute haben genug von den hohlen Parolen über die noblen Werte, die von der Europäischen Union angeblich verkörpert werden. Das verlogene Gelaber über Freiheit und Menschenrechte und soziale Gerechtigkeit, für die die EU angeblich steht, hängt immer mehr Bürgern zum Hals heraus, wenn sie im realen Leben genau gegenteilige Erfahrungen gemacht haben: nämlich weniger soziale Gerechtigkeit, dafür mehr Überwachungs- und Polizeistaat und weniger Freiheit und Schutz der Privatsphäre.
Neben dem in den Medien allgegenwärtigen Euro-Pathos gibt es dann auch noch die Tartaren-Meldungen. Sie warnen vor dem bedrohlichen Ansturm wachsender Zahlen kritischer EU-Bürger, die sich von den demokratisch nicht gewählten Herrschern in Brüssel nicht länger in ihr tägliches Leben hineinregieren lassen wollen. Sie haben hinter die Fassade geschaut und erkannt, dass das neo-liberale EU-Projekt von den Reichen, durch die Reichen für die Reichen geschaffen wurde.
Damit wird eine demokratische und soziale Reform dieses wasserdichten Konstrukts der Europäischen Union des Kapitals unmöglich, denn alle Schaltstellen dieses EU-Apparats werden von den Reichen, bzw. den Kapitalvertretern und ihren Lobbyisten kontrolliert.
Auch das EU-Parlament ist eine Mogelpackung prall gefüllt mit Seifenschaum Die demokratische Mitbestimmung des Volkes bei EU-Entscheidungen wird nur vorgegaukelt. Es ist ein „Parlament“, das den Namen Parlament nicht verdient. Mit formal demokratischen Prozeduren wird lediglich „europäische“ Demokratie gespielt. In der Praxis hat das EU-Parlament jedoch so gut wie nichts zu sagen, besonders wenn es um wirklich wichtige Dinge geht.
Da wäre z.B. die so genannte Austeritätspolitik, welche die EU auf deutschen Druck den wirtschaftlich schwer angeschlagenen Mitgliedsländern des Südens mit extremer Brutalität aufgezwungen hat. Um am „deutschen Wesen“ mit EU-Hilfe zu genesen, mussten die betroffenen Länder ihre Haushaltsausgaben kürzen und vor allem soziale Leistungen und Renten radikal zusammenstreichen. Zugleich wurden die Steuern erhöht, vor allem die Verbrauchssteuern, wovon natürlich die einkommensschwachen Familien am stärksten betroffen waren. Dadurch wurden z.B. in Griechenland wirtschaftliche und soziale Verwüstungen hinterlassen, wie man sie sonst nur nach einem militärischen Konflikt kennt.
Hauptsächlich war es aber bei diesem EU-koordinierten Menschenrechts- und Wirtschaftsverbrechen in Griechenland und den anderen südlichen Ländern um die Rettung deutscher, französischer und anderer Großbanken gegangen. Und bei solch wichtigen Dingen ist es doch ganz klar, dass das EU-Parlament nicht mitentscheiden durfte. Wo käme man da hin? Stattdessen konnte das EU-Parlament ausgiebig darüber beraten und abstimmen, ob die Umstellung der Uhr auf Sommer und Winterzeit EU-weit abgeschafft werden soll. Die Entscheidung wurde als Großtat des Parlaments über alle Medien verbreitet.
Seit Beginn der Finanz- und Schuldenkrise vor über zehn Jahren haben Politiker und Ökonomen immer wieder an den Regeln und Institutionen der Eurozone herumgedoktert, z.B. an einem neuen Plan für eine “vollständige Währungsunion”, aber das EU-Parlament war und ist daran nicht beteiligt. Alle wichtigen Entscheidungen, bei denen es um Kernelemente der herrschenden, kapitalistischen Vermögens- und neo-liberalen Wirtschaftsordnung geht werden im EU-Rat von den Regierungsvertretern der Mitgliedsländer beschlossen und von der EU-Kommission und untergeordneten Agenturen umgesetzt. Das Parlament spielt keine Rolle, es darf die gefassten Entscheidungen nur abnicken aber nicht blockieren.
Und warum protestieren die EU-Parlamentarier nicht? Wahrscheinlich weil sie für ihr Rollenspiel, mit dem sie dem EU-Ausbeutungsapparat ein demokratisches Mäntelchen umhängen, fürstlich entlohnt werden, nicht selten weitaus besser als in den nationalen Parlamenten. Hinzu kommt, dass es sich bei sehr vielen EU-Parlamentariern um abgehalfterte Politiker aus den nationalen Parlamenten handelt, für die man zu Hause keine Verwendung mehr hat, und denen man in Brüssel ein gut dotiertes, weiches Ruhekissen spendieren will.
Dieses Parlament ist Zitat: „nur ein Scheinparlament! Das EU-Parlament hat kein Budgetrecht, kein Initiativrecht für Gesetze, das hat allein die EU-Kommission. Deren Mitglieder werden von den Regierungen der Mitgliedsländer entsandt, den Präsidenten bestimmt der ‚Europäische Rat‘ (der Regierungschefs), das ‚Parlament‘ darf ihn bestätigen. Bei Rat und Kommission ist die Macht konzentriert, das Parlament ist real das Aushängeschild einer Fassadendemokratie“ so eine auf den Nenner gebrachte Analyse des Deutschen Freidenker-Verbands zur EU-Wahl.
Und warum schweigen die Medien über diese Mogelpackung „Europaparlament? Aus demselben Grund, warum die großen Medien nicht über die sozialen Missstände zu Hause berichten und lieber Schaumschlagen und mit Themen wie Gender-Problematik, der schwedischen Heilsbringerin Greta, oder angeblicher „Russischer Aggression“ ablenken. Kritik an der EU und am so genannten „Parlament“ findet man so gut wie nicht. Stattdessen heben die gekauften und bezahlten Hofschranzen des Kapitals in den dominanten Medien die EU als Weisheit letzter Schluss in den Himmel. Zugleich diffamieren sie jegliche Kritik an der EU als nationalistisches Teufelszeug, als Rechts, oder gar als faschistisch.
Und so sicher wie das Amen in der Kirche kommt dann auch noch das Gefasel von der bevorstehenden „Europawahl“ als „Schicksalswahl“, die angeblich „über Krieg oder Frieden“ in Europa entscheidet. Aber die EU als „Friedensprojekt“ ist nicht nur eine Mogelpackung sondern ganz dicke „FAKE NEWS“.
Die NATO-Aggression gegen Jugoslawien vor 20 Jahren unter Beteiligung der großen Mehrheit der damaligen der EU-Mitglieder war keine Jugendsünde. Vielmehr markierte der erste Krieg in Europa seit 1945 den Beginn einer von der Öffentlichkeit weitgehend unbemerkten Aufrüstungsspirale der Europäischen Union. Deren Ziel ist es, bei der Aufteilung der globalen Interessenssphären mit den USA „auf Augenhöhe“ verhandeln zu können. Inzwischen hat sich die EU mit ihren Schlachtgruppen Fähigkeiten zugelegt, die Brüssel erlaubt, in kürzester Zeit in einem Radius von bis zu 6.000 Kilometer außerhalb der EU-Grenzen militärisch zu intervenieren.
Zugleich verpflichtet der Vertrag von Lissabon alle EU-Mitgliedstaaten zu ständiger Aufrüstung. Im Rahmen der „PESCO“ („ständige strukturierte Zusammenarbeit“) ist die ständige Steigerung der Militärausgaben vereinbart. Für Rüstungsprojekte will die EU eine gemeinsame Kriegskasse („Rüstungsfonds“), bis 2027 in Höhe von 60 Milliarden Euro. Neue Kampfpanzer und neue Kampfflugzeuge sind vereinbart und natürlich eine „Eurodrohne“. Ein „militärischer Schengen-Raum“ soll reibungslose Militärtransporte an die neue „Ostfront“ sicherstellen. Für diese Erhöhung der „militärischen Mobilität“ werden ab 2020 Straßen und Brücken zu Kosten von 6,5 Milliarden € „kriegsverwendungsfähig“ ausgebaut.
Mit der EU-Gendarmerie Truppe „Eugendfor“ (eine Art Militärpolizei) steht eine Schattenarmee zur „Aufstandsbekämpfung“ am „Tag X“ bereit. Ein neues EU-Kriegsbündnis für „Krisenfälle“ nennt sich unverblümt „Europäische Interventionsinitiative“ – als erster Schritt zur geplanten „EU-Armee“. Zugleich hat die EU den blutigen Putsch in der Ukraine mit Rat und Tat unterstützt. Den Sturz der rechtmäßigen, demokratisch gewählten Regierung in Kiew bezeichnete EU-Präsident Juncker als „ein Tag zum Feiern“, für Federica Mogherini, die EU-Beauftragte für Außenpolitik was es „ein Freudentag“. Seither greift die EU dem von Faschisten durchdrungene Regime der Russenhasser in Kiew kräftig unter die Arme.
Beim EU-Gipfel 2013 hatten vor allem die die Staatschefs von Deutschland, Frankreich und Großbritannien darauf gedrängt, dass Kampftruppen endlich unter dem EU-Banner zum Einsatz kommen sollten. Zwei Jahre zuvor, 2011, wäre es beinahe schon so weit gewesen. Der EU-Rat, der sich aus Regierungsvertretern der Mitgliedsländer zusammensetzt, hatte bereits grünes Licht für den Einsatz einer „EU-Battle Group“ (Schlachtgruppe) in den Libyenkrieg gegeben.
Letztlich scheiterte der EU-Einsatz in Libyen nur am ausdrücklichen Widerstand der UNO. Zwar hatte die damalige EU-Kommissarin Benita Ferrero-Waldner klargelegt, dass die EU durchaus gewillt sei, nach amerikanischem Vorbild ihre Schlachtgruppen auch ohne UN-Mandat ins Feuer zu schicken (Der Standard, Wien, 20.3.2008). Aber gleich bei der Feuertaufe ohne ein solches Mandat – also völkerrechtswidrig – ins Feld zu ziehen, wollte das EU-Establishment dann offensichtlich doch nicht riskieren.
Wer jetzt immer noch an das Märchen von der EU als „Friedensprojekt“ glaubt, der sollte sich selbst schlau machen, wo überall in der Welt bereits Soldaten unter der EU-Flagge eingesetzt sind, was hinter den Schlachtgruppen steckt und wozu sie eingesetzt werden sollen. Zu Letzterem geben die Übungsszenarien für EU-Schlachtgruppen einen Einblick. Die im Anschluss vorgestellten 3 Szenarien lassen keinen Zweifel an den Intentionen des EU-„Friedensprojekts“:
-
Kampf gegen Partisanen (Battlegroup-Manöver Juli 2015)
-
Kampf gegen ein ominöses „Redland“ (Rotland), das „es auf die reichen Ölfelder von Greenland (Grünland) abgesehen hat und die betroffenen Gebiete seither besetzt hält“ (Battlegroup-Manöver, European Advance 2013)
-
Eingreifen in den Bürgerkrieg in einem fiktiven Land namens „Fontinalis“, das „5.000 Kilometer von Brüssel entfernt ist“ (European Endeavour 2012)
Jetzt stellt sich jedoch die Frage: Was tun“ bei der so genannten „Europawahl“?
Jede Wahlbeteiligung, egal für wen oder welche Partei, werden die herrschenden Eliten als Zustimmung zur ihrer neoliberalen EU und ihrem imperialen „Friedensprojekt“ werten. Umgekehrt bedeutet das: Je niedriger die Wahlbeteiligung, desto geringer der Legitimationseffekt für das monströse EU-Konstrukt. Wenn man also was Gutes tun will, spricht alles dafür, am Tag der „Europawahl“ zu Hause zu bleiben.
Wer als anti-Militarist und Friedensaktivist dennoch unbedingt an der EU-Wahl teilnehmen will, dem bleibt nur noch sein Kreuz bei der DKP zu machen. Denn auf die „Die Linke“ ist kein Verlass mehr; spätestens seit die Parteispitze um Riexinger und Kipping aus opportunistischen Gründen die Passage, dass die „EU militaristisch, undemokratisch und neoliberal“ sei, aus dem Wahlprogramm der Partei entsorgt hat. Zwar lehnt die „Linke“ zumindest den Militarisierungskurs der EU noch ab, aber unterm Strich stellt sie die EU selbst nicht in Frage. Sie ist somit lediglich das „kleinere Übel“.
Einzig und allein die DPK ist mit einer klaren Position zum Wahlkampf angetreten mit ihrem „Nein zur EU“ – „Raus aus der NATO“ – „Frieden mit Russland“. Zwar kann auch die DKP im EU-Parlament nichts ausrichten, aber sie hätte dort eine bessere Möglichkeit, öffentlichkeitswirksam ihre Position zu vertreten.