Wagner-Meuterei – Trotz Farce großer Schaden für Russland
von Rainer Rupp
Über den 24-stündigen angeblichen Wagner-Putsch vor einer Woche haben sich westliche Politiker und ihre Hofschranzen in den neo-liberalen System-Medien seither den Mund fusselig geredet. Allerdings haben sich die vom Westen genährten Hoffnungen, dass die von Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin angeführte Meuterei der Beweis für einen tiefen, inner-russischer Konflikt ist, der quer durch die russische Gesellschaft verläuft, schon nach einem Tag in Luft aufgelöst.
Allerdings wird der vom Westen herbei geredete „Riss“ durch Russland, der „den Anfang vom Ende des System-Putin“ oder „das baldige Ende des Diktators im Kreml“ signalisiert, für den Rest des Jahres das Mantra der von den Westmedien geschaffenen, virtuellen Wirklichkeit bleiben und eine Verhandlungslösung unmöglich machen.
Aber weil frei erfunden, wird der „Riss in der russischen Gesellschaft“ keine Auswirkungen auf die reale Welt oder die Ereignisse an der russisch-ukrainischen Front haben. Denn es gibt auch im Nachhinein keinen einzigen Hinweis dafür, dass die Nachrichten von der Wagner-Meuterei die operativen Maßnahmen und das Verhalten der russischen Truppen entlang der 1.000 Kilometer langen Front in irgendeiner Weise beeinflusst hätten. Selbst die unter Hochdruck in Kiew produzierte und über Telegram-Kanäle verbreitete Fake News über angebliches Chaos in den russischen Streitkräften, hatte keinen Einfluss auf das reale Frontgeschehen mit hohen ukrainischen Verlusten.
Entgegen allen westlichen und ukrainischen Hoffnungen hat die Wagner-Meuterei der Gegenoffensive der Ukraine nicht geholfen und der Sieg bleibt so unerreichbar fern wie zuvor. Im Gegenteil, seit Beginn der Offensive, ist es den ukrainischen Streitkräften nicht einmal gelungen, die etwa 15 km breite, schwer verminte graue Zone zu überwinden, die von der haushoch überlegenen russischen Artillerie, von der russischen Flugwaffe (Kampfhubschaubern und Jagd-Bombern), von russischen Panzern und russischer Infanterie mit Panzerabwehrraketen abgedeckt wird. Erst hinter dieser Grauen Zone kommt dann die ersten von insgesamt drei hintereinander gestaffelten, schwer befestigten russischen Verteidigungslinien.
Nach inzwischen fast 300 ukrainischen Vorstößen, bzw. Mini-Offensiven, – in den ersten zwei Wochen mit Kolonnen aus Panzern und Schützenpanzern angeführt von einem Minenräumpanzer – ist kein einziger Durchbruch gelungen. Denn ohne Luftunterstützung, die ukrainische Luftwaffe existiert nicht mehr, ohne funktionierende Flugabwehr, denn die russische elektronische Abwehr macht sie unbrauchbar, und ohne hinreichende Artillerieunterstützung blieben die gepanzerten Kolonnen bereits in den Minenfeldern liegen, nachdem der Minenräumpanzer an der Spitze der Kolonne als Erster abgeschossen wird. Der Rest der gepanzerten Kolonne, einschließlich die deutschen Leoparden, und der begleitenden Infanterie wurden dann leicht Beute für russischen Waffen und wurden in der Regel komplett aufgerieben.
Selbst westlichen Schätzungen zur Folge, wie z.B. laut dem im Pentagon immer noch bestens verlinkten, aber kritischen Ex-US-Oberst Douglas MacGregor hat die Ukraine seit Beginn ihrer Offensive vor weniger als vier Wochen bereits die Hälfte ihres schweren Kriegsgerätes und 30.000 Soldaten verloren, wovon die Hälfte gefallen ist.
Um weitere Verluste an schweren Waffen zu verhindern, werden seit über einer Woche die ukrainischen Soldaten ohne jegliche Unterstützung durch schweres militärisches Gerät in die Graue Zone und damit in den Tod geschickt. Die neue Taktik der Ukraine ist: um Maschinen zu sparen werden Menschen geopfert, die die russischen Verteidigungsanlagen in immer neuen Wellen über die Leichen ihrer toten Kameraden erstürmen sollen, aber in der Regel bereits im hochpräzisen russischen Artilleriefeuer verbluten, lange bevor sie die Schützengräben der Russen erreicht haben.
Nach allen Regeln der Kriegskunst hat die ukrainische Offensive keine Chance mehr. Die vernünftige Alternative wäre, die Offensive aufzugeben und dem Kreml Verhandlungsbereitschaft zu signalisieren. Aber ein solcher Schritt so kurz vor dem NATO-Gipfel ist für die korrupte politische und militärische Führung der Ukraine undenkbar. Denn das Eingeständnis der fehlgeschlagenen Offensive würde das Ende jeder weiteren westlich Unterstützung mit Geld und Waffen bedeuten und höchstwahrscheinlich auch das Ende der physischen Existenz der kriminellen Selenskij-Bande.
Ja, es sind Kriminelle, denn nur verbrecherische Gehirne können Väter, Söhne, Ehemänner zwangsrekrutierten, im Schnelldurchgang an komplexen Waffen ausbilden, von denen sie nichts verstehen, um sie dann ohne Schulung und Training in der Taktik der modernen Kriegsführung gegen einen materiell und technisch weit überlegenen Feind in den sicheren Tod zu schicken. Und all das nur um das eigene Leben an der Spitze des ukrainischen Staates noch etwas zu verlängern und noch mehr Geld für die Zeit danach im westlichen Asyl abzugreifen.
Denn die Top-Repräsentanten des Selenskij-Regimes haben Dank Prigoschins Putsch im Wasserglas gute Aussichten auf einen neuen Schub von Waffen und noch mehr Dollar- und Euro-Milliarden von ihren US/NATO-Freunden. Das hat damit zu tun, dass die schlimmsten US/NATO-Kriegstreiber die Wagner-Meuterei als Beweis für die Richtigkeit ihrer Unterstützung der Ukraine und für die Wirkung ihres Stellvertreter-Krieges gegen Russland präsentieren.
Allerdings hatte keine einzige Einheit der russischen Armee sich mit den Wagner-Meuterern solidarisiert, auch keine zivilen, oder politischen Gruppierungen. Selbst die Hardliner und Kritiker Putins und der Armeeführung hatten keine Sympathie für die Wagner-Meuterei und verurteilten Prigoschin scharf, obwohl sie seit vielen Monaten – ebenso wie Prigoschin – von der russischen Armeeführung verlangt hatten, die geballte Macht des Militärs gegen das Regime in Kiew einsetzen und nicht länger die von Putins geforderte Rücksicht auf die ukrainische Zivilgesellschaft zu nehmen.
Die angeblichen Risse in der russischen Gesellschaft, worüber unsere Westmedien schwelgen, gibt es nicht. Das wird auch von dem gewöhnlich gut informierten und neutralen Kenner der Ukraine und Russlands, dem ehemaligen Schweizer Obersten a.D. Jacques Baud in einem Interview mit Florian Rötzer am 26. Juni in „Overton“ bestätigt. Ich empfehle zwecks Schaffung von Klarheit das ganze Interview zu lesen.(1) Darin erklärt der ehemalige Schweizer Geheimdienst-Offizier Baud,
„warum das sicher kein Putschversuch war, … wie unsere Medien die Sache aufgeblasen haben, warum man im Westen von falschen Annahmen ausgeht, was der Aktion von Prigoschin zugrunde lag und warum Putin wahrscheinlich gestärkt aus dem Vorfall hervorgeht.“
Zu einer ähnlichen Schlussfolgerung wie Oberst a.D. Baud kommt der auf Telegram bekannte Militäranalyst, der unter dem Pseudonym Big Serge“schreibt. Laut Big Serge, waren „die Ereignisse des vergangenen Wochenendes (23. bis 25. Juni 2023) derart surreal und phantasmagorisch, dass sie sich jeder Beschreibung widersetzen“. Dennoch ordnete er die derzeit gängigsten Theorien über die Gründe für den (leider doch blutigen) Theatercoup von Prigoschin nach Wirklichkeitsgehalt und Plausibilität ein und erklärt zugleich faktenreich, was wirklich los war. Die deutsche Übersetzung des Big Serge Artikels ist bei „seniora.org erschienen (2).
Für die, die sich die Mühe ersparen wollen, die sehr informative aber auch lange Ausarbeitung von Big Serge durchzulesen, sind hiernach die beiden letzten Abschnitte seiner Schlussfolgerung abgedruckt:
„Es war trivialerweise offensichtlich, dass Prigoschin weder die Kraft noch die institutionelle Unterstützung oder den wirklichen Willen hatte, die Macht an sich zu reißen, und die (im Westen verbreitete) Vorstellung, dass er einen echten Putschversuch unternahm, war absurd. Stellen Sie sich einen Moment lang vor, dass es Wagner gelungen wäre, sich durch die russische Nationalgarde nach Moskau durchzuschlagen: Prigoschin stürmt das Verteidigungsministerium – er verhaftet (Verteidigungsminister) Schoigu und setzt sich auf dessen Stuhl. Glauben wir wirklich, dass die Armee im Feld plötzlich seine Befehle befolgen würde? Es ist kein Zauberstuhl. Die Macht ist nur im Falle eines totalen Zusammenbruchs des Staates greifbar, und was wir in Russland gesehen haben, war das Gegenteil – Wir haben gesehen, wie der Staat seine Reihen schloss.
Am Ende bleiben sowohl die neoliberalen Kommentatoren, als auch die pro-russischen Advokaten, dass das alles einem geheimen Plan folgte, um den Gegner zu verwirren, auf der Strecke. Zurück bleibt eine unbefriedigende Sicht der Dinge. Prigoschin ist weder der Vorbote eines Regimewechsels noch eine Figur in Putins vierdimensionalen Schachspiel. Er ist einfach ein launischer und äußerst verantwortungsloser Mann, der gesehen hat, dass ihm sein privates Militärunternehmen weggenommen werden sollte, und beschlossen hat, extreme und kriminelle Maßnahmen zu ergreifen, um dies zu verhindern. Er war ein Pokerspieler, der nichts in der Hand hatte und beschloss, sich mit einem Bluff aus einer Ecke herauszuwinden – bis sein Bluff aufflog.”
Der nachfolgende Kommentar eines nigerianischen Lesers der Analyse von Big Serge könnte eine zusätzliche Erklärung für das bizarre Verhalten von Prigoschin und seiner Wagner-Kerntruppe geben, die größtenteils bereits in Afrika von ihm eingesetzt worden war. Es war nur diese 8.000 Wagner-Kämpfer zählende Kerntruppe, also nur ein Viertel der insgesamt 32.000 Mann starken Wagner-Truppe, die sich an der Meuterei ihres Chefs beteiligt hatte.
Und hier folgt der Kommentar des nigerianischen Lesers(3):
Chima Okezue @ bigserge:
Ich bin Nigerianer. Ich wollte nur ein paar eigene Gedanken zu Ihrer Analyse hinzufügen.
In den afrikanischen Ländern, in denen Wagner aktiv ist, haben sie lokale Unterstützung. So wurde beispielsweise in der Zentralafrikanischen Republik von einem lokalen Bildhauer ein Denkmal errichtet, um Wagners erfolgreichen Kampf gegen dschihadistische Aufständische zu feiern.
Ich verfolge russische Telegram Kanäle und habe gehört, wie einige der maskierten Wagner-Kämpfer in der Donbass-Region sagten, dass sie nach Afrika zurückkehren wollen, wo die Dinge viel einfacher sind. Tatsache ist, dass Wagner auf dem afrikanischen Kontinent freie Hand hatte, ohne jegliche Aufsicht durch das russische Verteidigungsministerium und mit nur minimaler Überwachung durch den Kreml und den afrikanischen Gaststaat.
Prigoschin und ein Teil seiner Kämpfer sind daher sehr verärgert über die Unterwerfung unter das Diktat des russischen Verteidigungsministeriums im ukrainischen Einsatzgebiet. In Bakhmut konnte Wagner nicht einfach seine eigenen Operationen planen und durchführen. Er musste sich dem Diktat des russischen Verteidigungsministeriums beugen, einer militärisch-bürokratischen Einrichtung, die er weder besonders mochte noch respektierte. Sie können sehen, wie Prigohzin in Bakhmut wütend wurde, weil er die benötigten Waffen nicht bekam. Es ging nicht darum, ob die Munition wirklich ausreichte. Es ging um die Tatsache, dass Wagner nicht das bekam, was er auf Anfrage verlangte, wie es in jedem afrikanischen Land, in dem er operierte, der Fall gewesen wäre.
Wenn die Wagner-Truppen die Regierungen von Burkina Faso, Mali oder der Zentralafrikanischen Republik um die Lieferung bestimmter Materialien zur Unterstützung der örtlichen Aufstandsbekämpfung baten, erhielten sie diese stets ohne Widerspruch. (Bitte beachten Sie, dass die afrikanischen Gastländer für einen Teil der von Wagner verwendeten Waffen bezahlen, wenn auch nicht für alle).
Prigozhin und der loyalistische Kern seiner Kämpfer konnten sich einfach nicht an die Situation in der SMO-Zone in der Ukraine anpassen. Sie unterschied sich einfach zu sehr von ihren Erfahrungen in Afrika. Der Versuch, Wagner in die reguläre russische Armee zu integrieren, war der letzte Tropfen, der das Fass zum Überlaufen gebracht hat. Also revoltierten sie gegen das russische Verteidigungsministerium, und der Rest ist Geschichte.
Ja, ich glaube, da haben Sie recht. Das Arbeitsumfeld in der Ukraine ist völlig anders als in Afrika, und Prigozhin konnte sich nicht darauf einstellen.”
Zurück zu den aktuellen Ereignissen. Derweil werden in Belarus von der dortigen Regierung Lager für die etwa 8.000 Wagner-Kämpfer eingerichtet und es scheint, dass Russland oder Weißrussland das Wagner-Instrument auch in Zukunft verwenden wollen – wenn auch vermutlich weniger für den Ukraine-Krieg, sondern in Afrika.
Dennoch hat sich die Wagner-Meuterei nicht in Wohlgefallen aufgelöst. Tatsächlich ist der politisch-militärische Schaden für Russland groß, aber noch größer für die Ukraine!
Denn angesichts des katastrophalen Scheiterns der ukrainischen-Offensive hatten im kollektiven Westen inzwischen einige maßgeblichen Kreise begonnen, über ein Alternative zum Krieg und eine Lösung auf dem Verhandlungsweg nachzudenken. Die Wagner-Meuterei war jedoch Wasser auf die Mühlen der professionellen westlichen Kriegstreiber, die bereits dazu übergegangen waren, für einen Krieg ohne Ende in der Ukraine zu werben. Damit – so das Argument – könne eine formelle Niederlage der Ukraine verhindert und mit Hilfe eines Guerillaartigen Kleinkrieges, der von west-ukrainischen Nazi-Verbänden geführt würde, könnte Russland noch Jahrzehnte lang geschwächt und eventuell doch noch ruiniert werden.
Durch die Wagner-Meuterei haben diese destruktiven Kräfte im kollektiven Westen wieder Oberhand bekommen, zumindest für den Rest des Jahres. Mit ziemlichem Erfolg verkaufen sie derzeit 24/7, dass das System Putin wackelt. Man habe mit der Unterstützung der Ukraine alles richtig gemacht. So kurz vor dem Ziel des Zusammenbruchs des Kremls dürfe man nicht aufgeben. Der Sieg über Russland ist in greifbare Nähe gerückt. Wir alle müssen jetzt besonders große Anstrengungen machen, durchhalten, weiterkämpfen und noch mehr Waffen und Geld in die Ukraine schicken, heißt jetzt die Losung.
Das ist das Resultat der Meuterei des größenwahnsinnigen Wagner-Chefs. Am Ende wird auch das nicht den unaufhaltsamen Niedergang und die Zerstörung der Ukraine verhindern, aber bis dahin werden Tausende von russischen und das Vielfache von ukrainischen Soldaten sterben müssen, deren Leben und Gesundheit hätten bewahrt werden können, wenn die allgemein gewachsene westlich Bereitschaft zu einer Verhandlungslösung nicht durch die Wagner-Meuterei erstickt worden wäre.
Quelle und Anmerkungen
(2) https://seniora.org/politik-wirtschaft/russisch-ukrainischer-krieg-der-wagner-aufstand