Waigel auf Geldwäschetour in Asien

Waigel auf Geldwäschetour in Asien

von Rainer Rupp

erschienen am 19.02.1998 in der Jungen Welt

Werden drohende Bankenverluste mit Steuergeldern abgewendet?

Bundesfinanzminister Theodor Waigel bereist bis Freitag die asiatischen Länder Südkorea, Indonesien und Thailand. Begleitet wird Waigel unter anderem von Finanzstaatssekretär Jürgen Stark und Führungskräften der Finanzwirtschaft. Sie wollen sich an Ort und Stelle über die Auswirkungen der schwersten Finanz- und Währungskrise der Region informieren – so zumindest lautet die offizielle Erklärung für den Trip. Tatsächlich ist Waigel jedoch in einem gigantischen, aber ganz legalen Geldwäschegeschäft unterwegs. Dabei geht es darum, die den deutschen Finanzinstitutionen in Asien drohenden Riesenverluste mit Hilfe von Steuergeldern – und über den Umweg des Internationalen Währungsfonds (IWF) – in stattliche deutsche Bankengewinne zu verwandeln. Eine etwas komplizierte Aktion; die Weichen sind aber bereits gestellt, gemeinsam mit den anderen sogenannten entwickelten Industrieländern.

Nur die Regierungen der schwer angeschlagenen kleinen asiatischen Tigerstaaten wollen noch nicht so richtig mitspielen, weshalb der BRD ein Ministerbesuch angebracht schien.

Die Umwandlung von Steuergeldern in Bankengewinne folgt dem altbewährten kapitalistischen Prinzip, daß Gewinne privat sind, Verluste dagegen möglichst sozialisiert werden sollen. Was früher auf nationaler Ebene gang und gäbe war, erfolgt heute global unter Einschaltung internationaler Institutionen.

Zum besseren Verständnis dessen, was zur Zeit in Asien vorbereitet wird, sei auf das Beispiel Mexiko verwiesen. Vor etwa drei Jahren platzte unverhofft das damals viel gepriesene mexikanische Wirtschaftswunder wie eine Seifenblase. Wie ein scheues Reh beim ersten Anzeichen einer Gefahr verließ das Kapital fluchtartig das Land, was die Krise nur noch vertiefte. Quasi über Nacht fiel der Wert des Peso gegenüber dem Dollar um die Hälfte. In der Hoffnung auf einen nicht enden wollenden Boom hatten europäische, hauptsächlich aber US-Banken dem mexikanischen Staat und den staatlichen Konzernen über 50 Milliarden Dollar geliehen. Plötzlich konnte Mexiko nicht einmal mehr seine Zinsen zahlen, geschweige die Tilgung. Neue Kredite blieben aus. Dem Land drohte der Staatsbankrott. In solchen Fällen kann nur noch der IWF helfen. Gegen rigorose Auflagen zwecks Abbau der sozialen Leistungen greift er den betroffenen Ländern mit neuen Krediten unter die Arme. Die Schuldenlast Mexikos überstieg jedoch selbst die Möglichkeiten des IWF.

Die Gefahr der mexikanischen Zahlungsunfähigkeit wurde immer akuter und mit ihr die Aussicht, daß die europäischen und amerikanischen Gläubigerbanken ihre Kredite abschreiben und riesige Verluste einstecken mußten. Aber die Hochfinanz der USA kann sich auf ihre Regierung in Washington verlassen. Die drängte die Europäer und Japaner, ihre Beiträge zum IWF zu erhöhen, wobei sie selbst 20 Milliarden Dollar zur Rettung Mexikos zuschießen wollte.

Das Spielchen war jedoch zu durchsichtig. Im Kongreß, der die Summe bewilligen mußte, erhob sich starker Widerstand gegen den Plan, mit Hilfe von Steuergeldern die drohenden Verluste der Wall-Street-Hochfinanz abzuwenden. Erst nach intensivem Lobbying konnte sich die Regierung schließlich durchsetzen. Der IWF bekam sein Geld und räumte Mexiko eine Kreditlinie von 50 Milliarden Dollar ein. Damit konnte Mexiko wieder seine Zinsen und Tilgungen zahlen, die Produktion erholte sich, neue private Gelder kamen ins Land, um zum niedrigen Wechselkurs mexikanische Unternehmen zu Dumpingpreisen aufzukaufen – denn die wichtigsten staatlichen Betriebe, inklusive Erdölförderung und Verarbeitung, mußten als Auflage des IWF privatisiert werden. Große Teile der wichtigsten Industrien sind heute in ausländischen Händen oder mit starker ausländischer Beteiligung. Viele Wirtschaftsbereiche florieren wieder, und dank der niedrigeren Löhne und Sozialleistungen sind die Gewinne höher als zuvor. Alle klopften sich auf die Schulter, die mexikanische Wirtschaft war gerettet; wenn auch mit dem kleinen, allerdings zu vernachlässigenden Schönheitsfehler, daß der Lebensstandard der Massen gesunken und die Armut gestiegen war.

Was im Falle Mexiko vorexerziert worden war, läßt sich nun in Asien nicht so einfach wiederholen. Das Problem ist, daß der IWF seine Kreditlinien nur an Regierungen einräumt. Die Hauptschuldner in Asien sind jedoch Privatleute; Banken und riesige Industriekonglomerate. Zwar hat der IWF – natürlich nur gegen die entsprechenden Auflagen – den von der Finanz- und Währungskrise betroffenen asiatischen Regierungen bereits erhebliche Beistandskredite gewährt, deren Dimension die von Mexiko weit übersteigt, das Problem der privaten Hauptschuldner ist damit aber nicht gelöst. Deshalb drängen die westlichen Gläubigerbanken, der IWF und die Regierungen die asiatischen Finanzminister, die Schulden der privaten Industrie und Banken zu übernehmen, weil dann der IWF als Retter einspringen kann, denn der Kreislauf wäre geschlossen.

Mit anderen Worten: Sozialisierung der Privatverluste in Asien erlaubt dem IWF, zusätzlich Kredite zu gewähren. Die Gelder dafür werden von den großen westlichen Industrieländern aufgebracht, also mit Steuergeldern. Mit den zusätzlichen Krediten können dann die Asiaten den westlichen Finanzinstitutionen die Schulden zurückzahlen, die sie sonst wahrscheinlich als faule Kredite abschreiben müßten. Da die BRD mit von Partie ist, würden damit auch deutsche Steuergelder im Rahmen dieses Mechanismus dazu verwandt, die armen deutschen Banken vor Verlusten aus faulen asiatischen Privatkrediten zu schützen und weiterhin Zinsen und Gewinne zu sichern. Die Profite aus früheren Jahren, die man mit den Asiaten gemacht hat, fallen dabei natürlich dezent unter den Tisch. Es geht schließlich darum, der asiatischen Wirtschaft aus der Krise und den notleidenden Menschen dort zu helfen. Und dafür muß auch ein deutscher Finanzminister schon mal nach Asien reisen, um die dortigen Regierungen davon zu überzeugen, bei dem Spiel mitzumachen.

Zumindest in Korea und Thailand gibt es jedoch erbitterten Widerstand gegen eine Sozialisierung der Privatschulden der lokalen Hochfinanz. Durch die Krise und die Auflagen des IWF verschlechtert sich die soziale Lage der Massen rapide und die Stimmung ist explosiv. Die Sozialisierung der Privatschulden derjenigen, die für die Misere verantwortlich gemacht werden, könnte das Feuer an die Lunte legen.