»Warum sind die noch nicht gestorben?«
von Rainer Rupp
erschienen am 18.12.1999 in der Jungen Welt
Welternährungsprogramm der UNO warnt vor Hungerkrise in Serbien
Parallel zur NATO-Ratstagung in Brüssel, wo am Mittwoch und Donnerstag der Bombensieg über Jugoslawien gefeiert wurde, warnte eine Hilfsorganisation der Vereinten Nationen vor einer Hungerkrise in Serbien, die durchaus mit den Zuständen in Nordkorea vergleichbar sei.
Das Welternährungsprogramm der UNO (WFP) beabsichtigt deshalb, etwa zehn Prozent der serbischen Bevölkerung zu helfen, die besonders von dem Problem betroffen sind. Die Organistaion will Lebensmittelhilfe für 890 000 Menschen bereitstellen. Das seien 330 000 mehr als im Jahr zuvor.
»Ich würde sagen, es ist noch keine humanitäre Katastrophe, aber die Lage ist sehr, sehr ernst«, erklärte der WFP-Koordinator für Nothilfe, Robert Hauser, nach seinem Besuch in Belgrad diese Woche. Aufgrund der von verschiedenen westlichen Staaten, besonders von Deutschland, betriebenen Zerschlagung Jugoslawiens und der NATO-Wirtschaftssanktionen ist die Armut in Serbien seit einem Jahrzehnt wieder auf dem Vormarsch.
Nach Angaben des WFP befinden sich in Serbien noch etwa 337 000 serbische Flüchtlinge aus Bosnien und Kroatien, von wo sie von extremistischen Nationalisten unter stillschweigender Duldung der NATO Mitte der 90er Jahre vertrieben worden waren. Das UNHCR geht von mindestens doppelt so vielen Flüchtlingen aus. Hinzu kämen nach Angaben des WFP die Kosovo-Flüchtlinge. Seit Einmarsch der NATO-geführten Truppen, das heißt, seitdem die »Kosovo-Befreiungsarmee« (UCK) im Kosovo ein Regime der Terrors errichten konnten, hätten 240 000 Menschen aus der südlichen Provinz in Serbien Zuflucht gesucht.
»Wenn man sich jetzt die Leute anschaut – die armen Leute, die Leute, die ihre Arbeit verloren haben, die von ihren Renten leben, die Arbeitslosen – dann wundert man sich, warum sie noch nicht gestorben sind«, meinte Robert Hauser gegenüber BBC. Das WFP plant für das kommende Jahr, Lebensmittelhilfe im Wert von 92,5 Millionen Dollar nach Serbien zu schicken und dort an Rentner, Flüchtlinge und andere Arme zu verteilen.