Wer schützt die Demokratie vor dem Verfassungsschutz?

Wer schützt die Demokratie vor dem Verfassungsschutz?

von Rainer Rupp

erschienen am 12. April 2024 auf apolut

Vor wenigen Tagen gab es in der „Neuen Zürcher Zeitung“ eine Überraschung. Das Schweizer „Qualitätsmedium“, das ganz auf Linie der neoliberal-Weltordnung auf Basis US-gemachter Regeln publiziert, und deshalb auch in deutschen Bildungskreisen geschätzt ist, hat in der Tat kritisch die gesetzlichen Änderungen im deutschen Beamtenrecht thematisiert.(1)

Unter dem Titel: „Unliebsamen Beamten droht in Deutschland die Entfernung aus dem Dienst“ – mit dem Untertitel: „Deutsche Beamte können jetzt leichter aus dem Dienst entfernt werden – nicht bei Faulheit, aber wenn sie die falschen Ansichten haben“, nimmt die NZZ das Wirken der sozialdemokratischen Innenministerin der Ampel-Koalition Nancy Faeser ins Visier, weil sie die vom Grundgesetz garantierten demokratischen Werte wie Meinungsfreiheit und Informationsfreiheit abbaut, unter dem absurden Vorwand, die Meinungsfreiheit und Demokratie zu schützen.

Das neue Disziplinarrecht für Beamte wie z.B. Polizei oder Lehrer, das seit 1. April gilt, sei ein weiteres Element von Faesers „Paket gegen Rechtsextremismus“ und es „eröffnet Möglichkeiten der Willkür“, so die NZZ. Denn: Wann ist jemand Extremist?(2) fragt die NZZ.

«Wer den Staat ablehnt, kann ihm nicht dienen», hatte Faeser zur Begründung gesagt. Aber auch Beamte haben ein Recht auf freie Meinungsäußerung und auf politische Betätigung; auch wenn sie zugleich dem so genannten „Mässigungsgebot“ unterliegen. Dazu bringt die NZZ nachfolgendes Beispiel der Eisschnellläuferin und Bundespolizistin Claudia Pechstein.(3)

Die Bundespolizistin Claudia Pechstein bekam im vergangenen Sommer Ärger, als sie bei der CDU eine Rede hielt und dabei Uniform trug. Freilich waren den Kritikern auch die Inhalte ihrer Rede unwillkommen: Pechstein sah das Gendern kritisch, plädierte für Abschiebungen von abgelehnten Asylbewerbern und kritisierte, dass man sich zu sehr mit unwichtigen Fragen befasse wie etwa der, ob man «Zigeunerschnitzel» sagen dürfe. Das Disziplinarverfahren ist noch nicht abgeschlossen, wie Pechsteins Manager der NZZ auf Nachfrage mitteilte.

Doch zurück zu Faeser. Deren Gesetzesänderung geschehen in einem politischen Umfeld, in dem der Begriff „verfassungsfeindlich“ immer weiter aufgeweicht und von Politikern und Regierungsbehörden für alles Mögliche missbraucht wird. So galten schon Lehrer als verfassungsfeindlich, wenn sie gegen die Schulschließungen während der Corona-Plandemie waren. Für sogenannte „Querdenker“ und Impfgegner wurde sogar eine eigene Kategorie im Verfassungsschutzbericht erfunden: die der „verfassungsfeindlichen Delegitimierung des Staates“.

Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen: „verfassungsfeindliche Delegitimierung des Staates“! Als würden die Ampelpolitiker samt CDU und Die Linke nicht mehr als genug dafür tun, um sich selbst und mit ihrem Handeln auch die staatlichen Institutionen lächerlich zu machen und somit zu delegitimieren. Dafür braucht man keine Querdenker, Impfgegner oder Putin-Versteher. Die politischen Nieten und Knallköppe, die sich als Eliten aufspielen und sich gerne als solche von ihren „Qualitätsmedien“ feiern lassen, wollen mit diesen Gesetzen zur Einschränkung und zum Abbau unserer Grundrechte nur sich selbst vor Kritik an ihrer Inkompetenz schützen, mit der sie auf dem besten Weg sind, unser Land komplett zu ruinieren.

Nach dem neuen Beamten-Disziplinargesetz führt eine Freiheitsstrafe wegen Volksverhetzung von mindestens sechs Monaten Dauer zur Entfernung aus dem Dienst – vorher waren es zwölf Monate.

Zu Zeiten der Plandemie konnte die Teilnahme an einer Demo gegen Corona-Maßnahmen schon als „verfassungsfeindlich“ gewertet werden. Was Volksverhetzung ist, ist dabei seinerseits dem Wandel unterworfen. Hatte der Paragraf 130 des Strafgesetzbuches vor einigen Jahren zwei Absätze, so sind es inzwischen acht. Es ist also viel einfacher geworden, wegen Volksverhetzung vor Gericht zu kommen. Schon wer in Abrede stellt, dass es mehr als zwei Geschlechter gibt, muss inzwischen befürchten, hierfür belangt zu werden.

Wer schützt unsere bürgerlichen Freiheitsrechte vor dem Verfassungsschutz?

Tatkräftige Hilfe bei ihrem Umbau Deutschlands zu einer streng kontrollierten Demokratur bekommt die Chefarchitektin Faser von ihrem Verfassungsschutz-Chef Haldenwang, der kräftig gegen Andersdenkende und gegen die Meinungsfreiheit austeilt.

Kritiker werfen Haldenwang vor, dass der Verfassungsschutz unter seiner Ägide zu einem Instrument der Bundesregierung mutiert ist. Diesen Vorwurf wollte dieser nicht auf sich sitzen lassen und holte zum Schlag gegen seine Kritiker aus – der sich jedoch als Rohrkrepierer erwies.

Mit seinem am 1. April (kein Scherz) veröffentlichten Gastbeitrag für die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) mit dem Titel “Die Meinungsfreiheit ist kein Freibrief für Verfassungsfeinde” wollte Haldenwang seinen Kritikern den Wind aus den Segeln nehmen. Zu diesem Zweck fasste er zunächst die an ihm und seiner Behörde geäußerte Kritik der jüngeren Zeit recht zutreffend zusammen:

Es ist die Rede von einer ‘Gesinnungspolizei’, einer ‘Sprachpolizei’ oder auch von einem ‘Regierungsschutz’. Politische Meinungen würden ‘auf Weisung’ hin als extremistisch diskreditiert, sobald sie vom politischen und gesellschaftlichen Mainstream abweichen oder Regierungshandeln beziehungsweise die Arbeit demokratischer Parteien kritisieren.”

Laut gewordene Forderungen, wonach sich der Verfassungsschutz politisch neutral verhalten müsse, seien “völlig richtig“, betonte Haldenwang anschließend, nur um dann zu unterstreichen, dass diese Neutralität nicht gegen Andersdenkende gilt:

Wir sind politisch neutral, aber nicht gegenüber denen, die gegen unsere freiheitliche Demokratie agieren und agitieren”,

was natürlich eine Gummi-Begriff ist. Den können Haldenwang und seine Häscher nach Belieben dehnen, wenn sie jemanden im Visier haben.

Haldenwang und Co haben es vor allem auf die AfD abgesehen? Im Bundestag ist sie die einzige Partei mit schnell wachsenden Zustimmungsraten. Zugleich ist die AfD die einzige Partei, die sich dem Diktat der neoliberal-Weltordnung auf Basis US-gemachter Regeln nicht unterwirft und sich zugleich resolut gegen den US/NATO/EU-geschürten Krieg gegen Russland stellt, der von den westlichen Eliten auf dem Rücken der arbeitenden Bevölkerung auch in unserem Land geführt wird. Sie ist die einzige Partei, die sich gegen die US-Kriegstreiber in Washington, in der NATO und korrupten EU stellt. Und das geht natürlich überhaupt nicht!!

Deshalb sieht der Chef des Inlandsgeheimdienstes und Elitenschützer auch die Demokratie in der Bundesrepublik “selten so in Gefahr wie heute”. Und von wem die Gefahr ausgeht, liegt für ihn auf der Hand. Zwar erwähnt Haldenwang die Partei in seinem FAZ-Beitrag nicht explizit, aber dass diese gemeint ist, macht folgende Passage im Anschluss deutlich:

Die zu Jahresbeginn bekannt gewordenen Vernetzungstreffen zwischen Rechtsextremisten und Teilen der gesellschaftlichen Mitte belegen Entgrenzungsprozesse, vor denen das Bundesamt für Verfassungsschutz zuvor schon gewarnt hatte.”

Gemeint ist natürlich das vermeintliche “Geheimtreffen” in Potsdam, das mit wohlwollender Unterstützung der Bundesregierung und der Medien Massenproteste gegen die AfD zur Folge hatte. Die regierungsnahen Geschichten-Erfinder von „Correctiv“ hatten das Treffen öffentlich gemacht und behauptet, dort seien Pläne zur millionenfachen Deportation – auch von Deutschen mit Migrationshintergrund – im Rahmen einer “Remigration” besprochen worden.

Ein CDU-Jura-Professor, der u.a. zu den Teilnehmern des Treffens gehörte, erstattet Anzeige wegen Verleumdung und Falschaussagen und Correctiv ist auf seinen Webseiten klammheimlich auf Abstand zur eigenen Darstellung gegangen.

Dass Haldenwang ausgerechnet dieses Treffen als Beleg für die gefährdete Demokratie anführt, ist bezeichnend. Denn was dort wirklich gesagt wurde, damit beschäftigen sich derzeit Gerichte. Zudem “prüft” der Generalbundesanwalt bereits seit zwei Monaten ein Verfahren gegen die Teilnehmer des Potsdamer Treffens wegen Hochverrats, nachdem entsprechende Strafanzeigen eingegangen waren.

Von Haldenwang als Chef der Behörde, die die Verfassung schützen soll, hätte man doch erwarten können, wenigsten die Entscheidung des Gerichts abzuwarten – denn schließlich gilt bis dahin die in der Verfassung verankerte Unschuldsvermutung.

Stattdessen spricht Haldenwang bereits von einem “belegten Entgrenzungsprozess”. Denn für Haldenwang ist strafrechtliche Relevanz ohnehin irrelevant, wie er in seinem FAZ-Beitrag mit nachfolgenden Sätzen untermauert:

Auch die Meinungsfreiheit hat Grenzen. Die äußersten Grenzen zieht das Strafrecht, etwa in Hinsicht auf strafbare Propagandadelikte oder Volksverhetzung. Jedoch auch unterhalb der strafrechtlichen Grenzen und unbeschadet ihrer Legalität können Meinungsäußerungen verfassungsschutzrechtlich von Belang sein.”

 “In diesem Satz steckt Sprengstoff”, kommentiert Josef Kraus auf Tichys Einblick die Aussage des Geheimdienstchefs, um weiter auszuführen:

Wenn der Verfassungsschutz ‘unterhalb der Strafbarkeitsgrenze’ aktiv wird, heißt das nichts weniger, als dass jeder Rechtsweg ausgeschlossen ist, jede Überprüfung staatlichen Handelns. Wem Straftaten vorgeworfen werden, der kann sich vor Gericht verteidigen, und richterliche Entscheidungen sind wiederum an Gesetze gebunden; in den meisten Fällen gibt es sogar eine Überprüfungsinstanz. Unterhalb der Strafbarkeitsgrenze operiert der Verfassungsschutz geheim, also unkontrollierbar und verdeckt; Faeser nannte ja als Instrumente Kontensperrung, Anzeige beim Gewerbeaufsichtsamt, um schärfere Kontrolle auszulösen. Auch Anrufe beim Arbeitgeber, in der Schule, in den Behörden sind als geheime Maßnahmen benannt. Es ist ein Willkürbereich.”

Der Autor nimmt Bezug auf SPD-Faesers so genanntes „Demokratiefördergesetz“, das nichts anderes als ein Anschlag auf unsere im Grundgesetz verbrieften demokratischen Freiheitsrechte ist. Ganz in diesem Sinne operiert auch der Chef des sogenannten „Verfassungsschutzes“, wenn er meint, der Staat müsse sich nicht nur gegen Gewalt wenden, sondern auch gegen ‘verbale und mentale Grenzverschiebungen’. Aber gegen „mentale Grenzverschiebungen“ hilft nur die Gedankenpolizei, die die privaten Emails, Telefongespräche und Computer auf böse Gedanken durchsucht und die Übeltäter wegen Gefährdung des Staatswohls (des Wohls der Eliten) hart bestraft. Klaro: das war schon immer so, wenn es eng wird, dann ist das „Wohl der Staatseliten“ wichtiger als der Schutz der bürgerlichen Freiheitsrechte des gemeinen Volkes, dem man bei zunehmender Ausbeutung und Sozialabbau ohnehin nicht über den Weg trauen kann.

Dazu fällt mir eine Aussage von Ignazio Silone gegen Ende des Jahres 1944 ein:

Wenn der Faschismus wiederkehrt, wird er nicht sagen: Ich bin der Faschismus. Nein, er wird sagen: Ich bin der Antifaschismus.“

Dieses Zitat stammt von dem überzeugten Kämpfer gegen den Faschismus Ignazio Silone. Als er nach langen Jahren im Schweiz Exil Ende 1944 über die Grenze zurück ins befreite Italien kam, war das seine Antwort auf die Frage eines Journalisten, ob er sich vorstellen könnte, dass der Faschismus je wieder zurückkommen würde.

Auch Faesers neue Gesetze und Bestimmungen gegen “Rächts” kommen im anti-faschistischen Mäntelchen daher. Bemerkenswert ist allerdings, dass in der aktuellen Kampagne(4) zur Konstruktion einer angeblich rechtsextremen Unterwanderung der Polizei als Vorwand zur Durchsetzung der neuen Bestimmungen gegen „rächte“ Landesbeamte nicht genügend Rechtsradikale gefunden wurden und deshalb auf angebliche “Anhänger von Verschwörungstheorien” zurückgegriffen werden muss, um überhaupt 400 Verdächtige zusammenzukriegen.

Auch hier wird wieder ein schwammiger Begriff verwendet, mit dem man alles machen kann. Auch wenn der jeweiligen Zielperson letztlich kein strafrechtlich relevantes Vergehen nachgewiesen werden kann, kann er mit den juristischen Maßnahmen gesellschaftlich, beruflich und materiell zugrunde gerichtet werden und da sich das alles außerhalb eines gesetzlichen Rahmens abspielt, kann der Betroffenen nicht einmal Klage einreichen.

Man braucht keine große Phantasie, um sich vorzustellen, was es bedeutet, wenn SPD-Faeser erklärt, auf welche Informationen und Maßnahmen sie zurückgegriffen will, um mit dem neuen Verfassungsschutzgesetz die Gefährder des Staatswohls zu identifizieren und auszusortieren:

Wir rufen jeden an, Arbeitgeber, Bank und Schwiegermutter”.

Das neue Gesetz beinhaltet auch die Berechtigung, “öffentlich verfügbare” Daten ohne rechtliche Begrenzungen zu verwenden.

Diese Formulierung ist nicht nur wegen der Nebengeheimdienste gefährlich, die sich die Zeit damit vertreiben, vermeintliche Zusammenhänge zu konstruieren und Personen zu diffamieren, wenn nicht gar deren Adressen und weitere persönliche Informationen offenzulegen; diese Formulierung dürfte noch viel weiter reichen.

Denn auch Daten, die auf dem Datenmarkt verkauft werden, gelten als “öffentlich verfügbar”. Smartphones sind gigantische Datenstaubsauger, die aufzeichnen und weitergeben, in welchen Lokalen man essen war, welchen Weg man zur Arbeit nimmt oder wem man öfter begegnet. Da all diese Daten bei Datenhändlern landen, müssen sie nur noch über besagte Nebengeheimdienste erworben und ausgewertet werden, und schon hat in der Folge eine Bundesbehörde die Ergebnisse einer umfangreichen Überwachung, ohne eine einzige Arbeitsstunde dafür aufgewandt oder an irgendeiner Stelle eine gerichtliche Genehmigung benötigt zu haben.

Und dann wäre da auch noch das beabsichtigte Gesetz zur Überwachung von Kontenbewegungen, das ganz problemlos die Daten liefert, wer jemals Geld an irgendwen oder für irgendwas gespendet oder gezahlt hat, das dem Staatswohl nicht genehm ist. Damit verwandeln sich die Banken in den verlängerten Arm des Inlandsgeheimdienstes, wobei auch hier die Ausweitung darüber läuft, dass ein bestimmtes Zielkonto für verdächtig erklärt wird, weit unterhalb der Strafbarkeit, und dann die Daten der Spender oder der Mitglieder gewissermaßen als kostenlose Dreingabe fließen.

Man darf derartige rechtliche Schritte nicht so betrachten, als stünden sie allein. Als käme immer nur eines dieser neuen Gesetze zur Anwendung. Um wirklich zu begreifen, was da geschieht, muss man sie gebündelt betrachten und fragen, was macht das mit einem Menschen. Und was bedeutet es, wenn der staatliche Apparat in Fällen, in denen nicht einmal eine Straftat vorliegt, mit Vollmachten ausgestattet wird, deren Folgen weit über jene hinausgehen, die eine Straftat auslöst?

Das ist, zugegeben, eine raffiniertere Lösung, als Schutzhaft in die Gesetze zu schreiben, wie das nach 1933 der Fall war. Es braucht dafür keine uniformierten Schlägertrupps, und niemand hat Blut an den Händen. Zumindest nicht auf eine Art und Weise, dass es für andere sichtbar wird.

Mehr zum Thema Faeser und die Grenzen des Rechtsstaats.  (5)

Quellen und Anmerkungen

 

(1) https://www.nzz.ch/international/unliebsamen-beamten-droht-in-deutschland-die-entfernung-aus-dem-dienst-ld.1824698

(2) https://www.nzz.ch/der-andere-blick/nancy-faeser-und-die-neue-deutsche-herrschaft-des-verdachts-ld.1814009

(3) https://www.nzz.ch/international/claudia-pechstein-stiehlt-friedrich-merz-und-der-cdu-die-show-ld.1743183

(4) https://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2024-04/rechtsextremismus-polizei-gruene-disziplinar-massnahmen-rechtsextremismus

(5) https://freeassange.rtde.live/meinung/190578-faeser-und-grenzen-rechtsstaats/