Wie Russland sich nach Asien ausrichtet – und an Bedeutung gewinnt
von Rainer Rupp
erschienen am 21. Juli 2024 auf RT
Russlands wichtiger werdende Rolle in Asien, die Vertiefung der Partnerschaft mit China und die Rolle von BRICS und SCO bilden einen Gegenpol zum westlichen Einfluss und umfassen unter anderem umfangreiche Handelsabkommen, Energiekooperationen und gemeinsame Infrastrukturprojekte.
Die geopolitische Strategie Russlands in Asien und die Integration in die BRICS (Brasilien, Russland, Indien, China, Südafrika) sowie die Shanghai Cooperation Organization (SCO) stellen bedeutende Entwicklungen im Widerstand gegen den westlichen Einfluss dar. Diese Analyse untersucht Russlands Rolle in diesen Organisationen, die Auswirkungen auf die eurasische Geopolitik und wie diese Allianzen eine multipolare Welt formen.
Russlands Neuausrichtung nach Asien spiegelt die breiteren strategischen Ziele wider, abseits von Europa wirtschaftliche Partnerschaften zu diversifizieren und seinen geopolitischen Einfluss zu stärken. Historisch gesehen war Russland eng mit Europa verbunden, aber seit dem US-finanzierten und organisierten Maidan-Putsch in Kiew vor zehn Jahren haben die Spannungen mit dem zunehmend kriegslüsternen Westen rasant zugenommen, und spätestens mit der westlichen Verhängung der “Sanktionen aus der Hölle” hat sich die russische Zuwendung in Richtung Asien weiter beschleunigt. Diese Neuausrichtung ist durch gestärkte Beziehungen zu China, Indien und zu anderen asiatischen Nationen gekennzeichnet, was die Schaffung einer multipolaren Weltordnung erleichtert.
Die Bedeutung von BRICS
BRICS, ein Akronym für einen Wirtschaftsblock bestehend aus Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika, repräsentiert eine kollektive Anstrengung, die wirtschaftliche Zusammenarbeit und den politischen Dialog zwischen aufstrebenden Volkswirtschaften vor allem im Globalen Süden zu fördern, wobei auch europäische Staaten nicht ausgeschlossen sind, wie z. B. Ungarn, Serbien und die Türkei, die ebenfalls Interesse angemeldet haben. Für Russland ist BRICS eine Plattform zur Zusammenarbeit in wirtschaftlichen, politischen und sicherheitsrelevanten Fragen und bietet eine Alternative zu westlich dominierten Institutionen wie dem Internationalen Währungsfonds und der Weltbank.
Was die wirtschaftliche Zusammenarbeit innerhalb der BRICS betrifft, so arbeitet Russland zusammen mit den anderen Gründungsmitgliedern an verschiedenen wirtschaftlichen Initiativen, einschließlich der Neuen Entwicklungsbank (NDB), die Infrastrukturprojekte in den Mitgliedstaaten finanziert. Diese Zusammenarbeit reduziert die Abhängigkeit von westlichen Finanzsystemen und fördert das gegenseitige wirtschaftliche Wachstum.
BRICS bietet zugleich ein Forum für politischen Dialog, in dem Mitgliedstaaten globale Themen diskutieren und koordinieren. Diese kollektive Haltung stärkt Russlands Einfluss auf die Gestaltung internationaler Normen und Richtlinien. Zugleich stellt BRICS die Unipolarität der globalen Führung durch die US-diktierte “regelbasierte internationale Ordnung” infrage, indem es z. B. gemeinsam mit China für eine ausgewogenere und inklusivere internationale Ordnung eintritt. Russlands Beteiligung unterstreicht sein Engagement für eine multipolare Welt und stellt damit für den Globalen Süden einen Gegenpol zur westlichen Hegemonie dar.
Die Rolle der Shanghai Cooperation Organization (SCO)
Die SCO, die 2001 von China, Russland und mehreren zentralasiatischen Ländern gegründet wurde, konzentriert sich auf politische, wirtschaftliche und sicherheitsbezogene Zusammenarbeit. Die Erweiterung der Organisation um Indien und Pakistan hat ihre Rolle in der regionalen Stabilität und Zusammenarbeit weiter gefestigt.
Die SCO betont die regionale Sicherheit durch gemeinsame Militärübungen und den Austausch von Geheimdienstinformationen. Für Russland ist diese Zusammenarbeit entscheidend im Kampf gegen Terrorismus, Separatismus und Extremismus in Zentralasien. Auch im wirtschaftlichen Bereich ist die SCO aktiv. Sie fördert die wirtschaftliche Integration unter den Mitgliedstaaten, indem sie Handel, Investitionen und Verkehrsverbindungsprojekte zwischen den Mitgliedern vorantreibt. Russland profitiert von dieser Integration durch die Verbesserung seiner Handelsrouten und wirtschaftlichen Beziehungen zu Asien.
Zugleich dient die SCO auch als diplomatische Plattform, auf der Russland mit anderen großen asiatischen Mächten, insbesondere China und Indien, in Kontakt treten kann. Dieses Engagement ist für Russlands breitere Strategie zur Balance des westlichen Einflusses von entscheidender Bedeutung.
Russland-China-Partnerschaft
Der Eckpfeiler von Russlands Neuausrichtung nach Asien ist die strategische Partnerschaft mit China. Diese Beziehung, die durch gemeinsame Interessen und geopolitische Ziele gekennzeichnet ist, spielt sowohl in der BRICS als auch in der SCO eine entscheidende Rolle. Sie ist praktisch der Kitt, der das Gebilde BRICS und SCO zusammenhält und mit jeder weiteren Vertiefung der russisch-chinesischen Beziehungen für weitere Anwärter auf Mitgliedschaft noch attraktiver macht.
Die wirtschaftliche Partnerschaft zwischen Russland und China umfasst umfangreiche Handelsabkommen, Energiekooperation und gemeinsame Infrastrukturprojekte. Die Gaspipeline “Power of Siberia” und andere Energieprojekte unterstreichen die wechselseitige Abhängigkeit der beiden Nationen.
Zwischen Russland und China herrscht ein hoher Grad an politischer Übereinstimmung, wenn das auch nicht für alle Themen gilt, z. B. in den Beziehungen zu Vietnam. Bei Kernproblemen herrscht jedoch Übereinstimmung, was insbesondere für die Einschätzung der Aggressivität der USA und ihrer Vasallen gilt. Sie teilen auch ihre Ablehnung der “regelbasierten internationalen Ordnung”, die der Westen seit Jahrzehnten den meisten Ländern der Welt mit wirtschaftlichen und finanziellen Erpressungen und Sanktionen oder mit militärischen Drohungen und Krieg aufgezwungen hat. Russland und China verfolgen das gemeinsame Ziel, diese unipolare Ausbeuterwelt des Westens in eine multipolare Welt umzugestalten, wobei sie westlichen Interventionismus, egal welcher Art, strikt ablehnen. Diese Übereinstimmung stellt das Rückgrat der Zusammenarbeit in BRICS und der SCO dar.
Die militärische Zusammenarbeit umfasst ein breites Spektrum von Verteidigungsprogrammen. Diese beinhalten natürlich die Kooperation und Anpassung auf Gebieten wie in Strategie und Taktik (aktuell stehen dort die Lehren aus dem US-Stellvertreterkrieg in der Ukraine auf dem Plan), aber auch in anderen Bereichen hat Russland viel zu bieten, wie z. B. ihre weltweit führenden integrierten Luftabwehrsysteme samt Taktik ihrer Anwendung. Im Bereich der elektronischen Abwehr und Kriegsführung liegen die Russen ebenfalls einsam an der Weltspitze. In Zusammenarbeit mit der gigantisch großen elektronischen Industrie Chinas und unter Nutzung deren Spitzentechnologien könnten die revolutionären militärtechnologischen Produkte der Russen gemeinsam mit China weiterentwickelt werden und die im Entstehen begriffene friedlichere und gerechtere Welt für die imperialistischen Raubtiere im Westen auf Generationen unangreifbar machen.
Bei inzwischen regelmäßigen gemeinsamen Militärübungen verbessern Russland und China ihre strategischen Fähigkeiten und schrecken externe Bedrohungen ab, insbesondere aus dem Westen. Dabei kommt auf beiden Seiten militärische Spitzentechnologie zum Einsatz. Eine gemeinsame Übung für den Ernstfall kann aber nur funktionieren, wenn z. B. die neuen militärischen Fähigkeiten eines russischen Abfangjägers mit Spitzentechnologie dem Kommandostand auf dem chinesischen Flaggschiff bekannt und in den dortigen Computer eingespeist sind. Umgekehrt muss auch das russische regionale Oberkommando, das seinerseits die Operation mit den Chinesen koordiniert, die streng geheimen Fähigkeiten des chinesischen Kriegsschiffes kennen, um keine falsche Entscheidung zu treffen. Dies ist ein simplifiziertes Beispiel, und die Wirklichkeit ist viel komplexer. Aber die Tatsache, dass solche Manöver stattfinden, zeigt, auf welch hohem Niveau das gegenseitige Vertrauen zwischen dem chinesischen und russischen Militär angekommen ist.
Auswirkungen auf die Eurasische Geopolitik
Die Integration Russlands in BRICS und die SCO verändert die eurasische Geopolitik auf verschiedene Weise.
Erstens: Diese Organisationen fördern eine stärkere Integration innerhalb Eurasiens, indem sie die Konnektivität und wirtschaftliche Interdependenz unter den Mitgliedstaaten verbessern. Russland spielt eine zentrale Rolle bei dieser Integration und nutzt seine geografische und strategische Position.
Zweitens: Die Sicherheitskooperation innerhalb der SCO bietet ein Gegengewicht zum Einfluss der NATO in der Region. Russlands Führungsrolle in der SCO stärkt seine Position als wichtiger Sicherheitsakteur in Eurasien.
Drittens: Durch die SCO erhält Russland erheblichen Einfluss in Zentralasien, einer Region, die für seine Sicherheits- und Wirtschaftsinteressen von entscheidender Bedeutung ist. Dieser Einfluss ist wichtig für die Abwehr potenzieller Bedrohungen und die Förderung regionaler Stabilität.
Viertens: Im Gegensatz zum absteigenden Europa repräsentiert BRICS eine Koalition großer aufstrebender Volkswirtschaften, die sich für die Interessen des globalen Südens einsetzen. Russlands Beteiligung unterstreicht sein Engagement für die Solidarität des globalen Südens und stellt die Dominanz der westlichen Mächte infrage.
Russlands strategische Neuausrichtung nach Asien und seine aktive Teilnahme an der BRICS und der SCO stellen eine bedeutende Entwicklung im Widerstand gegen den westlichen Einfluss dar. Diese Allianzen fördern in den wichtigsten Wachstumsregionen der Welt die wirtschaftliche und die sicherheitspolitische Zusammenarbeit sowie den politischen Dialog und tragen zur Bildung einer multipolaren Welt bei. Europa, unter Führung der EU in Brüssel, die ihre Befehle aus Washington bekommt, hat sich aus diesen florierenden Märkten der Zukunft selbst ausgeschlossen, während Russland seine Beziehungen zu asiatischen Nationen stärkt und sich in diese Organisationen integriert. Damit erhöht es seinen geopolitischen Einfluss und trägt zu einer ausgewogeneren und inklusiveren globalen Ordnung bei. Die Auswirkungen auf die eurasische Geopolitik sind tiefgreifend und verändern die regionalen Dynamiken und stellen die Unipolarität der westlichen Hegemonie infrage und Europa in die Ecke.