Wild West in der US-Außenpolitik
von Rainer Rupp
erschienen auf KenFM am 2. Juli 2021
Den Maidan-Putsch in der Ukraine im Jahr 2014 hatten sich die Herren der „liberalen Weltordnung“ in Washington eigenen Angaben zufolge 5 Milliarden Dollar kosten lassen. Im Rückblick hat Washington das Geld in den Sand gesetzt. Denn seither sind die finanziellen und politischen Kosten, um das korrupte Fascho-Regime in Kiew über Wasser zu halten, stark gestiegen; nicht zuletzt, weil es auch für die Puppenspieler in Washington zunehmend unkontrollierbar geworden ist.
Tatsächlich ist das Ergebnis des gemeinsamen von USA und EU verfolgten Regimewechsels in der Ukraine für die westliche Herrschaftselite alles andere als zufriedenstellend. Denn Russland hat sich nicht bluffen lassen und hat bei der letzten Eskalation der Ukro-Faschos im Frühling dieses Jahres die Zähne gezeigt, bzw. seine erdrückende Überlegenheit entlang des gesamten militärischen Spektrums in Qualität und Quantität demonstriert.
Das zu Tode erschrockene Ukro-Regime in Kiew hat schleunigst den Schwanz eingezogen und die USA und die NATO um militärische Soforthilfe angefleht. Vergeblich. Von den USA und der NATO kamen nur warme Worte als Placebos, denn auch sie konnten nichts tun, außer sich noch tiefer in die Verliererposition zu manövrieren.
In diesem entscheidenden Tagen haben beide, die USA und die NATO viel an Gesicht verloren. Dazu gehört auch, dass US-Präsident Biden am 13. April dieses Jahres seinen russischen Amtskollegen Putin, den er kurz zuvor noch verächtlich als „Killer“ bezeichnet hatte, um eine dringendes Gipfelgespräch gebeten hat, um – so Biden wörtlich – „stabile und berechenbare Beziehungen zu Moskau“ wieder herzustellen.
Der russisch-amerikanische Gipfel hat inzwischen in Genf stattgefunden und selbst aus Moskau kommen – wenn auch verhalten – erste positive Einschätzungen über eine lange, schrittweise Rückkehr zur Normalisierung der Beziehungen.
Allerdings versteht sich von selbst, dass ein solcher politischer Richtungswechsel in Richtung Entspannung in der mächtigen, die US-Parteienlandschaft übergreifenden Fraktion der Kriegs- und Rüstungsprofiteure nicht widerstandslos hingenommen wird. Schließlich haben bedeutende Kräfte im US-Kongress, in Wirtschaft und Finanzen und in den US-Medien über ein Jahrzehnt hart daran gearbeitet, Russland, seine Menschen, seine Politik und vor allem seinen Präsidenten Putin zu verteufeln, bzw. zu entmenschlichen. Auf diese Weise wurde im Westen erfolgreich ein Zustand der Feindseligkeit, des Misstrauens und der Unsicherheit gegenüber Russland hergestellt, wie es ihn selbst in heißen Phasen des Kalten Krieges nur selten gegeben hat.
Bereits unter Präsident Trump haben diese Kriegstreiber des Tiefen Staates mit ihren Schlüsselpositionen in den Geheimdiensten, Denkfabriken und Ministerialverwaltungen erfolgreich eine Normalisierung der US-Beziehungen zu Moskau torpediert. Daher ist davon auszugehen, dass dieselben Kreise auch unter Präsident Biden alles daransetzen werden, um die im Weißen Haus sichtbar gewordene Absicht zur politischen Entspannung mit Russland mit Wucht gegen die Wand zu fahren. Dass das letztlich auch zum Nachteil des amerikanischen Volkes und der ganzen Welt ist, stört die US-Söldner der „(neo-)liberalen Weltordnung“ nicht.
Auf der Suche nach einem Weg, den zarten Keim einer sich anbahnenden Entspannung zwischen Moskau und Washington noch im „Kindsbett“ abzutöten, scheinen die Strippenzieher des Tiefen Staates schnell fündig geworden sein. Ein weiterer, vom Westen gesteuerter, nationalistischer Umsturz, diesmal in Weißrussland, würde dem zarten Entspannungspflänzchen definitiv den Garaus machen. Damit wäre nämlich eine der von Putin gezeichneten „roten Linien“ überschritten worden, denn in der russischen Verteidigungsstrategie gegen NATO-Aggressionsgelüste ist Weißrusslands Stellenwert von höchster Bedeutung.
Die jüngsten Enthüllungen über den am 17. April dieses Jahres aufgedeckten Putschversuch gegen die Regierung des weißrussischen Präsidenten scheinen genau in dieses Bild zu passen. Bei der vom russischen Verteidigungsministerium ausgerichteten „9ten Moskauer Konferenz über Internationale Sicherheit (MCIS-2021)“, die letzte Woche am Mittwoch begonnen hatte, wurden Einzelheiten über diesen Putschversuch bekannt, die definitiv in Richtung USA weisen.
Zunächst jedoch zum besseren Verständnis hier ein kurzer Rückblick auf die dramatischen Entwicklungen am besagten Samstag, 17. April 2021. An diesem Tag hatte der russische Geheimdienst in Moskau zwei ausländische Verdächtige festgenommen, die angeblich in die Planung eines Mordanschlags auf Präsident Lukaschenko und in ein Entführungsvorhaben seiner erwachsenen Kinder verwickelt waren. Nach allem was wir heute wissen, sollte die Ermordung Lukaschenkos der Startschuss für einen gewaltsamen Umsturz in Weißrussland sein.
Bei den Verhafteten handelte es sich um den weißrussischen Politologen Alexander Feduta und den Anwalt Juri Senkowitsch, der außer der weißrussischen noch die US-amerikanische Staatsbürgerschaft hat.
Noch am selben Tag in Minsk teilte der weißrussische Präsident mit, dass Einheiten der Spionage- und Terrorabwehr eine entsprechende Gruppierung zerschlagen haben, hinter der man ausländische Geheimdienste vermutete, wobei namentlich die CIA genannt wurde.
Zugleich berichtet bereits die russische Spionageabwehr (FSB) in Moskau, dass der Umsturz in Minsk nach dem “Farbrevolution-Szenario” mit Heranziehung einheimischer und ukrainischer Nationalisten hätte abgewickelt werden sollen. Nach Beratungen in den USA und Polen hatten sich Feduta und Senkowitsch zu diesem Zweck in einem Moskauer Restaurant mit “oppositionell gestimmten Generälen der weißrussischen Streitkräfte” getroffen. Die Verdächtigen legten den Militärs ihren Umsturzplan ausführlich dar, der unter anderem die Einnahme von Radio- und Fernsehanstalten sowie eine komplette Stromabschaltung in Weißrussland vorsah. Der Militärumsturz sollte am 9. Mai vor dem Hintergrund der Siegesparade in Minsk stattfinden.
Um sich ein Bild über die Stimmung im weißrussischen Militär zu machen, wäre es wichtig zu wissen, ob die “oppositionell gestimmten Generäle der weißrussischen Streitkräfte” nur zum Schein auf die Putschpläne der Umstürzler eingegangen sind. Allerdings spricht die ganze Vorgehensweise, samt Art der Berichterstattung über die Verhaftung in einem Restaurant, dass die Putschisten Feduta und Senkowitsch in eine ihnen gestellte Falle getappt sind.
Bei der bereits erwähnten hochrangig besetzten, „9ten Moskauer Konferenz über Internationale Sicherheit – 2021“ gab der belarussische Verteidigungsminister Viktor Khrenin letzte Woche vor Ministern und führenden Persönlichkeiten aus Duzenden von Ländern eine Erklärung ab, wonach man inzwischen „unwiderlegbare Beweise für die Beteiligung von US-Regierungsbehörden“ an dem geplanten Anschlag auf das Leben des weißrussischen Präsidenten Aleksandr Lukaschenko habe.
Weiter warf Verteidigungsminister Khrenin dem Tiefen Staat der USA Terrorismus vor, ohne jedoch die Beschuldigten beim Namen zu nennen. Er sagte: “Das Fehlen eines Systems von Checks und Balances (also von Kontrollen und politischen Gegengewichten) hat zur Entstehung von Mächten geführt, die glauben, ungestraft handeln zu können. Sie haben keine Angst, traditionelle rote Linien zu überschreiten. Ein solches Phänomen kann als internationaler Terrorismus beschrieben werden.”
Laut Khrenin manifestierte sich das Phänomen auch, als die Amerikaner den iranischen General Qasem Soleimani bei einem offiziellen diplomatischen Besuch im Irak ermordet haben. Belarus sei „vor einigen Monaten praktisch auf dasselbe Phänomen gestoßen. Eine gemeinsame Operation der belarussischen und russischen Sicherheitsdienste beendete die Vorbereitungen für eine Meuterei, bei der das belarussische Staatsoberhaupt und Mitglieder seiner Familie physisch eliminiert werden sollten. Heute wurden unwiderlegbare Beweise für die Beteiligung amerikanischer Regierungsbehörden aufgedeckt”, unterstrich Minister Khrenin in seiner Rede.
Tatsächlich ist der mit US-Hilfe geplante Putsch in Weißrussland genau 4 Tage nach Präsident Bidens Telefongespräch mit Präsident Putin aufgeflogen. Das heißt also, dass zur selben Zeit, wo sich der US-Präsident um „stabile und berechenbare Beziehungen zu Moskau“ bemühte, waren Vertreter des Tiefen US-Staats aktiv damit beschäftigt, den US-Präsidenten mit Hilfe der Ermordung von Lukaschenko auszubremsen und alles zu tun, dass zwischen Russland und den USA kein Frieden ausbricht.
John Bolton, ein herausragender Vertreter dieser schwerst-kriminellen Söldnertruppe des Tiefen US-Staates, war auch in Sachen Umsturz in Weißrussland unterwegs. Eine Zeit lang war er Nationaler Sicherheitsberater von Donald Trump gewesen und in dieser Funktion hatte er für alle Probleme immer nur ein und dieselbe Lösung bereit: Bomben, Bomben, Bomben. Deshalb wurde er – leider viel zu spät – schließlich doch noch von Trump gefeuert. Am 30. Mai dieses Jahres, also nachdem der geplante Putsch in Weißrussland bereits aufgedeckten worden war, beklagte dieser Mr. Bolton in einem Meinungsartikel in der Washington Post unter dem Titel „Kritik und Sanktionierung gegen Lukaschenko ist kein Ersatz für eine echte Strategie für Belarussland“, dass Präsident Biden wegen seiner Entspannungspolitik mit Moskau wahrscheinlich auf eine schärfere Gangart gegen Weißrussland verzichten werde. Unter anderem schrieb Bolton:
„Leider stellen die Signale der (US-)Tugendhaftigkeit, selbst wenn sie von Wirtschaftssanktionen begleitet werden, keine zufriedenstellende westliche Strategie dar, um ein weitaus wichtigeres Problem zu lösen: Wie sieht die Zukunft für Belarus insgesamt aus? Wird es ermutigt werden, dem Weg der ehemaligen Warschauer Paktstaaten und zumindest einiger ehemaliger Sowjetrepubliken in den Westen zu folgen? Oder wird es eine vollständige Annexion durch Russland erleiden?“
Inzwischen aber scheint Bolten – zumindest bis auf Weiteres – keine Chance mehr für einen Umsturz in Weißrussland zu sehen, denn er hat sich mit seinen Regime-Change-Kumpels bereits ein anderes Opfer ausgesucht, diesmal sogar ein NATO-Mitglied. Als Reaktion auf die angeblich „jüngste Abkehr der Türkei von der Demokratie hin zum Autoritarismus” hat Bolton gemeinsam mit prominenten Neokonservativen Falken der Republikaner und liberalen Falken der Demokraten nun die Türkei ins Visier genommen. Dazu wurde am Donnerstag vergangener Woche in Washingtoner das „Türkei-Demokratieprojekt“ gegründet. Dessen Aufgabe ist es laut Selbstdarstellung der Gruppe „eine Politik gegenüber der Türkei zu formulieren, die sich ihrem destabilisierenden Verhalten widersetzt, echte demokratische Reformen unterstützt und die Kräfte der Korruption und Unterdrückung in der Türkei zur Rechenschaft zieht”.
Angesichts dieser auch hier wieder zur Schau gestellten, ignoranten Arroganz, mit der in den USA Außenpolitik gemacht und über Kriege und Zerstörung ganzer Weltregionen entscheiden wird, wäre es dringender denn je nötig, dass die internationale Gemeinschaft zusammensteht und dem Wüten des US-Imperiums Einhalt gebietet. Aber stattdessen machen auch Deutschlands Finanz-, Polit- und Medieneliten mit den Verbrechern in Washington weiterhin gemeinsame Sache.