Zurück ins Boot?
von Rainer Rupp
erschienen am 14.04.1999 in der Jungen Welt
Plötzlich ist Rußland als Friedensvermittler gefragt.
Schlimm muß es um das Nordatlantische Aggressionsbündnis stehen, wenn es nun die »Mitwirkung Rußlands« bei der Suche nach einer Lösung in dem von ihm angezettelten Angriffskrieg »wünscht«, wie Frau Madeleine Albright, die Außenministerin der westlichen Hegemonialmacht, nach der Sitzung der NATO-Außenminister in Brüssel vor der Presse verkündete. Denn es steht nicht gut um »Madeleines Krieg«, wie der Angriff auf Jugoslawien in den USA bereits genannt wird. Immer deutlicher wird, daß er sich trotz absoluter militärischer Überlegenheit als schwerer politischer Fehlschlag erwiesen hat. Genauso wie niemand eine Feuerwehr ruft, die mit Benzin löscht, so will auch niemand die NATO als »Krisenmanager«, wenn sie Krise und Instabilität erst richtig entfacht.
Kurz nachdem Kriegskanzler Schröder in Absprache mit der NATO in Bonn den russischen Premier Primakow bei dessen Bemühungen für eine Verhandlungslösung recht überheblich hat abblitzen lassen, soll nun Rußland »zurück ins Boot« geholt werden. Wofür? Um etwa für die NATO die Kastanien aus dem Feuer zu holen? Soll Rußland nur als Alibi dienen, um zu »beweisen«, daß auch diplomatisch alles versucht wird, während der Bombenkrieg gegen Jugoslawien verstärkt weitergeführt wird? Und wenn unter diesen Bedingungen kein Frieden zustande kommt, läßt sich vor der Öffentlichkeit wenigsten ein Teil des eigenen Versagens auf Moskau abwälzen. Oder wächst in den Hauptstädten des Brüsseler Aggressionsbündnisses tatsächlich die Einsicht, daß ohne Rußland und seine guten Beziehungen zu den Serben eine dauerhafte Lösung des Balkankonfliktes unmöglich ist? Daß ohne die guten Dienste Moskaus die Gefahr, in den Morast eines Guerillakrieges auf dem Balkan gezogen zu werden, tagtäglich größer wird?
Die NATO steht längst nicht so geschlossen da, wie sie es der Öffentlichkeit gerne weismachen möchte. Außenminister Joseph Fischer hat nun in einem Anfall von Vernunft vorgeschlagen, daß eine internationale Friedenstruppe unter Führung der OSZE (und nicht der NATO!) im Kosovo die Einhaltung des Autonomieabkommens mit Serbien überwachen sollte. In den Augen Washingtons ein schwerer Fehlgriff, was Herrn Fischer denn auch sofort eine öffentliche Rüge von seiner Duzfreundin Madeleine einbrachte. Rußland wieder in den Prozeß einzubeziehen, das sei o.k. Aber auf keinen Fall dürfte die NATO ihre Schlüsselrolle im Kosovo und dem gesamten Balkan mit einer anderen Organisation teilen oder gar aufgeben. Alles andere käme ja schließlich dem Eingeständnis des eigenen Versagens gleich.
Moskau hat dem deutschen Emissär Ischinger zwar seine Kooperationsbereitschaft signalisiert, zugleich aber deutlich gemacht, daß es sich nicht in die NATO-Luftschlagpolitik einbeziehen läßt. Es sollte einen Schritt weiter gehen und auf einem sofortigen Waffenstillstand bestehen. Wenn nicht, läuft Moskau Gefahr, doch noch als Alibi für die Fortführung der NATO-Bombenpolitik mißbraucht zu werden.